Ohne Letzten Willen? Die gesetzliche Erbfolge bei fehlendem Testament

  • 5 Minuten Lesezeit

Was passiert mit dem Nachlass, wenn jemand ohne Testament verstirbt? 

Hier greift die gesetzliche Erbfolge ein, ein entscheidendes Element des Erbrechts, das die Verteilung des Vermögens regelt. 

Diese Regelungen mögen komplex erscheinen, sind aber essenziell für eine gerechte Aufteilung des Erbes. 

In unserem heutigen Blogbeitrag beleuchten wir, wie die gesetzliche Erbfolge funktioniert und was dies für potenzielle Erben bedeutet. 

Haben Sie Fragen zu diesem Thema oder benötigen rechtliche Beratung? 

Die Kanzlei Herfurtner steht Ihnen mit Rat und Tat zur Seite und hilft Ihnen, sich im Bereich der Erbschaftsangelegenheiten zurechtzufinden.

Grundlagen der gesetzlichen Erbfolge

  1. Gesetzliche Definition und Rechtsgrundlagen

    Die gesetzliche Erbfolge ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt und kommt zum Tragen, wenn der Verstorbene kein Testament oder einen Erbvertrag hinterlassen hat.Diese Rechtsnormen definieren, wer erbberechtigt ist und wie das Erbe verteilt wird. Diese Vorgaben sind entscheidend, um in Fällen ohne testamentarische Verfügung für eine geregelte und gesetzlich festgelegte Erbfolge zu sorgen.
  2. Erbfolgeprinzipien: Parentelsystem und Ordnungen

    Das Herzstück der gesetzlichen Erbfolge ist das Parentelsystem, das auf der Verwandtschaft zum Verstorbenen basiert. Dieses System unterteilt die Erbberechtigten in verschiedene "Ordnungen" oder Gruppen, die festlegen, wer in welcher Reihenfolge erbt. Die erste Ordnung umfasst die direkten Nachkommen des Verstorbenen, also Kinder und Enkelkinder. Folgen keine direkten Nachkommen, kommen die nächsten Ordnungen zum Zuge, wie die Eltern und deren Nachkommen und so weiter. Dieses System stellt sicher, dass das Erbe innerhalb der Familie bleibt und nach einem klaren und gerechten Schema verteilt wird.

Erbfolge nach Verwandtschaftsgrad

I. Erste Ordnung: Kinder und deren Nachkommen

Die erste Ordnung in der gesetzlichen Erbfolge bilden die Kinder des Verstorbenen sowie deren Nachkommen, also Enkel und Urenkel. 

Wenn der Erblasser Kinder hat, erben diese zu gleichen Teilen. Sollte ein Kind des Erblassers bereits verstorben sein, tritt dessen eigener Nachwuchs (also die Enkel des Erblassers) an dessen Stelle und erbt dessen Anteil.

II. Zweite Ordnung: Eltern und deren Nachkommen

Sind keine Erben der ersten Ordnung vorhanden, also keine Kinder, Enkel oder Urenkel, tritt die zweite Ordnung in Kraft. 

Hier erben die Eltern des Verstorbenen und deren Nachkommen, also die Geschwister des Erblassers. 

Falls die Eltern bereits verstorben sind, erben deren Nachkommen, also die Geschwister des Erblassers und deren Kinder.

III. Weitere Ordnungen: Großeltern, Urgroßeltern und deren Nachkommen

Existieren keine Erben der ersten und zweiten Ordnung, kommen die weiteren Ordnungen zum Zuge. 

In der dritten Ordnung erben die Großeltern des Verstorbenen und deren Nachkommen, und in der vierten Ordnung die Urgroßeltern und deren Nachkommen. 

Mit jeder weiteren Ordnung weitet sich der Kreis der potenziellen Erben aus, wobei immer das Prinzip gilt: Je weiter entfernt die Verwandtschaft, desto später kommt sie in der Erbfolge zum Zuge.

Diese gestaffelte Struktur stellt sicher, dass das Erbe innerhalb der Familie nach einem festgelegten Muster verteilt wird und gibt einen klaren Rahmen vor, nach dem im Falle einer Erbschaft ohne Testament verfahren wird.

Der Ehegatten- und Lebenspartner-Erbanteil

Bei der gesetzlichen Erbfolge nimmt der überlebende Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner des Verstorbenen eine besondere Stellung ein. Deren Erbanteil variiert je nachdem, welche Verwandten des Verstorbenen noch leben und erbberechtigt sind. Hier sind die Kernpunkte:

Erbansprüche des überlebenden Ehegatten/Lebenspartners

  • Der überlebende Partner erhält einen Teil des Nachlasses, dessen Größe abhängig ist von der Existenz und der Ordnung anderer erbberechtigter Verwandter.
  • Bei Vorhandensein von Kindern des Verstorbenen erbt der überlebende Partner in der Regel die Hälfte des Nachlasses.
  • Sind keine Kinder vorhanden, sondern nur Verwandte der zweiten Ordnung oder Großeltern, erhöht sich der Erbanteil des überlebenden Partners entsprechend.

