Nachbarrecht: Die ohne Mitteilung entstandene Grenzmauer - Kein Beseitigungsanspruch bei Verstoß gegen Anzeigepflicht nach § 27 SächsNRG

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Das Amtsgericht Leipzig (Urteil vom 13.07.2020, Az.: 104 C 1604/20) und das Landgericht Leipzig (Urteil vom 17.12.2020, Az.: 04 S 254/20) haben eine Klage auf Beseitigung einer Mauer, die unter Verstoß gegen die in § 27 SächsNRG geregelte Anzeigepflicht an der Grenze zwischen zwei Grundstücken errichtet worden ist, zurückgewiesen.

Konkret hatte der auf dem Grundstück wohnende Sohn der Grundstückseigentümerin (Nachbar) über eine Baufirma entlang der Grundstücksgrenze eine massive ca. 2 m hohe und ca. 20 m lange aus Hohlblocksteinen und Stahlbewehrung bestehende Grenzmauer mit einem ca. 60 cm tiefen Betonfundament errichten lassen. Diese Einfriedung, die gemäß § 4 SächsNRG grundsätzlich zulässig war, hat der Nachbar entgegen der Verpflichtung gemäß § 27 SächsNRG nicht spätestens zwei Monate vor Durchführung dem klagenden Eigentümer in der gesetzlich vorgeschrieben Form angezeigt. Im Gegenteil: Auf Nachfrage des Eigentümers im Zusammenhang mit dem Erdaushub und Herstellung des Fundaments hat der Nachbar mitgeteilt, dass er nicht beabsichtigt, eine Mauer zu bauen, die jedoch kurze Zeit später als massive Grenzmauer entstanden ist

Die ca. drei Monate nach Fertigstellung der Grenzmauer vom Eigentümer gegen den Nachbarn erhobene Klage auf Beseitigung der entlang der Grundstücksgrenze entstandenen Grenzmauer ist vom Amts- und Landgericht Leipzig abgewiesen worden, da nach Auffassung der Gerichte ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht des § 27 SächsNRG kein Beseitigungsanspruch begründet und ein solcher sich auch nicht aus §§ 1004, 242 BGB ergibt.

In § 27 SächsNRG ist geregelt, dass die Ausübung des Rechts aus § 4 SächsNRG dem Eigentümer spätestens zwei Monate vor Durchführung der geplanten Maßnahme anzuzeigen ist, wobei nach § 27 Abs. 2 SächsNRG die Anzeige schriftlich erfolgen muss und detaillierte Angaben zu Art und Umfang der geplanten Rechtsausübung zu enthalten hat. Etwaige Einwendungen soll der (so informierte) Eigentümer dann gemäß § 27 Abs. 3 SächsNRG unverzüglich erheben und schriftlich geltend machen.

Die Anzeigepflicht nach § 27 S. 1 SächsNRG gilt nach der einschlägigen Kommentierung in Thomas/Schlüter (SächsNRG - 3. Aufl. 2019) sowohl für Einfriedungen an der Grenze, als auch für solche, die auf der Grenze stehen.  Es handelt sich insofern um eine verfassungsgemäße Inhalts- und Schrankenbestimmung gem. Art. 14 Abs. 1 GG. Dem Eigentümer soll damit die Möglichkeit eröffnet werden, etwaige Einwendungen bereits im Vorfeld geltend zu machen, um einen potentiellen Konflikt im Nachbarschaftsverhältnis zu entschärfen (vgl. a.a.O., § 4 Ziff. 7 und § 27 Ziff.1).

Die Ausführung des Einfriedungsrechts aus § 4 SächsNRG stellt nach der einschlägigen Kommentierung in Thomas/Schlüter, SächsNRG einen schwerwiegenden Eingriff dar, der dem belasteten Grundstückseigentümer spätestens zwei Monate vor der geplanten Durchführung anzuzeigen ist, selbst wenn die Einfriedung auf dem eigenen Grundstück vorgenommen werden soll und die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks eher unwahrscheinlich ist (vgl. a.a.O., § 27 Ziff. 3).

Obwohl die Anzeige gegenüber dem belasteten Grundstückseigentümer nach der einschlägigen Kommentierung in Thomas/Schlüter, SächsNRG die Voraussetzung für die Ausübung des Rechts ist, anderenfalls die Anzeigepflicht in § 27 SächsNRG - die i.ü. auch bezüglich der Ausübung anderer Rechte verpflichtend vorgesehen ist - sinnlos wäre und leerlaufen würde, kann nach den genannten Urteilen des Amts- und Landgericht Leipzig die diesbezügliche Mitteilungspflicht folgenlos ignoriert und verletzt werden.

Auch die Tatsache, dass der belastete Grundstückseigentümer auf seine mündliche Nachfrage nicht wahrheitsgemäß vom Nachbar über dessen Absichten informiert worden ist, und dadurch vermutlich mögliche Gegenmaßnahmen über vorläufigen Rechtsschutz unterblieben sind, führt nach Auffassung der genannten Gerichte nicht zu einem (nachträglichen) Beseitigungsanspruch, auch nicht nach §§ 1004, 242 BGB.

Man kann daher allen Grundstückseigentümern im Freistaat Sachsen, zumindest im Gerichtsbezirk Leipzig nur empfehlen, möglichst schnell Tatsachen zu schaffen und auch Nachfragen nicht ordnungsgemäß zu beantworten, da diesbezügliche Gesetzesverstöße von den genannten Gerichten sanktionslos goutiert werden.

Die genannten Entscheidungen sind nicht nur deshalb nicht nachvollziehbar, da mit ihnen die vom Gesetzgeber gerade zur Konfliktentschärfung vorgesehene Anzeigepflicht ausgehebelt wird, sondern auch das insoweit vom Gesetzgeber vorgesehene Procedere: Soweit sich der belastete Grundstückseigentümer der Einfriedung verweigert, soll der Nachbar nämlich sein Recht nicht im Wege der Selbsthilfe durchsetzen können, sondern muss eine Duldungsklage erheben und darf erst aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung tätig werden (vgl. a.a.O. § 27 Ziff. 1).

Lediglich in einem solchen Prozess (Duldungsklage) ist die ordnungsgemäße Anzeige und der zeitlich vorgesehene Ablauf des § 27 SächsNRG nicht die Bedingung des Duldungsanspruchs der in der Sache zur Durchsetzung des Einfriedungsrechts jedoch notwendigen Duldungsklage.



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