Online-Sportwetten: Tipico muss Spieler rund 375.000 Euro zurückzahlen

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Das OLG Stuttgart gibt mit seinem aktuellen Urteil vom 24. Mai 2014 (Az. 5 U 26/23einem Spieler eine zweite Chance. Denn der Mandant der HFS Rechtsanwälte soll genau 375.431 Euro plus Zinsen von rund 60.000 Euro zurückbekommen. Der Spielsüchtige hatte sein komplettes Erbe verspieltDa das Angebot von Tipico aber in seinem Spielzeitraum illegal gewesen war, waren die Geschäfte mit dem Anbieter nichtig. Das bedeutet, das Angebot, mit dem er sein Vermögen verzockte, hätte es gar nicht geben dürfen. Auch weiteren Spielern wird Tipico Verluste in Millionenhöhe zurückzahlen müssen. 


Dass er gespielt hatte, weiß bis heute niemand aus seinem privaten Umfeld. Heimlich hatte er die komplette Hinterlassenschaft seiner Eltern und noch etwas mehr bei Online-Sportwetten von Tipico verwettet. Den Sog in die Sucht machte er sechs Jahre lang zwischen 2014 und 2020 mit sich alleine aus. Mit ihm geschah, was mit so vielen Spielern geschieht: Hatte er Geld verloren, war er sicher, es irgendwann wieder zurückzugewinnen. Hatte er gewonnen, war er im Rausch und wollte noch mehr gewinnen. So wurde das Wetten schließlich zu seinem Lebensinhalt. Alles drehte sich nur noch darum, mit seinem Sportwissen über Fußball, Basketball und Tennis die Quote zu schlagen. „Man hat ja bei der ersten Wette denselben Rausch wie bei der hundertsten“, sagt er. Ich denke, dieser Kick macht Sportwetten so gefährlich und sie können von Beginn an zur Sucht werden.“ Das Problem dabei: Sportwetten-Anbieter Tipico befeuerte mit fehlendem Spielerschutz seine Manie. Heute verbotene Wettformen, ein fehlendes Einzahlungslimit und das ständige Angebot von Boni ließen den Mann immer weiter machen, bis er komplett ruiniert war. Dabei hätte es das Angebot im deutschen Internet gar nicht geben dürfen.


Online-Sportwetten waren in Deutschland bis zum Jahr 2020 illegal


Zu der Zeit, als der Spieler zockte, war Online-Glücksspiel in Deutschland verboten. Bei Online-Sportwetten gab es die Ausnahme, dass sie mit einer gültigen Konzession ab dem Jahr 2012 erlaubt waren. Der Haken an der Sache: Eine solche Lizenz konnte niemand in Deutschland erwerben, weil das Zulassungsverfahren durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs scheiterte. Die deutschen Behörden brauchten anschließend acht Jahre, um ein funktionierendes Verfahren an den Start zu bringen. Daran störten sich aber Anbieter wie Tipico, bet-at-home, bwin, bet365 oder Betano und zahlreiche weitere nicht. Sie gingen einfach ohne gültige Lizenz auf den Markt. Das Tor zu dieser Sache öffnete das Land Schleswig-Holstein, das kurze Zeit eigene Lizenzen für Online-Glücksspiele vergab. Diese galten aber nur für Menschen mit Wohnsitz in Schleswig-Holstein. Viele dürften sich noch an den kleinen Zusatz bei der TV-Werbung erinnern, der darauf hinwies.


Anbieter von Online-Sportwetten: Im Schatten von Behörden und der Politik Milliarden umgesetzt


