Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zum Thema wirtschaftlicher Totalschaden!

Wirtschaftlicher Totalschaden: Wer muss dafür aufkommen?

  • 5 Minuten Lesezeit
Wirtschaftlicher Totalschaden: Wer muss dafür aufkommen?

Experten-Autor dieses Themas

Hat des Deutschen liebstes Kind durch einen unverschuldeten Unfall erheblichen Sachschaden erlitten, ist das natürlich ärgerlich. Vor allem dann, wenn offensichtlich ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt. Diesen Begriff kennen wahrscheinlich die meisten von uns. Aber wissen Sie auch, wann die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung zahlt, wie genau es sich dabei mit Neuwagen verhält oder was die sogenannte „130-Prozent-Regel“ bedeutet? Das alles erkläre ich Ihnen in meinem Ratgeber. 

Was ist ein wirtschaftlicher Totalschaden?

Ein Fahrzeug zählt als wirtschaftlicher Totalschaden, wenn eine Reparatur des Fahrzeugs zwar möglich wäre, jedoch – wie der Name schon sagt – diese nicht wirtschaftlich ist. Hier sind die Reparaturkosten nämlich höher als die Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Autos wie Ihres vor dem Unfall (Wiederbeschaffungswert). Ganz anders beim „technischen Totalschaden“. Bei diesem kann auch eine Reparatur den ursprünglichen Zustand des Fahrzeugs nicht wiederherstellen. 

„Unechter“ Totalschaden 

Um einen sogenannten „unechten Totalschaden“ handelt es sich, wenn eine Wiederherstellung des Fahrzeugs nicht ausreichend wäre. In § 251 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) heißt es dazu: 

„(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.“ 

Das bedeutet beispielsweise: Sie haben unverschuldet mit Ihrem neuen Fahrzeug einen Unfall mit Sachschaden. Es wird festgestellt, dass eine Reparatur des Neuwagens technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll wäre. Jedoch würde eine solche Reparatur den Wert Ihres Neuwagens so stark mindern – es wäre dann ein Unfallfahrzeug –, dass in so einem Fall der Wertverlust unzumutbar wäre. Der Geschädigte hat hier zum Beispiel Anspruch auf ein gleichwertiges Neufahrzeug. 

Feststellen des wirtschaftlichen Totalschadens

Die Diagnose „wirtschaftlicher Totalschaden“ könnte wahrscheinlich jede halbwegs fachlich kompetente Kfz-Werkstatt stellen. Damit eine Schadensaufstellung aber von der gegnerischen Haftpflichtversicherung auch akzeptiert wird, muss ein Gutachten des Unfallschadens von einem unabhängigen Sachverständigen erstellt werden. Die Kosten dafür trägt ebenfalls die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers.  

Wenn der Sachverständige in seinem Unfallgutachten einen wirtschaftlichen Totalschaden feststellt, berücksichtigt er dabei, ob es sich bei dem Fahrzeug um ein scheckheftgepflegtes Fahrzeug handelt, ob eine Sonderausstattung vorhanden ist, den Kilometerstand und weitere Faktoren. Der Gutachter macht sich ein Gesamtbild und nimmt eine Schätzung der Reparaturkosten, des Wiederbeschaffungs- und des Restwertes Ihres Fahrzeugs vor. Beim Restwert handelt es sich um den Wert Ihres Autos, den es im nicht reparierten Zustand besitzt. 

Auto behalten nach wirtschaftlichem Totalschaden

Auch wenn die Aussage „wirtschaftlicher Totalschaden“ zunächst wie das absolute Todesurteil Ihres Autos klingen mag, kann es dennoch Raum für andere Möglichkeiten geben. Ihr Fahrzeug kann trotz des Totalschadens durchaus sogar noch fahrbereit sein. Möchten Sie Ihr Auto – aus welchen Gründen auch immer – behalten, ist das möglich. Stellt der Gutachter einen Totalschaden fest, können Sie Ihren Unfallwagen jedoch auch verkaufen und sich die Differenz zum Wiederbeschaffungswert von der gegnerischen Versicherung auszahlen lassen. 

Auto verkaufen nach wirtschaftlichem Totalschaden

Bevor man das Auto mit Totalschaden zum Schrotthändler bringt, der nur den Materialwert der Ersatzteile bezahlt und nicht den Wert, den das Fahrzeug noch hat, kann es also durchaus sinnvoll sein, es zu verkaufen. Zumindest Teile des Autos sind bei dem einen oder anderen sicherlich gefragt. Außerdem ist ein Verkauf ein schneller und praktischer Weg, Entsorgungskosten zu vermeiden.  

