Veröffentlicht von:

VG Hamburg: Bahnbrechende Entscheidung in Bezug auf Coronaschutzverordnung Hamburg!

  • 3 Minuten Lesezeit

Wie die 13. Kammer des Verwaltungsgerichts Hamburg am 10.11.20 entschied, muss der Betrieb einer Fitnesskette mit insgesamt 8 Studios in Hamburg sanktionslos geduldet werden, soweit der Betreiber sein Hygiene- und Sicherheitskonzept einhält (VG Hamburg, Beschluss vom 10.11.2020, Az.: 13 E 4550/20). 

Andere Kammern des Verwaltungsgerichts hatten zuvor noch zugunsten der Antragsgegnerin (Stadt Hamburg) entschieden und entsprechende Eilanträge der Betreiber von Fitness-Studios auf Wiedereröffnung abgewiesen, so die Kammer 10 und die Kammer 17 (VG Hamburg, Beschluss vom 06.11.2020, Az.: 10 E 4538/20; Beschluss vom 06.11.2020, Az.: 17 E 4565/20). Auch der Eilantrag des Betreibers eine Tattoo- und Piercingstudios wurde abgelehnt (VG Hamburg, Beschluss vom 05.11.2020, Az.: 17 E 4568/20).

Die beklagte Hansestadt hat Beschwerde gegen die für die Antragstellerin erfolgreiche Entscheidung beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht (OVG) eingelegt. Das OVG verfügte daraufhin, dass die Studios (noch) bis zu einer Entscheidung in zweiter Instanz geschlossen bleiben müssen. 

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist deshalb als bahnbrechend anzusehen, als das Gericht seine Entscheidung auf das Fehlen einer Ermächtigungsgrundlage für die schwerwiegenden Grundrechtseingriffe der Schließung stützte. Im Klartext bedeutet dies, dass bei einer Bestätigung durch das OVG nicht nur Betreiber von Fitness-Studios, sondern auch alle sonstigen Betreiber von "Freizeiteinrichtungen", also auch Betreiber von Bordellen, Prostitutionsstätten usw. erfolgreich Anträge beim VG Hamburg einreichen könnten. Denn wenn die ab dem 02.11.20 geltenden Corona-Maßnahmen ohne ausreichende Ermächtigungsgrundlage getroffen worden sein sollten, wären sie wohl allesamt hinfällig. 

Dem VG Hamburg zufolge ermächtige § 32 S. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) die Landesregierungen zwar, die nach §§ 28 bis 31 IfSG möglichen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten durch Rechtsverordnung zu erlassen. Allerdings fehle, so das VG Hamburg, in den §§ 28 bis 31 IfSG eine hinreichend konkrete Regelung, die es erlauben würde, unternehmerische Tätigkeiten von Nichtstörern zu verbieten.

Die Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG als Ermächtigungsgrundlage genüge aufgrund der Schwere des Grundrechtseingriffs nicht mehr dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts, wonach Entscheidungen von besonderem Gewicht die Zustimmung des Parlaments brauchen. Dieser Mangel wurde als so evident angesehen, dass er auch im Hauptsacherverfahren nicht anders zu bewerten sei. 

Der Gesetzgeber hat aus Sicht des Gerichts nicht alle wesentlichen Entscheidungen in Bezug auf das inzwischen vorhersehbare Infektionsgeschehen in den §§ 28 ff. IfSG selbst getroffen; die Vielzahl der möglichen Maßnahmen und der betroffenen Grundrechte mache aber eine gesetzgeberische Entscheidung erforderlich. 

Die wesentlichen Eingriffsmodalitäten könnten nur vom Gesetzgeber geregelt werden, der seit Beginn der Pandemie auch bereits Änderungen am IfSG vorgenommen habe, woraus sich seine prinzipielle Handlungsfähigkeit ergebe. Die Übergangszeit, in der aus den Gründen des Gemeinwohls ein Rückgriff der Verwaltung auf Generalklauseln möglich ist, sei inzwischen vorbei. Eine "zweite Welle" der Pandemie sei bereits im Sommer vorhersehbar gewesen. Anders als im März sei der Gesetzgeber vom Anstieg der Coronainfektionen nach dem Sommer nicht überrascht worden. 

Auch die in Aussicht gestellten Entschädigungen würden nichts daran ändern, dass es bei Betreibern zu vorübergehenden Liquiditätsengpässen und längerfristigen Zahlungsschwierigkeiten kommen könne. Die Entschädigung sei bisher noch nicht gesetzlich geregelt, vielmehr gäbe es bisher nur politische Absichtserklärungen.  

Mit Spannung wird nun die Entscheidung des OVG Hamburg erwartet. Sollte die Entscheidung des VG Hamburg bestätigt werden, muss sich das Hamburger Verwaltungsgericht auf eine gewaltige Klagewelle einstellen. Denn die Entscheidung des VG hat keine Allgemeingültigkeit, sondern gilt nur inter partes, also zwischen Antragstellerin und der Stadt. Es müssten demnach alle an einer Wiedereröffnung interessierten Fitness-Studios (und darüber hinaus alle sonstigen Betreiber von Freizeiteinrichtungen) selbst Anträge stellen bzw. Klagen einreichen. 

Wie am 12.11.20 bekannt wurde, hatte auch in Bayern der Betreiber eines Fitness-Studios zumindest teilweise Erfolg mit seinem Einantrag beim dort zuständigen Gericht. 



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Jochen Jüngst LL.M.

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten