Polizeiliche Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung – was tun?

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„VORLADUNG

Sehr geehrter Herr Mustermann,

in der Ermittlungssache 'Verstoß gegen Betäubungsmittelgesetz' ist Ihre Vernehmung als Beschuldigter erforderlich. Sie werden daher gebeten, am Samstag, 12.01.2019, um 09:30 Uhr bei der Kriminalpolizeiinspektion vorzusprechen.

Im Falle der Verhinderung (z. B. berufliche Gründe, Krankheit) bitten wir Sie um rechtzeitige (telefonische) Mitteilung, damit ein neuer Termin vereinbart werden kann.“

So oder so ähnlich lauten die Schreiben der Polizeidienststellen, mit denen Beschuldigte aufgefordert werden, zur Beschuldigtenvernehmung zu erscheinen. Gerne wird dabei ein Termin am Wochenende genannt, weil da der Sachbearbeiter bei der Polizei Zeit hat – und der Verteidiger nicht zu erreichen ist.

Bei einer Vernehmung durch die Polizei können Beschuldigte viele Fehler machen. Rund um die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung ranken sich Irrtümer und Mythen. Was müssen Sie tatsächlich tun und welche Rechte haben Sie?

„Einer polizeilichen Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung muss Folge geleistet werden.“

Falsch. Sie müssen der Aufforderung der Polizei, auf der Dienststelle zur Beschuldigtenvernehmung zu erscheinen, nicht nachkommen – und zwar ganz egal, ob die Polizei Sie anruft oder ob Sie eine schriftliche Vorladung erhalten. Sie müssen auch nicht begründen, warum Sie der Vorladung nicht nachkommen.

Es kann passieren, dass die Polizeibeamten mehrfach versuchen, Sie anzurufen, um Sie zur Sache zu befragen. Legen Sie einfach den Hörer auf.

„Wenn ich bei der Polizei eine Aussage mache, kann ich die Vorwürfe entkräften.“

Falsch. Wissen Sie genau, was man Ihnen vorwirft? Kennen Sie die bisherigen Ermittlungsergebnisse? Meistens nein.

Als beschuldigte Person haben Sie ein umfassendes Schweigerecht. Sie müssen sich nicht zur Sache äußern – weder auf der Polizeidienststelle noch am Telefon.

Beschuldigte müssen die Ermittlungsbehörden nicht unterstützen. Sie müssen der Polizei nicht sagen, was Sie wissen. „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ – im Ermittlungsverfahren ist Reden oft nicht einmal Silber, sondern nur Blech.

„Wer nichts zu befürchten hat, hat auch nichts zu verbergen.“

Falsch. Eine Beschuldigtenvernehmung ist stressig – sie soll stressig sein. Menschen, die unter Stress stehen, haben erfahrungsgemäß ein großes Rechtfertigungsbedürfnis. Dabei besteht die Gefahr, sich zu verplappern und ganz andere, neue Sachverhalte einzuräumen, von denen die Polizeibeamten nie etwas erfahren hätten. Schlafende Hunde soll man nicht wecken …

„Aus der Aussageverweigerung kann auf die Täterschaft geschlossen werden.“

Falsch. Wenn Sie im Ermittlungsverfahren von Ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen und sich nicht zur Sache äußern, kann Ihr Schweigen nicht zu Ihrem Nachteil des Betroffenen gewertet werden.

Im Regelfall: Erst Akteneinsicht – dann Entscheidung über eine Aussage

Was die Ermittlungsbehörden wissen und was die Polizei gegen Sie in der Hand hat, ergibt sich meist erst aus der Ermittlungsakte. Es kommt also darauf an, so schnell wie möglich Akteneinsicht zu beantragen und Akteneinsicht zu erhalten.

Zwar haben Beschuldigte nach § 147 Abs. 4 der Strafprozessordnung (StPO) grundsätzlich ein eigenes Akteneinsichtsrecht, für das sie keinen Verteidiger benötigen. Aber: Beschuldigte selbst können die Ermittlungsakte nur vor Ort und unter Aufsicht bei der Staatsanwaltschaft einsehen und kopieren lassen. Strafverteidiger dagegen erhalten die Akte in die Kanzlei zugesandt. Verteidiger können die Akte dort in Ruhe kopieren, den Inhalt durchlesen, die bisherigen Ermittlungsergebnisse bewerten – und sich auf diese Weise ein sorgfältiges und realistisches Bild über die Chancen und Risiken des weiteren Strafverfahrens machen.

Auf Grundlage dieser Einschätzung erst kann Ihnen Ihr Strafverteidiger die weitere Verteidigungsstrategie empfehlen, unter anderem, ob Sie weiterhin von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen sollten oder ob es vielleicht doch sinnvoll ist, eine Aussage zu machen.

Strafverteidigung ist wie Schachspiel. Fehler lassen sich später nur schwer korrigieren. Für Beschuldigte und ihre Verteidiger gilt: Voreiligen Aktionismus vermeiden, stattdessen überlegt und strukturiert handeln, und vor dem ersten Schritt schon über den zweiten Schritt nachdenken. Die Vorladung der Polizei kommt inzwischen in die eigene Akte. Da liegt sie gut.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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