Aber darf man ein Fahrzeug mit solch erheblichen Mängeln wie nach einem Totalschaden überhaupt noch verkaufen? Ja, das dürfen Sie. Hat ein Sachverständiger den wirtschaftlichen Totalschaden festgestellt, können Sie Ihr Fahrzeug verkaufen. Die Versicherung des Unfallverursachers zahlt dann die Differenz zwischen Restwert und Wiederbeschaffungswert. Sind Sie ein guter Verkäufer, kann die Versicherung einen eventuellen Übererlös auf den Schadensersatz anrechnen. Bei einem privaten Verkauf Ihres Autos mit Totalschaden sollten Sie besonders darauf achten, den Totalschaden als solchen auch explizit anzugeben.  

Es empfiehlt sich, alle Mängel im Kaufvertrag festzuhalten, auch die nicht ersichtlichen Beschädigungen. So kann der Käufer wegen dieser Mängel später keine Gewährleistungsansprüche geltend machen. Werden Mängel verschwiegen, kann es sich nämlich um eine arglistige Täuschung handeln. In § 444 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) heißt es dazu: 

„Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.“ 

Erfüllt eine arglistige Täuschung den Straftatbestand eines Betrugs nach § 263 Strafgesetzbuch (StGB), kann der Täter mit einer Geldstrafe oder sogar einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen. Deshalb ist es ratsam, einen schriftlichen Kaufvertrag über den Verkauf des Fahrzeugs mit Totalschaden zu schließen. Der Kaufvertrag sollte in jedem Fall die Angabe, dass es sich bei dem Fahrzeug um einen festgestellten Totalschaden mit entsprechenden Mängeln handelt, und den Gewährleistungsausschluss enthalten. So sind Sie auf der sicheren Seite. 

Abrechnung von wirtschaftlichem Totalschaden: Bezahlt die Versicherung?

Nachdem das Gutachten des Sachverständigen vorliegt, sind für den weiteren Verlauf der Unfallregulierung und die Zahlung durch die Versicherung des Unfallverursachers folgende Punkte besonders von Belang:

  • die Reparaturkosten 
  • der Wiederbeschaffungswert 
  • der Restwert 
  • eine Wertminderung

Dementsprechend gibt es für die Regulierung mehrere Möglichkeiten wie zum Beispiel: 

  • die vollständige Reparatur 
  • eine teilweise Reparatur 
  • keine Reparatur (Verkauf) 
  • Reparatur mit 130-Prozent-Regelung 

Bei der 130-Prozent-Regelung beispielsweise möchte der Geschädigte sein Fahrzeug reparieren lassen. Dabei wird der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs mit 100 Prozent festgelegt, plus 30 Prozent. Die voraussichtlichen Kosten für eine Reparatur dürfen also nicht höher als 130 Prozent über dem Wiederbeschaffungswert liegen. Das Prognoserisiko geht allerdings zulasten des Unfallverursachers. Denn bewegt sich der Schaden gemäß Sachverständigengutachten zunächst innerhalb dieser 130-Prozent-Grenze und es stellt sich bei der Reparatur heraus, dass die Reparatur nun doch teurer wird als erwartet, muss die Versicherung des Unfallverursachers die vollen anfallenden Reparaturkosten übernehmen, auch die, die über der 130-Prozent-Grenze liegen (OLG-Urteil vom 11.10.2000 Frankfurt, Az.: 7 U 203/98). 

Wichtig: Die 130-Prozent-Regelung für den wirtschaftlichen Totalschaden lässt keine fiktive Abrechnung zu. So eine Abrechnung ist grundsätzlich legal und auch gängige Vorgehensweise bei einer Schadensregulierung (die Kosten für den entstandenen Schaden werden von der Versicherung des Unfallverursachers bezahlt, ohne dass tatsächlich repariert wird). Das bedeutet, dass bei der 130-Prozent-Regelung das Fahrzeug auch tatsächlich nachweislich repariert werden muss. Außerdem muss der Geschädigte das Fahrzeug noch mindestens sechs Monate weiternutzen. 

Vollkaskoversicherung: Bei selbst verschuldeten Unfällen ist natürlich derjenige gut abgesichert, der eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hat. Die Vollkaskoversicherung greift auch im Fall eines selbst verschuldeten Totalschadens am eigenen Auto. Hier besteht – im Gegensatz zum Haftpflichtfall – zwar kein Anspruch auf die 130-Prozent-Regelung. Jedoch zahlt die Vollkaskoversicherung beim Totalschaden oft in den ersten sechs Monaten nach der Erstzulassung den Neupreis des Fahrzeugs. 

Foto(s): ©Adobe Stock/industrieblick

Artikel teilen:


Sie benötigen persönliche Beratung zum Thema wirtschaftlicher Totalschaden?

Rechtstipps zu "wirtschaftlicher Totalschaden"