Netzwerkdurchsetzungsgesetz – Worum geht es eigentlich?

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Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll nach dem Willen der neuen Regierung der Bundesrepublik Deutschland erhalten bleiben. Man werde beobachten und ggf. Veränderungen vornehmen. Die Opposition – voran die FDP – präferiert ein anderes Modell: Nach den Vorschlägen der FDP, die auch in der Schweiz diskutiert werden, soll das ganze Prüfsystem der privaten Anbieter von sozialen Medien abgeschafft und durch das normale Klageverfahren vor den ordentlichen Gerichten ersetzt werden: Es genüge, wenn die Internetkonzerne sich durch die Benennung einer Person, der man im Inland Klagen zustellen könne, der Gerichtsbarkeit des Staates stellen.

Zwei Problemkreise werden vermischt – Klagemöglichkeit und Äußerungsrecht

Zum einen geht es um die Frage, ob ein effektiver Rechtsschutz möglich ist. Beispiel: Der Nutzer „Frech“ schreibt bei Facebook: „Der Bürgermeister von Wesel ist ein Esel und Schänder von Kindern!“

Zum einen gilt: Wenn der Nutzer „Frech“ klar identifiziert werden kann als z. B. Holger Frech, Detmolder Straße 1, 12345 Musterhausen, ist eine Klage wegen Unterlassung und Schadenersatz möglich.

Für Juristen ist das ganz einfach, weil diese Behauptung eindeutig falsche Tatsachenbehauptungen enthalten und zugleich als Beleidigung gelten. Zack: Das Urteil ist fertig.

Schwierig wird es, wenn Holger Frech sich irgendwo am Amazonas in Brasilien versteckt und ihm eine Klage nicht zugestellt werden kann oder Holger Frech ein falscher Name ist. Dann endet die Macht der deutschen Gerichte…

Beispiel mit Facebook als Kneipe

Jetzt ändern wir das Beispiel: Der Bürgermeister von Wesel ist in einer Kneipe und auf der Toilette schreibt ein Typ namens Frech an die Pinnwand: „Der Bürgermeister von Wesel ist ein Esel und Kinderschänder…“ Die Kneipe dient dem Meinungsaustausch und der Kneipenwirt hat extra für lustige Nachrichten aller Art eine Pinnwand aufgehängt. Jetzt ist der böse Frech weg und der Bürgermeister von Wesel verlangt von dem Kneipenbesitzer: Mach den Dreck weg…

Jetzt wird es für die Juristen schwierig, weil der Kneipenwirt ja selbst nichts getan hat, außer ein Pinnbrett in der Kneipe aufgehängt zu haben. Der Rechtsanwalt des Bürgermeisters hat also zwei Probleme, wenn die Kneipe auch noch einem amerikanischen Konzern gehört und es kein Gesetz zum Thema gibt.

Zustelladresse

Klagen, die über Rechtshilfeersuchen oder Ähnliches im Ausland erhoben werden, funktionieren kaum, produzieren extreme Kosten und sind überhaupt nicht effektiv. Also möchte natürlich der Bürgermeister den Kneipenwirt nicht in den USA verklagen, sondern in Deutschland vor Ort. Da kennt er den Richter bereits aus der Kneipe und es ist viel gemütlicher… Hier setzt die Idee des deutschen Zustellbevollmächtigen an. Dem kann man dann gemäß § 5 Netzwerkdurchsetzungsgesetz die Klage zuschicken lassen über das Gericht.

Äußerungsrecht

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz setzt auf Selbstverwaltung der Konzerne. Das Gesetz zwingt die Unternehmen, Lösch- und Prüfstrukturen zu schaffen für böse Menschen wie den Herrn Frech und entlastet so die Gerichte, denn die Dinge, die in der Kneipe selbst geregelt werden, wie Streit schlichten etc., müssen nicht teuer von dem Staat erledigt werden. Jetzt gibt es aber zum Thema Wahrheit, Äußerungsrecht, Ehre viel zu sagen und viel zu streiten.

Jeder hat Ideen aller Art

Schweizer Juristen wollen z. B. nur einen Zustellbevollmächtigen ernennen, Chinesen lassen Internetäußerungen nur zu, wenn diese die Zensur durchlaufen und die Identität genau geklärt ist. Juristen der Uni Passau schlagen einen eigenen Tatbestand im Strafgesetzbuch vor: Internetbeleidigung sozusagen. Auch Frankreich will einschreiten und eine europäische Lösung vorantreiben.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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