Ordnungsmaßnahmen im bayerischen Schulrecht (Art. 86 BayEUG)

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Im bayerischen Schulrecht stellen die Ordnungsmaßnahmen die schwerwiegenderen Sanktionen bei Fehlverhalten von Schülerinnen und Schülern dar. Sie sollen nur verhängt werden, wenn Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichen. Im Gegensatz zu den Erziehungsmaßnahmen sind die Ordnungsmaßnahmen in Art. 86 Abs. 2 BayEUG einzeln aufgezählt. In anderen Bundesländern sind die Regelungen häufig ähnlich, aber nicht notwendigerweise identisch.

Wenn Sie selbst, Ihre Tochter oder Ihr Sohn von einer Ordnungsmaßnahme betroffen ist oder eine solche Ordnungmaßnahme gerade droht, können Sie sich hier einen Überblick über die verscheidenen Maßnahmen verschaffen und sich informieren, mit welchen weiteren Konsequenzen diese Maßnahmen verbunden sein können.

schriftlicher Verweis (Art. 86 Abs. 2 Nr. 1 BayEUG - kein Verwaltungsakt)

Der Verweis stellt die mildeste Ordnungsmaßnahme dar. Es handelt sich dabei um die einfache, allerdings förmliche Missbilligung eines falschen Verhaltens. Daneben hat der Verweis keine weitere rechtliche Wirkung.

Aus diesem Grund kann der Verweis auch nicht unmittelbar im Wege des Widerspruchs angefochten werden. Möglich ist lediglich eine Feststellungsklage dahingehend, dass der Verweis rechtswidrig verhängt wurde. Ob dies im Einzelfall sinnvoll ist, muss vorher kritisch abgewogen werden.

Der einfache Verweis ist die einzige Ordnungsmaßnahme, die unmittelbar durch die Lehrkraft verhängt werden kann.

verschärfter Verweis (Art. 86 Abs. 2 Nr. 2 BayEUG - kein Verwaltungsakt)

Der verschärfte Verweis ist - wie schon der Name sagt - gegenüber dem einfachen Verweis die schwerwiegendere Sanktion. Er wird auch nicht durch die Lehrkraft, sondern nur durch die Schulleitung ausgesprochen, daher wird er auch Direkroratsverweis genannt.

Auch der verschärfte Verweis hat keine weiteren Konsequenzen. Auch hier ist keine Anfechtung mangels Verwaltungsakt möglich. Häufig soll ein verschärfter Verweis jedoch die letzte Warnung vor schwerwiegenderen Maßnahmen darstellen. Er sollte daher nicht allzu leicht genommen werden.

Versetzung in eine Parallelklasse (Art. 86 Abs. 2 Nr. 3 BayEUG - Verwaltungsakt)

Die Versetzung in eine andere Klasse der gleichen Schule ist eine äußerst seltene Maßnahme. In der Regel kommt sie nur in Betracht, wenn es Konflikte innerhalb der Klasse gibt, die man so beheben will. Als Strafe für individuelles Fehlverhalten ergibt diese Ordnungsmaßnahme ansonsten wenig Sinn. Ab dieser Maßnahme geht man bereits von einer sogenannten Außenwirkung (im Gegensatz zur rein internen Rüge) aus und es liegt ein anfechtbarer Verwaltungsakt vor.

Ausschluss aus einem Fach (Art. 86 Abs. 2 Nr. 4 BayEUG - Verwaltungsakt)

Wird der Unterricht in einem bestimmten Fach erheblich oder fortlaufend gestört, kann die Schülerin oder der Schüler aus der Teilnahme an diesem einen Fach ausgeschlossen werden. Dieser Ausschluss kann bis zu vier Wochen dauern.

In der Praxis ist es sehr selten, dass ein Ausschluss nur auf ein einzelnes Fach erstreckt wird. Häufiger kommt der (sogleich erörterte) Ausschluss vom gesamten Unterricht vor.

Kurzer Unterrichtsausschluss (Art. 86 Abs. 2 Nr. 5 BayEUG - Verwaltungsakt)

Die schwerste Ordnungsmaßnahme, die durch die Schulleitung alleine verhängt werden kann, ist der kurzzeitige Ausschluss vom gesamten Unterricht. Dieser ist auf sechs Schultage, in Berufsschulen auf zwei Schultage begrenzt.

