Pflichtteilsergänzungsansprucn nach § 2325 - Rechtsprechungsänderung des BGH v. 23.05.2012

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Wird eine Person beim Erbfall nicht Erbe, etwa dadurch, dass man in einem Testament nicht als erbberechtigte Person benannt ist, so besteht dennoch die Möglichkeit, finanziell am Nachlass beteiligt zu sein. Nämlich dann, wenn ein Pflichtteilsanspruch gegen den oder die Erben besteht. Ausgangspunkt ist hier die Vorschrift des § 2303 BGB, der als pflichtteilsberechtigte Personen die Abkömmlinge des Erblassers einerseits und andererseits die Ehefrau und die Eltern des Erblassers nennt. D. h. keinen Pflichtteilsanspruch haben etwa die Geschwister des Erblassers. Die genannten Personen sind ferner dann pflichtteilsberechtigt, wenn sie durch letztwillige Verfügungen, wie z. B. ein Testament oder Erbvertrag, von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind. Wertmäßig besteht der Pflichtteilsanspruch, der ein reiner finanzieller Anspruch und damit grundsätzlich auf Auszahlung eines Geldbetrages gerichtet ist, in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Insofern ist eine hypothetische Betrachtung anzustellen, wie sich die gesetzliche Erbfolge ohne eine letztwillige Verfügung darstellt. Angenommen, der Erblasser war im gesetzlichen Güterstand verheiratet und hatte zwei Kinder. Testamentarisch setzt er jedoch seine Ehefrau als Alleinerbin ein. Gesetzliche Erben wären neben der Mutter auch die Kinder des Erblassers zu je 1/4 geworden; §§ 1924, 1931 BGB. Nachdem der Pflichtteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt, haben die Kinder wertmäßig je einen Anspruch auf 1/8 am Nachlass. Beträgt etwa der Wert einer im Nachlass befindlichen Immobilie € 200.000,00, so kann jedes Kind von der Mutter die Auszahlung von € 25.000,00 verlangen.

Wie aufgezeigt, hängt damit die Höhe des Pflichtteilsanspruches vom Wert des Nachlasses ab. Um den Wert des Nachlasses nicht durch lebzeitige Verfügungen gegen „null" zu schmälern - was letztlich zu einer Entziehung des Pflichtteils führen würde - wird der enterbte Abkömmling auch an solchen den Nachlasswert mindernden Vermögensverschiebungen in den letzten zehn Jahren beteiligt. Man spricht hier vom sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB.

Und hier hat sich nun maßgebende eine Rechtsprechungsänderung ergeben. Früher hat der Bundesgerichtshof (z. B. Urteil vom 25.06.1997 - Az. IV ZR 233/06) entschieden, dass ein Pflichtteilsanspruch nicht nur die Pflichtteilsberechtigung voraussetze, sondern auch, dass man zum Zeitpunkt der Schenkung bereits gelebt hat. Hiervon ist nun der Bundesgerichtshof in seiner aktuellen Entscheidung vom 23.05.2012 (Az. IV ZR 250/11) abgewichen und hat entschieden, dass Voraussetzung für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch lediglich ist, dass man zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis gehört. Dies hat für die Berechnung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs, der grundsätzlich auch einem Erben zustehen kann, natürlich in finanzieller Hinsicht erhebliche Auswirkungen. Wenn z. B. der Erblasser zu einem Zeitpunkt ein Grundstück an sein Kind übertragen hat und erst viele Jahre später noch ein zweites Kind bekommt, so hat nach früherer Rechtsprechung das zweite Kind an der Vermögensverfügung des Grundstückes finanziell nicht partizipieren können, nunmehr aber schon. Dies kann, wie das oben genannte Beispiel zeigt, finanziell einen nicht zu vernachlässigenden finanziellen Aufwand für den oder die Erben bedeuten. Sollte also eines der Kinder den Pflichtteil gegen die Mutter verlangen, und steht der Mutter kein ausreichendes Barvermögen zur Verfügung, um den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen, so müsste schlimmstenfalls das Grundstück, in dem die verwitwete Ehefrau ihren Lebensabend verbringen wollte, verkauft oder gar zwangsversteigert werden.

Deswegen lesen Sie im demnächst für die Veröffentlichung vorgesehenen Beitrag, welche Möglichkeiten es gibt, dies im Rahmen letztwilliger Verfügungen zu vermeiden und damit den Bestand des Grundstücks zu sichern.

Alexander Grünert

Rechtsanwalt

www.endress-und-partner.de


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