Partybesuch während der Arbeitsunfähigkeit - keine gute Idee

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Wer arbeitsunfähig krankgeschrieben ist darf das Haus nicht verlassen und muss sich schonen - diese Aussage haben Sie sicher auch schon gehört, ist in dieser absoluten Form jedoch nicht ganz richtig. Auf einer öffentlichen Party sollten sie sich in dieser Zeit dennoch nicht unbedingt sehen lassen. Einer Arbeitnehmerin wurde genau dies jedoch zum Verhängnis.


Grundsatz

Arbeitnehmer haben nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz im Krankheitsfall einen Anspruch auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts für sechs Wochen, wenn infolge der Krankheit eine Arbeitsunfähigkeit besteht und die Arbeitsleistung deshalb nicht erbracht werden kann. Die Beweislast für diese Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer. Die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genügt in der Regel dieser Beweislast.


Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann jedoch durch den Arbeitgeber erschüttert werden, indem dieser Tatsachen darlegt, die erhebliche Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers begründen. Dies kann z.B. durch eine auffällige, zeitliche Übereinstimmung zwischen der Arbeitsunfähigkeit und einer zuvor ausgesprochenen Kündigung erfolgen.


Ein weiteres Beispiel, wie der Beweiswert erschüttert werden kann und welche Folgen darüber hinaus drohen, zeigt eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg [5 Ca 1200/22].


Was war passiert?

Zwischen den Parteien bestand ein Arbeitsverhältnis, in welchem die Klägerin als Pflegeassistentin tätig war. Die Klägerin wurde von der Beklagten für Samstag, den 02.07.2022 und Sonntag, den 03.07.2022 zum Spätdienst eingeteilt. Für diese Tage meldete sich die Klägerin krank, soweit so gut. Das Problem - in der Nacht vom 02.07.2022 auf den 03.07.2022 fand eine „White Night Ibiza Party“ statt, bei der auch Fotos von der Klägerin entstanden. Diese waren sowohl auf der Homepage des Veranstalters, als auch im Status der Klägerin zu sehen. Am 04.07.2022 überreichte die nun wieder arbeitsfähige Klägerin dann für die beiden Tage eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Online-Anbieters.


Nachdem die Beklagte von der Party-Teilnahme erfuhr kündigte sie die Klägerin fristlos. Gegen diese Kündigung legte die Klägerin Kündigungsschutzklage ein. Die Klägerin hatte sich außergerichtlich zunächst damit erklärt, dass sie sich wegen eintretender Grippesymptome und hohem Fieber unwohl gefühlt habe, dass sich dies aber zum Zeitpunkt der Party gebessert habe. In Wirklichkeit hätten jedoch psychisch relevante Gründe vorgelegen, was sie nicht habe zugeben wollen, so die Klägerin im Prozess. Zur Party sei sie nur auf Drängen ihrer Kollegen gegangen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beweise ihre Krankheit, ein Grund für die Kündigung liege daher nicht vor.


Was wurde durch das Arbeitsgericht entschieden?

Das Arbeitsgericht sah dies anders und wies die Klage ab. Die fristlose Kündigung sei aufgrund des Verhaltens und der damit einhergehenden Täuschung der Klägerin gerechtfertigt. Aufgrund der Fotos und der widersprüchlichen Aussagen der Klägerin stehe für das Gericht fest, dass diese über ihre vermeintliche Arbeitsunfähigkeit getäuscht und dadurch jegliches Vertrauen zerstört habe.


Der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei bereits dadurch erschüttert, dass diese erst am 04.07.2022 durch einen Onlineanbieter ausgestellt wurde, also an dem Tag an welchem die Klägerin bereits wieder arbeitsfähig war. Wie der Arzt rückwirkend die psychische Erkrankung habe feststellen sollen konnte die Klägerin nicht darlegen. Zudem sei die psychische Erkrankung über zwei Tage absolut unglaubwürdig, zumal diese ohne therapeutische Maßnahmen nach einem Wochenende mit Partybesuch ausgeheilt war. Auch das vermeintliche Vorliegen schwerer Grippesymptome könne aufgrund der Party-Bilder - auf denen die Klägerin mit bester Laune und bei bester Gesundheit zu sehen sei - widerlegt werden. Eine plausible Erklärung hierfür konnte die Klägerin dem Gericht nicht liefern.


Die volle Darlegungs- und Beweislast für eine tatsächliche Erkrankung und ein berechtigtes Fernbleiben von der Arbeit hätte somit erneut auf Seiten der Klägerin gelegen, was dieser in keiner Weise gelang.


Was darf ich während meiner Arbeitsunfähigkeit?

Die vorliegende Entscheidung zeigt somit nicht nur, dass der Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit berechtigten Zweifeln erschüttern kann. Sie zeigt darüber hinaus, dass aus dem Verhalten des Arbeitnehmers und einer wohl vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit erhebliche Konsequenzen drohen, weil hierdurch regelmäßig das Vertrauensverhältnis zerstört wird. Das so genannten „Krankfeiern“ stellt dabei eine erhebliche Pflichtverletzung dar und kann den Arbeitgeber - ebenso wie die Ankündigung bzw. Drohung mit einer zukünftigen Krankschreibung - zu einer fristlosen Kündigung berechtigen.


Doch wie verhindert man, dass Zweifel an einer tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit entstehen? Sollte man dafür wirklich zu Hause bleiben und die Außenwelt meiden?


Nein, so drastisch und pauschal kann man dies nicht sagen. Im Grundsatz gilt vielmehr die Regel, dass alles, was die Genesung nicht beeinträchtigt, während einer Krankschreibung erlaubt ist. Ziel der Genesung aus arbeitsrechtlicher Sicht muss es dabei sein, dass der Arbeitnehmer so bald wie möglich wieder arbeits- und einsatzfähig ist. Es kommt demnach immer auf den jeweiligen Einzelfall an. Ein Spaziergang an der frischen Luft sowie der wöchentliche Einkauf sind dabei in der Regel problemlos möglich, weil vor allem ersteres die Genesung eher fördern dürfte. Der Besuch einer „Ibiza“-Party, wie in dem oben dargestellten Sachverhalt oder die Ausübung stark beanspruchender Sportarten dürfte hingegen zumindest Zweifel aufkommen lassen.


Es kommt dabei auch stets auf die Art der Arbeitsunfähigkeit und den Genesungsstand an. Bei einem Besuch im Biergarten ist beispielsweise zu unterscheiden: Dieser steht der Genesung eines gebrochenen Arms eher weniger entgegen und dürfte daher möglich sein, während die Genesung anhaltender schwerer Grippesymptome hierdurch eher beeinträchtigt werden dürfte.


Fazit

Wie Sie sehen, kommt es für die Beurteilung, ob das Verhalten während der Arbeitsunfähigkeit angemessen war oder der Genesung entgegensteht, letztlich auf den jeweiligen Einzelfall an. Grundsätzlich bleibt jedoch auch hier festzuhalten, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zunächst ihren hohen Beweiswert beibehält. Sofern Sie sich jedoch während dieser Zeit mit Hinblick auf Ihre Genesung widersprüchlich verhalten, kann dies geeignet sein, den Beweiswert der Bescheinigung zu entkräften. Das vorliegende Beispiel zeigt zudem, dass in Fällen einer nachweislich vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit auch eine fristlose Kündigung drohen kann.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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