„Da die Behörden die Anbieter aber kaum kontrollierten, entstand ein gigantischer, milliardenschwerer Schwarzmarkt im Internet, über den die Anbieter unreguliert ihr Geschäft vor allem mit Spielsüchtigen machen konnten“, sagt Thomas Schopf, Gründer der HFS Rechtsanwälte. „Der Fall unseres Mandanten aus dem aktuellen Fall ist kein Einzelfall. „Vor allem wenn es um hohe Summen geht, haben Spieler häufig geerbt und alles verzockt“, so Schopf. Darüber, dass sie einem perfiden System aufgesessen sind, dass ihnen gekonnt den letzten Cent aus der Tasche lockte, wurde in Deutschland lange Zeit in der Öffentlichkeit geschwiegen. Viele Anbieter waren mehr als zehn Jahre nahezu unkontrolliert auf dem deutschen Markt unterwegs. In der Politik lag der Fokus offensichtlich auf anderen Themen und in diesem Schatten konnten die Anbieter Milliarden umsetzen – die die Spieler nun zurückfordern können. „Ich finde es einfach schade, dass die zuständigen Behörden das Treiben der Anbieter nicht früher in ordentliche Bahnen gelenkt haben, um ihren Beitrag zu leisten, dass so etwas mir – und vermutlich Tausenden anderen – erst gar nicht passieren kann“, sagt der Spieler. Dazu kommt: „Als Fußball-Fan war man zwangsweise der Sportwetten-Werbung ausgesetzt“, sagt er. Von Ikonen wie Oliver Kahn, die von den Werbebannern strahlten, fühlte er sich sehr angesprochen. Nie im Leben wäre er darauf gekommen, dass diese Werbung in Deutschland illegal war, denn dass die Online-Angebote eigentlich verboten waren, wusste er nicht. „Ich glaube 99,9 Prozent der Bevölkerung wussten nichts davon“, so der 34-Jährige. „Ich denke, selbst Juristen wussten das vor wenigen Jahren auch nicht. Sonst hätten sie sich doch früher auf die Thematik spezialisiert.“ Recht hat er. Den HFS Rechtsanwälten ist es selbst erst vor vier Jahren aufgefallen, dass da was nicht mit rechten Dingen zugeht. Sie gehören zu den ersten Kanzleien, die sich in Deutschland überhaupt mit dem Thema befasst haben. „Wir haben inzwischen sehr viel Erfahrung gesammelt und wissen, wie wir das Maximum für unsere Mandanten herausholen können“, sagt Schopf.


Gegen Online-Glücksspielverbot im Spielzeitraum verstoßen


In diesem Fall war bereits am 9. Februar ein Versäumnisurteil ergangen. Gegen dieses hat Tipico Einspruch eingelegt. Mit dem aktuellen Urteil bestätigte das Landgericht Stuttgart aber seine vorherige Entscheidung. 

Mehr dazu lesen Sie hier.


Im aktuellen Urteil sagt das OLG Stuttgart dazu: 


Das Sportwettenangebot der Beklagten war daher – unabhängig von der Ausgestaltung des Konzessionsverfahrens – aus Gründen des materiellen Glücksspielrechts nicht ohne Weiteres erlaubnisfähig und hätte selbst bei unterstellter Konzessionserteilung einem Einschreiten der Aufsichtsbehörde bis hin zu einem Widerruf der Konzession unterlegen.“


Der Hintergrund: Selbst wenn Tipico im Zeitraum eine Lizenz gehabt hätte, wäre das Angebot nicht legal gewesen, da der Anbieter gegen wichtige Regeln verstoßen hat. Am deutlichsten wird dies am 1000 Euro-Limit, das der Anbieter nicht eingehalten hat. Laut Glücksspielstaatsvertrag (2012) durfte der Höchsteinsatz pro Monat diese Summe nicht überschreiten. Die Regelung dient dem Spielerschutz. Das Gericht erwähnt dabei deutlich, dass diese Summe in nahezu jedem einzelnen Monat während der sechs Jahre, in denen der Spieler wettete, überschritten wurde.


BGH: Erster Beschluss zum Thema „Spieverluste aus Online-Sportwetten zurückholen“


In seiner Begründung verweist das OLG Stuttgart außerdem auf den Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs zum Thema vom 22. März 2024. Auch dieser Beschluss betrifft einen Mandanten der HFS Rechtsanwälte. Dabei geht es um eine Rückzahlung des aktuellen Fußball-EM-Sponsors Betano, der auch jahrelang illegal Online-Sportwetten im deutschen Internet angeboten hat. Der BGH stellt sich dabei auf die Seite des Spielers. Mehr zu diesem Beschluss lesen Sie hier


Auch der aktuelle Fall könnte noch vor dem BGH landen, denn das OLG Stuttgart hat die Revision zugelassen – allerdings nicht bezogen auf den Rückzahlungsanspruch, sondern nur bezogen auf eine Nebenforderung. Für das OLG Stuttgart ist es also klar, dass der Anspruch des Klägers auf die Rückzahlung seiner kompletten Spielverluste hat. Dieses Signal ist wichtig, denn diese Entscheidung des Oberlandesgerichts hat auch einen Einfluss auf die Entscheidung der Instanzen darunter und kann die Sache in weiteren Fällen nun wesentlich beschleunigen. 


Der Spieler aus dem Kreis Heilbronn ist nun auf dem besten Weg zu seiner zweiten Chance. Sie haben auch Geld verspielt und möchten es zurückfordern? Rechtsanwalt Thomas Schopf hilft Ihnen gerne! 


Bitte kontaktieren bei anwalt.de oder unter: schopf@hfs-rechtsanwaelte.de



Foto(s): Sandra Dambacher-Schopf

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