Muss ich der Polizei meine Smartphone oder Handy – PIN geben?

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Muss ich der Polizei meine Smartphone oder Handy – PIN geben?


Dies und mehr erfahrt ihr hier in diesem Rechtstipp und in meinen Video.

In 50 % unserer Fälle spielen die Daten auf dem Handy oder Smartphone eine wichtige, wenn nicht gar entscheidende Rolle im Strafverfahren.

Viele Strafverfahren beginnen für die Betroffenen damit, dass die Polizei mit einem Durchsuchungsbefehl vor der Tür steht und eine Hausdurchsuchung erfolgt.

Dabei werden zuerst fast immer Handys, Smartphones und sonstige Speichermedien gesucht und beschlagnahmt. Die Polizei will die Daten aus den Handys und Smartphones auszulesen, um Beweismittel zu finden.

Insbesondere Handys sind fast immer mit einer PIN oder einem Entsperrcode gesichert. Um das Handy auslesen zu können, benötigt die Polizei jedoch die PIN bzw. den Entsperrcode des Handys.

Die Polizei ist darauf angewiesen, dass sie die PIN der sichergestellten Handys von euch erhält. Wenn die PIN nicht zufällig auf einem Zettel notiert wurde, welcher bei der Durchsuchung ebenfalls gefunden wurde oder 123456 ist, dann gibt es nur die Möglichkeit die PIN von euch zu erhalten.

Um an die Codes zu kommen, üben die Polizeibeamten fast immer Druck aus oder machen falsche Versprechungen, damit die PIN offenbart wird. Dabei ist ganz besonders wichtig zu wissen:

Ihr seid nicht verpflichtet, der Polizei eure Handy-PIN mitzuteilen. Ihr müsst der Polizei nie eure PIN nennen!

Als Strafverteidiger raten wir euch daher im Fall einer Hausdurchsuchung und Beschlagnahme von Smartphones immer:

Gebt der Polizei niemals ohne Rücksprache mit eurem Strafverteidiger eure Handy-PIN heraus!

Ihr erleidet dadurch keinerlei Nachteil und könnt die Erfolgschancen der Verteidigung wesentlich verbessern!


Lasst euch nicht durch falsche Drohungen oder Versprechungen der Polizei unter Druck setzen!

Wir hören häufig von unseren Mandanten, dass diese von den Polizeibeamten, welche die Hausdurchsuchung durchführen, unter Druck gesetzt oder stellenweise belogen werden. So wird von der Polizei behauptet:

  • Sie sind dazu verpflichtet, die PIN herausgeben!
  • Ihr Sohn kommt ins Gefängnis, wenn sie uns die PIN nicht geben.
  • Im Labor können wir ihr Smartphone sowieso entsperren und kommen an die Daten. Wir lesen das Handy sowieso aus. Mit Pin geht es schneller.

Oder, es werden falsche Versprechungen gemacht wie:

  • „Wenn sie uns die PIN geben, dann bekommen sie das Handy in zwei Wochen wieder zurück“
  • „Mit der PIN können wir sofort schauen, was auf dem Handy ist und sie sind sofort entlastet.“

Alle diese Behauptungen sind schlicht falsch und dienen nur dazu, euch zur Herausgabe der PIN zu bewegen.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage. Können Smartphone oder Handys auch ohne PIN ausgelesen werden?

Ja und Nein.
 
Dass die Polizei so vehement die PIN fordert hat einen ganz einfachen Grund:
 
Android-Handys können auch ohne die PIN mit technisch relativ einfachen Mitteln durch die Polizei ausgelesen werden. Mit einer speziellen Software der Firma Cellbrite ist das problemlos möglich.

Anders sieht das jedoch bei iPhones der Marke Apple aus. Faktisch ist es so, dass neuere Modelle der iPhones (bislang noch ab dem Modell iPhone 8 aufwärts) ohne die dazugehörige PIN bzw. den Entsperrcode nicht oder nur sehr schwer ausgelesen werden können.

Ohne die PIN haben Polizei und Staatsanwaltschaft somit fast keine Chance, um an die auf den iPhone gespeicherten Daten zu gelangen.
 

Als Verteidiger haben wir immer ein Interesse daran, dass die Handydaten unserer Mandanten nicht ausgelesen werden können.


Weshalb sollen eure Handys nicht ausgelesen werden?

Der wichtigste Grund. Auf dem Handy sind eure Daten. Diese gehen keinen Fremden etwas an.
 
