Müssen ausländische Zeugen vor deutschen Gerichten aussagen?

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Diese Frage stellte kürzlich ein niederländischer Mandant, der in den Niederlanden wohnt und arbeitet. Er wurde von einem Landgericht in Niedersachsen geladen, um in einer Hauptverhandlung als Zeuge auszusagen. Folgende Antwort haben wir dem Mandanten gegeben (Auszüge):

Territorialhoheit oder Personalhoheit

Die Zeugnispflicht, das heißt die Pflicht, auf Ladung eines deutschen Gerichts zu erscheinen und – falls nicht Zeugnisverweigerungsrechte greifen – Zeugnis abzulegen, richtet sich danach, ob der Zeuge der Territorial- und/oder der Personalhoheit des deutschen Staates unterfällt. Anknüpfend an diese zwei Kriterien lassen sich zwei Sorten von Auslandszeugen unterscheiden. Es gibt sonach den deutschen Staatsbürger, der sich außerhalb Deutschlands aufhält und den Nichtdeutschen, der sich ebenfalls im Ausland befindet.

Deutsche Auslandszeugen

Der deutsche Auslandszeuge unterfällt der Personalhoheit seines Heimatstaates und diese erlaubt es, ihn an die jeden deutschen Staatsbürger treffende Pflicht zu binden, Zeugnis vor Gericht abzulegen. Der deutsche Auslandszeuge kann also unter Umständen zu einer Aussage gezwungen werden.

Ausländische Zeugen im Ausland

Der weder der Territorial- noch der Personalhoheit Deutschlands unterfallende nichtdeutsche und sich außerhalb Deutschlands aufhaltende Zeuge hat hingegen aus völkerrechtlicher Sicht überhaupt keine Veranlassung, der deutschen Justiz als Zeuge zu dienen. Von dieser nicht bestehenden Pflicht soll nur derjenige Ausländer ausgenommen sein, der zuvor in Deutschland gelebt und sich nachweisbar nur zur Umgehung seiner Zeugnispflicht ins Ausland abgesetzt hat.

Beispiel Niederlande

Die rechtlich vielschichtige Rechtshilfe in Strafsachen, die auch zwischen den Niederlanden und Deutschland allerhand Institute kennt, die eine Vernehmung in den Niederlanden auf Ersuchen deutscher Gerichte ermöglichen, zielt aber auf den ganz regulär im Ausland befindlichen Deutschen. Für diesen, dessen Zeugnispflicht rechtlich gut aus der Personalhoheit Deutschlands herzuleiten und daher prinzipiell unumstritten ist, zeigt die Rechtshilfe Wege zur faktischen Durchsetzung auf.

Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in Strafsachen

Jeder Staat muss in juristischen Belangen die Souveränität anderer Staaten beachten. Damit enden die Ladungsbefugnisse auch der deutschen Gerichte. Ein sich im Ausland aufhaltender Zeuge und sei es auch, dass er Deutscher ist, muss nicht vor einem deutschen Gericht erscheinen. Er darf es ablehnen, zu einer Zeugenaussage nach Deutschland einzureisen. Schon die an ihn gerichtete Ladung zur Zeugenaussage darf, wie erwähnt, für den Fall der Zuwiderhandlung weder Ordnungs-, noch Zwangsmittel androhen. Zudem ist es dem Heimatstaat des Zeugen, d. h. gegenständlich den Niederlanden, untersagt, den Zeugen aufgrund seines Fernbleibens zu bestrafen oder einer Zwangsmaßnahme zu unterwerfen (§ 8 Europäisches Rechtshilfeübereinkommen). Kurzum: Zeugen im Ausland dürfen nicht vor ein deutsches Gericht gezwungen werden. Insoweit gilt das völkerrechtliche Verbot der Androhung von Zwangs- und Beugemaßnahmen im Ausland.

An den Zeugen im Ausland kann Deutschland im Rechtshilfeweg lediglich die Bitte zu erscheinen und auszusagen richten, die neben der Erstattung von Reisekosten und bei Zeugen, die selber im Verdacht einer Tatbeteiligung stehen, auch die Zusicherung freien Geleits umfassen muss. Deutschland muss folglich einen offiziellen Ladungsweg beschreiten.

Das freie Geleit begründet ein (inhaltlich und zeitlich begrenztes) Strafverfolgungshindernis, ausgenommen Aussagedelikte, die von dem Zeugen in der Hauptverhandlung begangen werde. Wegen dieser kann der Auslandszeuge trotz freien Geleits auf der Stelle belangt werden.

Konkrete Fragen zu den Rechten und Möglichkeiten der deutschen Strafverfolgungsbehörden im In- und Ausland beantworte ich gern im persönlichen Beratungsgespräch. Bitte nehmen Sie Kontakt über die nebenstehende Telefonnummer oder E-Mail-Adresse auf.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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