Die Maßnahme ist bei jedem Fehlverhalten, also nicht nur bei einer Störung des Unterrichts zulässig. Sie wird erfahrungsgemäß relativ häufig angewandt.

Pädagogisch ist der Ausschluss aus Strafe relativ zweifelhaft, da wichtiger Unterrichtsstoff versäumt wird.

Längerer Unterrichtsausschluss (Art. 86 Abs. 2 Nr. 6 BayEUG - Verwaltungsakt)

Der Unterrichtsausschluss kann zwei bis vier Wochen dauern, wenn eine sogenannte schulische Gefährdung vorliegt. Dieser Begriff wird hier erstmals definiert, spielt aber auch für andere Ordnungsmaßnahmen eine Rolle.

Eine schulische Gefährdung setzt voraus, dass der Schulfrieden durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten erheblich gestört wird oder andere Personen (der Schulgemeinschaft) erheblich beeinträchtigt werden. Dies kann nur nach individueller Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung aller Umstände entschieden werden.

Zulässig ist dieser längerfristige Ausschluss erst ab der siebten Klasse.

Zuständig für diese und alle folgenden Ordnungsmaßnahmen ist die Lehrerkonferenz bzw. – sofern eingerichtet – der Disziplinarausschuss.

Langer Unterrichtsausschluss (Art. 86 Abs. 2 Nr. 7 BayEUG - Verwaltungsakt)

Mehr als vier Wochen, maximal bis zum Schuljahresende, kann eine Schülerin oder ein Schüler nur an bestimmten Schulen vom Unterricht ausgeschlossen werden.

Zuweisung an eine andere Schule (Art. 86 Abs. 2 Nr. 8 BayEUG - Verwaltungsakt)

Von einer Pflichtschule (Grund- und Mittelschule bis zur Beendigung der Vollzeitschulpflicht) kann eine Schülerin oder ein Schüler nicht einfach "rausgeschmissen" werden, da die Schulpflicht erfüllt werden muss. Daher kann nur die Zuweisung an eine andere Schule ausgesprochen werden.

Voraussetzung ist wiederum eine schulische Gefährdung. Diese muss jedoch in der Regel so schwerwiegend sein, dass ein weiterer Verbleib der Schülerin oder des Schülers an der Schule nicht mehr vertretbar ist.

Zuständig ist hier wieder die Lehrerkonferenz, die aber nur einen Antrag stellen kann. Endgültig entscheiden muss dann die Schulaufsichtsbehörde, die auch eine andere Schule in ihrem Wirkungsbereich auswählt.

Androhung der Schulentlassung (Art. 86 Abs. 2 Nr. 9 BayEUG - Verwaltungsakt)

Die Androhung der Entlassung von der Schule fällt aus dem System der Ordnungsmaßnahmen etwas heraus. Sie ist an sich mit dem Verweis vergleichbar: Es wird lediglich eine Missbilligung ausgesprochen, die aber zunächst keine weitere Folge hat.

Zugleich stellt die Entlassungsandrohung aber eine ganz gravierende Maßnahme dar. Denn häufig bereitet sie eine spätere tatsächliche Entlassung vor. Passiert danach nochmal ein Fehlverhalten, kann sich die Schule darauf berufen, sie habe die Entlassung schon angedroht und der Schülerin oder dem Schüler nochmal eine Chance gegeben – er habe diese Chance aber nicht genutzt.

Voraussetzung ist wiederum das Vorliegen einer schulischen Gefährdung.

Auch wenn die Androhung der Entlassung noch unter dem Aspekt "mit einem blauen Auge davon gekommen" eingeordnet werden kann, ist doch Vorsicht geboten: Eine solche Schülerin oder ein solcher Schüler steht dann häufig unter besonderer Beobachtung, gewissermaßen eine Bewährung. Falls wieder ein erhebliches Fehlverhalten geschieht, ist die endgültige Entlassung die nächste konsequente Stufe - die Schülerin oder der Schüler wurde durch die Androhung der Entlassung bereits gewarnt, nimmt die Warnung nicht ernst und begeht dann bereits eindeutig wiederholtes Fehlverhalten.

Entlassung (Art. 86 Abs. 2 Nr. 10 BayEUG - Verwaltungsakt)

Die Entlassung von der Schule ist die schwerste ernstlich in Betracht kommende Sanktion. Durch sie wird der Schulbesuch an dieser Schule sofort (Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung vgl. Art. 88 Abs. 8 BayEUG) beendet.

