Muss man als Geschädigter eines unverschuldeten Verkehrsunfalls die eigene Kaskoversicherung in Anspruch nehmen?

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Wenn Sie mit Ihrem Fahrzeug einen Unfall hatten, ist die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zum finanziellen Ausgleich von Personen- und Sachschäden verpflichtet.

Neben der Erstattung der Gutachter- und Reparaturkosten und einiger anderer Schadenspositionen ist die Geltendmachung des sogenannten Nutzungsausfallschadens immer wieder ein strittiger Punkt bei der Regulierung von Unfallschäden, der von Haftpflichtversicherungen zu gern gekürzt wird.

Was ist eine sogenannte Nutzungsausfallentschädigung?

Da die Nutzung Ihres Fahrzeugs unfallbedingt wegen der entstandenen Schäden nicht möglich ist, haben Sie als Geschädigter Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum vom Schadenseintritt (Unfall) bis zur Beseitigung der Schadensursache, also der Reparatur bzw. Ersatzbeschaffung (bei Totalschaden).

Dabei haben Sie jedoch die sogenannte Schadensminderungspflicht zu beachten. Diese besagt, dass Sie sich als Geschädigter so zu verhalten haben und auch erforderliche Maßnahmen ergreifen sollten, die den zu ersetzende Schaden zugunsten von Schädiger und dessen Kfz-Haftpflichtversicherer so gering wie möglich hält.

So sollten Sie als Geschädigter nach einem Unfall schnellstmöglich einen Sachverständigen beauftragen, um das verunfallte Fahrzeug begutachten und die Schäden feststellen zu lassen. Nach Erhalt des Gutachtens ist möglichst schnell zu überlegen, ob Sie Ihr Fahrzeug reparieren lassen möchten oder ein anderweitiges Fahrzeug angeschafft werden soll. Sodann sollte die Reparatur zeitnah in Auftrag gegeben bzw. ein anderweitiges Ersatzfahrzeug angeschafft werden.

Was ist jedoch zu tun, wenn sich die Regulierung des Schadens durch die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung verzögert und Sie als Geschädigter finanziell nicht in der Lage sind, die Reparaturkosten vorab zu finanzieren?

Sollte Ihre eigene Kaskoversicherung in Anspruch genommen werden, um die Fahrzeugreparatur vorzufinanzieren?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dies mit Urteil vom 17.11.2020, Az.: VI ZR 569/19 eindeutig verneint und in dieser Entscheidung klargestellt, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls grundsätzlich nicht verpflichtet ist, über die eigene Kaskoversicherung die Behebung des Unfallschadens vorzufinanzieren, nur „um die Zeit des Nutzungsausfalls und damit die Höhe der diesbezüglichen Ersatzverpflichtung des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherers möglichst gering zu halten.“

Der Geschädigte verstößt damit nicht gegen die Schadensminderungspflicht, da er nicht verpflichtet ist, eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung zeitnah nach dem Unfall vorzunehmen und über die Inanspruchnahme der eigenen Kaskoversicherung vorzufinanzieren.

Denn Sinn und Zweck einer Kaskoversicherung ist es gerade nicht, einen Schädiger zu entlasten. Dem Geschädigten ist zudem die Inanspruchnahme seiner Kaskoversicherung auch wegen der damit verbundenen Rückstufung nicht zuzumuten.

Der BGH stellt in diesem Urteil ausdrücklich klar, dass die Schadensbeseitigung und deren Finanzierung Sache des Schädigers ist.

Hinweis: Sollten allerdings Sie maßgeblich den Unfall verschuldet haben, stellt sich die rechtliche Beurteilung anders dar. In einer derartigen Fallkonstellation wäre eventuell eine zeitnahe Inanspruchnahme des eigenen Kaskoversicherers angebracht, um Ihren Schaden möglichst gering zu halten.

Wir beraten Sie gerne und umfassend in Fällen des Verkehrsrechts.

Birgit Lischka

Rechtsanwältin


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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