OLG Schleswig: Mietsicherheit schützt nicht Baufinanzierung – wichtiges Urteil im Gewerbemietrecht
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Die Absicherung von Mietverhältnissen durch Mietsicherheiten ist ein zentrales Thema im Gewerbemietrecht. Doch wie weit reicht der Zweck einer solchen Sicherheit?
Mit seinem Urteil vom 27. November 2024 (Az.: 12 U 34/23) hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig eine entscheidende Klarstellung getroffen: Eine Mietsicherheit dient nicht automatisch der Finanzierung des Bauprojekts des Vermieters, es sei denn, dies wurde ausdrücklich vertraglich vereinbart.
Diese Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen für Gewerbemieter und Vermieter. Für Mieter bedeutet sie einen besseren Schutz vor unklaren Forderungen und unzulässiger Zweckentfremdung von Sicherheiten.
Vermieter hingegen müssen künftig sicherstellen, dass ihre Verträge eindeutig formuliert sind, wenn sie Mietsicherheiten zur Refinanzierung nutzen wollen.
Im weiteren Verlauf wird das Urteil detailliert analysiert, seine rechtlichen Grundlagen erläutert und die Konsequenzen für die Praxis aufgezeigt.
Streitpunkt: Nutzung der Mietsicherheit zur Baufinanzierung
In dem vorliegenden Fall ging es um ein Gewerbemietverhältnis, bei dem die Vermieterin von der Mieterin eine Bürgschaft als Mietsicherheit verlangte.
Während solche Sicherheiten üblicherweise dazu dienen, etwaige Forderungen aus dem Mietverhältnis abzusichern, verfolgte die Vermieterin einen anderen Zweck: Sie wollte die Bürgschaft zur Refinanzierung ihres Bauprojekts nutzen.
Die Mieterin hatte zunächst eine selbstschuldnerische Bürgschaft übergeben, anstatt der geforderten Bürgschaft auf erstes Anfordern. Aufgrund dieser vermeintlich verspäteten oder fehlerhaften Bereitstellung machte die Vermieterin Schadensersatzansprüche geltend.
Forderungen der Vermieterin gegenüber der Mieterin
Die Vermieterin forderte von der Mieterin Schadensersatz in Höhe von knapp 2 Millionen Euro. Diese Summe setzte sich aus verschiedenen Kosten zusammen:
- Bereitstellungszinsen für Darlehen, die die Vermieterin aufgrund der angeblich verzögerten Bürgschaft zahlen musste
- Bürgschaftskosten für die Finanzierung
- Darlehenszinsen als Folge der verspäteten Sicherheitsleistung
Die Vermieterin argumentierte, dass sie aufgrund der nicht rechtzeitig gestellten Bürgschaft finanzielle Nachteile erlitten habe und diese von der Mieterin auszugleichen seien.
Gerichtliche Auseinandersetzung und zentrale Fragestellungen
Die Kernfrage des Falls lautete: War die Mieterin tatsächlich verpflichtet, der Vermieterin Schadensersatz für deren Finanzierungsaufwendungen zu leisten?
Das OLG Schleswig musste prüfen, ob:
- die Mietsicherheit für eine Baufinanzierung zweckentfremdet wurde,
- die Mieterin tatsächlich in Verzug war,
- und ob ein Schadensersatzanspruch aus dem Mietvertrag abgeleitet werden konnte.
Entscheidung des OLG Schleswig (27.11.2024 – 12 U 34/23)
Das OLG Schleswig entschied zugunsten der Mieterin und stellte fest, dass sie keine Schadensersatzpflicht für die von der Vermieterin geltend gemachten Finanzierungskosten trägt.
Urteilsspruch: Keine Schadensersatzpflicht der Mieterin
Zwar habe die Mieterin eine Bürgschaft auf erstes Anfordern schuldhaft nicht sofort bereitgestellt, jedoch begründete dies keinen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Finanzierungskosten.
Wesentliche Argumentation des Gerichts
- Keine Zweckentfremdung der Mietsicherheit: Die Bürgschaft diente ausschließlich zur Absicherung mietrechtlicher Ansprüche, nicht zur Refinanzierung der Immobilie.
- Fehlende Kausalität zwischen Verzögerung und Schaden: Die von der Vermieterin geltend gemachten Zins- und Finanzierungskosten entstanden durch ihre eigene Finanzierungsstruktur, nicht durch eine direkte Pflichtverletzung der Mieterin.
- Fälligkeit der Bürgschaft: Die Verpflichtung zur Bürgschaft bestand erst mit vertragsgerechter Übergabe des Mietobjekts – die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass diese bereits vor dem kritischen Zeitpunkt erfolgte.
Rechtliche Grundlagen und Urteilsbegründung
Das Gericht stellte klar, dass eine Mietsicherheit ausschließlich zur Absicherung von Ansprüchen aus dem Mietverhältnis dient.
Keine Zweckentfremdung der Mietsicherheit: Bedeutung der vertraglichen Vereinbarung
Eine zweckfremde Nutzung, etwa zur Baufinanzierung des Vermieters, bedarf einer expliziten vertraglichen Vereinbarung.