Zweiter Grund. In vielen Fällen, insbesondere beim Vorwurf des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornographie oder der Besitz und Handel mit Betäubungsmitteln, beruht der Tatvorwurf der Polizei nur auf Vermutungen. Ein Beweis, welcher später zu einer Verurteilung führt, kann nur dann geführt werden, wenn entsprechende Bilder oder Chatverläufe beim Beschuldigten gefunden werden.
 
 Der Gedanke vieler Betroffener ist dann:
 
„Ich denke, ich habe keine Bilder oder Chats auf dem Handy – also kann die Polizei es schnell auslesen und ich bin entlastet.“
 
Das ist ganz falsch.

Auf Handys können unglaublich viele Daten und Chatverläufe gespeichert werden. Was vielleicht vor 2 oder 3 Jahren dort abgespeichert wurde, hat kein Mensch mehr im Kopf.
 
Was viele auch nicht wissen: Das Betriebssystem eines Handys legt von allen Bildern, die auf dem Handy gespeichert werden und von Bildern, die in einem Internetbrowser angezeigt werden, kleine Kopien (sogenannte Thumbnails) an, welche dazu dienen, in der Bildergalerie die Galerie oder eben im Webbrowser die Internetseite schneller anzeigen zu können.

Auch wenn die eigentlichen Bilddateien auf einem Handy gelöscht werden bleiben die Vorschaubilder gespeichert (das gilt auch für Vorschaubilder besuchter Webseiten).

Liest die Polizei dann das Handy aus, werden die unbewusst gespeicherten Vorschaubilder gefunden und die Staatsanwaltschaft geht auf dieser Grundlage von einem Tatnachweis aus. Das lässt sich nur vermeiden, wenn man das Auslesen des Handys vermeidet.


Kann mir etwas passieren, wenn ich die PIN nicht herausgebe?

Offen gestanden: Nichts.

Wenn ihr Beschuldigter in einem Strafverfahren seid, dann habt ihr ein umfassendes Schweigerecht. Dieses Recht gilt auch für eure PIN und Passwörter. Und dieses Recht auf Schweigen darf keinesfalls beschränkt werden oder euch nachteilig ausgelegt werden. Dieses Schweigerecht gilt auch für Eltern in Bezug auf ihre Kinder. Wird also im Haushalt eines minderjährigen Kindes oder Jugendlichen durchsucht, dann müssen auch die Eltern die PIN des Handys des Kindes nicht herausgeben.

Die Drohungen, welche regelmäßig gegenüber Betroffenen von der Polizei ausgesprochen werden, sind sämtlich haltlos. Es erfolgt deswegen keine Verhaftung, es kann kein Zwang angewendet werden, es wird in der Sache nichts verschlimmert.

Folge der Weigerung die PIN herauszugeben kann lediglich sein, dass die Auswertung des Handys lange dauert.

Zusätzlich habt ihr aber noch die Chance, dass die Beschlagnahme des Handys rechtswidrig war und ein Strafverteidiger die Rückgabe des Handys erreicht, bevor es bei der Polizei ausgelesen wird.


Wie mache ich es richtig?

Wie verhält man sich also aus Sicht der Verteidigung optimal? Ganz einfach:

  1. Wenn bei euch eine Hausdurchsuchung stattfindet und Handys gesucht und beschlagnahmt werden sollen, dann auf keinen Fall, sich körperlich gegen die Beschlagnahme wehren. Die Polizei sitzt da am längeren Hebel.
  2. Habt ihr mehrere Handys im Haus und einzelne Geräte gehören beispielsweise kleineren Kindern oder Euren Partner, dann sagt das den Polizeibeamten.
  3. Legt formal Widerspruch gegen die Beschlagnahme ein. Sagt den Beamten „Ich widerspreche der Beschlagnahme“ und achtet darauf, dass dies im Protokoll der Durchsuchung vermerkt wird. Lasst die Beschlagnahme von einem erfahrenen Strafverteidiger prüfen.
  4. Gebt nicht die PIN und die Entsperrcodes heraus!
  5. Ruft noch während der Durchsuchung oder direkt danach bei einem Strafverteidiger an, damit der mit eurer Verteidigung beginnen kann. Dieses Recht habt ihr auch während einer laufenden Durchsuchung.

    Weitere Infos finden Sie in meinem Video und unter:

    GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht
Foto(s): GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht

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