Die Entlassung in dieser Form ist nur bei freiwillig besuchten Schulen wie dem Gymnasium und der Realschule, nicht jedoch bei Pflichtschulen während der Vollzeitschulpflicht, möglich. Für Pflichtschulen gibt es während der Vollzeitschulpflicht nur die Möglichkeit der Zuweisung an eine andere Schule (siehe oben).

Die Entlassung setzt voraus, dass eine schulische Gefährdung vorliegt, die ein weiteres Verbleiben an der Schule schlicht unzumutbar macht.

Häufig ist dies bei Drogendelikten an der Schule (auch schon beim bloßen Konsum oder Besitz) der Fall. Dies soll zum einen die Schule schützen und eine Null-Toleranz-Politik demonstrieren, zum anderen aber auch dem Schüler einen Neuanfang in einer neuen Umgebung ermöglichen. Ob dies so wirklich glückt oder Probleme nur verschoben werden, kann diskutiert werden.
Daneben kommt eine Entlassung aber auch bei Gewaltdelikten (Körperverletzung) in Betracht, hier ist dann zu prüfen, ob die schulische Gefährdung nicht doch noch mit milderen Mitteln abzuwenden ist.
Immer mehr an Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang auch das Thema Klassenchats in WhatsApp oder ähnlichen Chatplattformen. Wenn hier verbotenes Material oder Bildmaterial mit abgebildeten Lehrkräften ausgetauscht wird, droht regelmäßig ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Entlassung.

Ausschluss von einer Schulart (Art. 86 Abs. 2 Nr. 11 BayEUG - Verwaltungsakt)

Wird der Schulbetrieb an allen Schulen einer Schulart durch eine Schülerin oder einen Schüler gefährdet, kann durch das Kultusministerium auf Antrag der Lehrerkonferenz komplett (bayernweit) von diesen Schulen ausgeschlossen werden. Die praktische Relevanz ist gleich null.

Ausschluss von allen Schulen (Art. 86 Abs. 2 Nr. 12 BayEUG - Verwaltungsakt)

Die schwerste theoretisch vorgesehene Sanktion ist der Ausschluss von allen Schulen. Voraussetzung ist eine schwere Straftat. Die Straftat muss einen Bezug zur Schule aufweisen und durch ein Gericht rechtskräftig mit Freiheitsstrafe oder – strittig – Jugendstrafe von mindestens einem Jahr bestraft worden sein. Auch diese Ordnungsmaßnahme kommt tatsächlich so gut wie nie vor.

Vorgehen gegen Ordnungsmaßnahmen

Alle Ordnungsmaßnahmen sind zumiondest überprüfbar. Bei einem Verweis bzw. einem verschärften Verweis ist, wie oben beschrieben, eine Feststellungsklage möglich. Die übrigen Ordnungsmaßnahmen können über das Widerspruchsverfahren und danach ggf. über eine Anfechtungsklage aufgehoben werden.

Außer dieser formellen Anfechtung ist auch noch ein Schlichtungsversuch mit der Schule, bspw. als Gegenvorstellung möglich.

In vielen Fällen ist es ratsam, eine anwaltliche Stellungnahme an die Schule zu senden, um die Situation zu verbessern.

Gerade bei drohenden oder bereits angekündigten Disziplinarverfahren ist es sehr wichtig, eine Stellungnahme einzureichen, bevor der Ausschuss entscheidet.

Laut meiner Erfahrung bringt es hier mehr, den Entscheidungsprozess positiv zu beeinflussen, als nur noch die Rechtsmittel gegen die Abstimmung zur Verfügung zu haben.


Haben Sie dagegen Bedenken, dass die Einschaltung eines Anwalts zu einer Eskalation führt, kann ich Sie auch in einer Beratung über Ihre Rechte aufklären und/oder ein Schreiben vorformulieren, das Sie dann im eigenen Namen absenden können.


Das beste Vorgehen richtet sich nach den beteiligten Personen und wie Sie diese einschätzen. Als auf das Schulrecht spezialisierter Anwalt kann ich Sie über die verschiedenen Möglichkeiten informieren und vertreten, die Entscheidung liegt aber bei Ihnen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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