Neue Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu Zwangsgeldern in Bezug auf "Masernimpfpflicht"

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Am 15.01.2024 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf eine durch Rechtsanwalt Radermacher von der KANZLEI 441 eingelegte Beschwerde gegen die Verhängung von (wiederholtem) Zwangsgeld eine beachtenswerte Entscheidung (BayVGH, Beschluss vom 15.01.2024, Az.: 20 CS 23.1910, 20 CE 23.1935) getroffen, wonach insbesondere wiederholte Zwangsgelder bei schulpflichtigen Kindern bei Nichtvorlage eines nicht existenten "Masernimmunitätsnachweises" i.d.R. wohl unzulässig sein dürften. 

Insoweit führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 15.01.2024 aus, wie folgt:

"In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausdrücklich klargestellt, dass es sich beim Bestehen eines ausreichenden Impfschutzes oder einer anderweitig erworbenen Immunität gegen Masern „nicht um eine durch unmittelbaren Zwang durchsetzbare Pflicht“ handelt; vielmehr ergäben sich „die Konsequenzen eines nicht ausreichenden Impfschutzes beziehungsweise einer nicht ausreichenden Immunität (…) aus den Folgeabsätzen“, d.h. aus § 20 Abs. 9 ff. IfSG (BT-Drs. 19/13452 S. 27). (...) Ausnahmen und Freiheitsräume von dem Erfordernis einer Impfung oder Immunität, die nach Ausschöpfung der gesetzlich vorgesehenen Befugnisse verbleiben, sind danach hinzunehmen, zumal sie verfassungsrechtlich relevant – wenn nicht sogar geboten – sein dürften: Das Bundesverfassungsgericht hat das Gewicht des mit dem Erfordernis einer Impfung für bestimmte Personengruppen verbundenen Eingriffs in das Grundrecht der Betroffenen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG maßgeblich daran gemessen, ob jeweils auch ein Verzicht auf die Impfung – und sei es unter Inkaufnahme gravierender Nachteile – möglich bleibt (vgl. BVerfG, B.v. 21.7.2022 – 1 BvR 469/20 u.a. – juris Rn. 145; B.v. 27.4.2022 – 1 BvR 2649/21 – juris Rn. 209, 221). Vor diesem Hintergrund ist die im Gesetz angelegte (vgl. § 20 Abs. 12 Satz 8 IfSG; vgl. auch BT-Drs. 19/13452 S. 30: „eine durch Verwaltungsvollstreckungsrecht und insbesondere mit Zwangsgeld durchsetzbare Pflicht“) selbständige Vollstreckbarkeit einer behördlichen Anordnung der Vorlage eines Nachweises nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG aus systematischen, teleologischen und verfassungsrechtlichen Gründen zu begrenzen: (...) Ist dagegen der Erlass eines Betretungsverbots ausnahmsweise gesetzlich ausgeschlossen – wie bei schul- und unterbringungspflichtigen Personen (§ 20 Abs. 12 Satz 5 und Satz 6 IfSG) – kann der vom Gesetzgeber damit belassene Freiheitsraum für den Verzicht auf eine Impfung nicht im Einzelfall dadurch geschlossen werden, dass im Wege einer Zwangsvollstreckung der Nachweisevorlagepflicht aus § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG im Ergebnis mittelbar die Durchführung der Impfung – denn nur diese stellt (anders als das Bestehen einer anderweitigen Immunität oder einer medizinischen Kontraindikation) ein individuell beeinflussbares Verhalten dar – behördlicherseits durchgesetzt wird. Schul- und unterbringungspflichtige Personen, bei denen weder eine anderweitige Immunität gegen Masern noch eine medizinische Kontraindikation gegen die Impfung besteht, können sich der Durchführung einer Impfung nicht dadurch entziehen, dass sie auf das Betreten der jeweiligen Schul- oder Unterbringungsräume verzichten (vgl. auch Art. 118 Abs. 1 i.V.m. Art. 36 BayEUG). (...) Das Betreten der Schulräume steht jedenfalls von vornherein nicht zur Disposition schulpflichtiger Schülerinnen und Schüler. Insofern verbliebe ihnen – vorbehaltlich einer anderweitig erworbenen Immunität gegen Masern oder einer medizinischen Kontraindikation gegen die Impfung – bei einer zwangsweisen Durchsetzung der Pflicht zur Vorlage eines Nachweises i.S.d. § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG kein verfassungsrechtlich relevanter Freiheitsraum mehr, von der Durchführung einer Impfung abzusehen. Auf die Frage, wie oft und bis zu welcher Höhe Zwangsgelder angedroht werden können, kommt es dabei von vornherein nicht an." (Rn. 29)

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Diese beachtliche Entscheidung kann im Volltext hier heruntergeladen werden und freut sich darauf, öffentlich verbreitet und diskutiert zu werden.

Außerdem wurde diese bemerkenswerte Entscheidung zwischenzeitlich auch von der Bayerischen Staatskanzlei sowie von der Landesanwaltschaft Bayern samt Entscheidungsbesprechung veröffentlicht, vgl. auch unter: VGH Bayern, 15.01.2024 - 20 CS 23.1910 , 20 CE 23.1935 - dejure.org


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Foto(s): RA Radermacher, KANZLEI 441, Nürnberg, Deutschland

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