Da eine solche Vereinbarung im vorliegenden Fall fehlte, konnte die Vermieterin keine Schadensersatzansprüche wegen angeblicher Finanzierungsschäden geltend machen.
Verzugsschaden und Schutzzweck: Warum die Finanzierungsprobleme des Vermieters nicht auf die Mieterin übertragbar sind
Ein Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass der geltend gemachte Schaden vom Schutzzweck der vertraglichen Regelung erfasst ist.
Das OLG stellte klar, dass Verzögerungen bei der Bürgschaftsstellung nur dann zu Schadensersatzansprüchen führen können, wenn sie tatsächlich einen Vermögensschaden des Mietverhältnisses betreffen. Finanzierungsprobleme des Vermieters fallen nicht unter dieses vertragliche Risiko.
Fälligkeit der Bürgschaft: Zeitpunkt der Verpflichtung zur Übergabe
Ein weiterer entscheidender Punkt war die Frage, wann die Verpflichtung zur Bürgschaftsübergabe bestand. Nach Ansicht des Gerichts wurde die Bürgschaft erst mit der vertragsgerechten Übergabe des Mietobjekts fällig.
Da die Vermieterin nicht nachweisen konnte, dass dies bereits vor der entscheidenden Frist geschehen war, konnte der Mieterin kein Verzugsverschulden angelastet werden.
Auswirkungen auf die Praxis
Für Vermieter: Präzisere Vertragsgestaltung notwendig
Vermieter, die eine Mietsicherheit zur Refinanzierung eines Bauprojekts nutzen möchten, müssen dies explizit im Mietvertrag festhalten. Andernfalls kann die Mietsicherheit nicht zur Absicherung von Finanzierungsrisiken herangezogen werden.
Für Mieter: Schutz vor unklaren oder übermäßigen Forderungen
Das Urteil schützt Mieter vor unangemessenen Forderungen, die über den eigentlichen Zweck einer Mietsicherheit hinausgehen. Sie müssen keine Bau- oder Finanzierungskosten des Vermieters übernehmen, sofern dies nicht ausdrücklich vereinbart wurde.
Für Investoren und Immobilienwirtschaft: Bedeutung für zukünftige Mietverträge
Dieses Urteil setzt ein klares Signal für die Immobilienbranche: Die Nutzung von Mietsicherheiten muss vertraglich eindeutig definiert werden. Gewerbemietverträge sollten entsprechend präzisiert werden, um Missverständnisse oder Streitigkeiten zu vermeiden.
Kernaussagen des Urteils und deren Bedeutung
Das Urteil des OLG Schleswig (Az.: 12 U 34/23) bringt eine wichtige Klarstellung für das Gewerbemietrecht: Eine Mietsicherheit dient ausschließlich der Absicherung von Forderungen aus dem Mietverhältnis und kann nicht ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung zur Finanzierung eines Bauprojekts des Vermieters verwendet werden.
Zudem unterstreicht die Entscheidung, dass Schadensersatzansprüche nur dann begründet sind, wenn der geltend gemachte Schaden in den Schutzbereich der vertraglichen Vereinbarung fällt.
Für Mieter bedeutet dies einen stärkeren Schutz vor unzulässigen Forderungen, während Vermieter zukünftig präzisere Vertragsformulierungen vornehmen müssen, um ihre Interessen rechtssicher durchzusetzen.
Notwendigkeit klarer Regelungen in Gewerbemietverträgen
Die Entscheidung zeigt, dass unklare oder einseitige Vertragsklauseln zu erheblichen rechtlichen Unsicherheiten führen können.
Vermieter sollten daher genau definieren, welchen Zweck eine Mietsicherheit erfüllt und welche Verpflichtungen für die Parteien daraus entstehen.
Gleichzeitig sollten Mieter vor Vertragsabschluss prüfen, ob die verlangte Sicherheit den üblichen Rahmen überschreitet oder möglicherweise für andere Zwecke als die Absicherung von Mietforderungen genutzt werden soll.
Empfehlungen für eine rechtssichere Vertragsgestaltung
- Eindeutige Vertragsklauseln: Gewerbemietverträge sollten klar festlegen, für welche Zwecke eine Mietsicherheit verwendet werden darf.
- Transparente Kommunikation: Mieter sollten frühzeitig nachfragen, wenn unklare oder ungewöhnliche Sicherheiten gefordert werden.
- Juristische Prüfung: Sowohl Mieter als auch Vermieter sollten ihre Verträge von Anwälten prüfen lassen, um Streitigkeiten zu vermeiden.
- Dokumentation der Bürgschaftsübergabe: Der Zeitpunkt der Übergabe der Sicherheit sollte eindeutig festgehalten werden, um Verzugsansprüche zu vermeiden.
Das Urteil stärkt die Rechtssicherheit im Gewerbemietrecht und unterstreicht, dass vertragliche Regelungen sorgfältig getroffen werden müssen, um spätere Konflikte zu vermeiden.
Eine präzise Vertragsgestaltung und eine offene Kommunikation zwischen den Parteien sind der Schlüssel zu einem sicheren und transparenten Mietverhältnis.

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