Interaktion mit den Verwandten des Erblassers

  • Die Erbansprüche des überlebenden Partners stehen in Wechselwirkung mit denen der Verwandten des Verstorbenen.
  • Diese Regelung berücksichtigt die enge Beziehung und die wirtschaftliche Gemeinschaft zwischen dem überlebenden Partner und dem Verstorbenen.
  • Der Erbanteil des Partners wird so gestaltet, dass sowohl die finanzielle Absicherung des Partners als auch die Rechte der übrigen Erbberechtigten berücksichtigt werden.

Besonderheiten und Ausnahmen in der gesetzlichen Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge ist zwar grundsätzlich einheitlich geregelt, aber es gibt bestimmte Besonderheiten und Ausnahmen, die in einigen Fällen relevant werden können. 

Hier sind die wichtigsten Punkte:

  • Nichteheliche Kinder und Adoptivkinder:

    • Nichteheliche Kinder werden bei der Erbfolge genauso behandelt wie eheliche Kinder. Sie haben demnach dieselben Erbansprüche.
    • Adoptivkinder sind in der Erbfolge den leiblichen Kindern gleichgestellt. Dies bedeutet, dass sie genauso erbberechtigt sind wie biologische Kinder des Erblassers.

  • Erbunwürdigkeit und Ausschlagung der Erbschaft:

    • Unter bestimmten Umständen können Erben als "erbunwürdig" erklärt werden, etwa bei schweren Verfehlungen gegen den Erblasser. Erbunwürdigkeit führt dazu, dass der Betreffende von der Erbschaft ausgeschlossen wird.
    • Erben haben das Recht, eine Erbschaft auszuschlagen, zum Beispiel wenn sie nicht für Schulden des Erblassers aufkommen wollen. Die Ausschlagung muss innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen und formal bei einem Notar oder einem Nachlassgericht erklärt werden.

Pflichtteil und Pflichtteilsberechtigte 📜

Der Pflichtteil im Erbrecht sorgt dafür, dass nahe Angehörige des Verstorbenen auch bei einem anders lautenden Testament nicht leer ausgehen. 

Hier sind die Details:

  • 🧮 Definition und Berechnung des Pflichtteils

    • Der Pflichtteil ist ein Mindestanteil des Nachlasses, der bestimmten Angehörigen auch bei testamentarischer Enterbung zusteht.
    • Dieser Teil beläuft sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs und wird basierend auf dem Gesamtwert des Nachlasses berechnet.

  • 👨‍👩‍👧‍👦 Ansprüche pflichtteilsberechtigter Personen

    • Zu den Pflichtteilsberechtigten gehören meist die Kinder, der überlebende Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner, und in manchen Fällen die Eltern des Verstorbenen.
    • Diese Personen können den Pflichtteil einfordern, selbst wenn sie durch ein Testament vom Erbe ausgeschlossen sind.
    • Der Anspruch auf den Pflichtteil muss gegenüber den Erben aktiv geltend gemacht werden.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Das Verstehen der gesetzlichen Erbfolge unterstreicht die Bedeutung einer wohlüberlegten Testamentserstellung. 

Ein Testament bietet die Möglichkeit, den eigenen letzten Willen festzuhalten und so Konflikte und Unklarheiten nach dem eigenen Ableben zu vermeiden. 

Insbesondere für Personen, die von der gesetzlichen Erbfolge abweichen möchten, ist ein Testament unerlässlich.

Für potenzielle Erben ohne Testament ist es wichtig, sich über die Grundzüge der gesetzlichen Erbfolge zu informieren. 

Dies hilft, die eigene Position und mögliche Ansprüche zu verstehen und sich entsprechend darauf vorzubereiten. 

Dabei sollten auch Aspekte wie Pflichtteile und Erbansprüche von Ehegatten oder Lebenspartnern berücksichtigt werden.

Abschließend lässt sich sagen, dass die gesetzliche Erbfolge ein faires und geregeltes System bietet, das jedoch individuelle Wünsche und familiäre Besonderheiten nicht immer abbilden kann. 

Daher ist die Erstellung eines Testaments für viele Menschen ein wichtiger Schritt, um den eigenen Nachlass gemäß den persönlichen Vorstellungen zu regeln.

Für weiterführende Informationen und individuelle Beratung stehen wir Ihnen zur Verfügung. 

Zögern Sie nicht, unsere Kanzlei zu kontaktieren, um Ihre Fragen und Anliegen im Bereich des Erbrechts zu klären.

Foto(s): https://kanzlei-herfurtner.de/

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