Privatinsolvenzverfahren in Frankreich

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Besondere Rechtslage im grenznahen Raum zu Frankreich

In den grenznahen Gebieten Lothringens sowie des Elsass besteht eine besondere Rechtslage zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens. Die Besonderheiten sind aufgrund der ehemaligen Zugehörigkeit zum Deutschen Reich historisch bedingt.

Die Durchführung des Insolvenzverfahrens ist innerhalb eines Zeitraumes von 1-2 Jahren nach Verfahrenseröffnung bei Gericht möglich. Antragsberechtigt ist jeder Bürger der Europäischen Union. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist die in Frankreich erlangte Restschuldbefreiung auch gegenüber Gläubigern der anderen Mitgliedsstaaten wirksam. 

Die Vorteile des französischen Insolvenzverfahrens gegenüber dem Deutschen Recht liegen auf der Hand:

  1. Es entfällt die Wohlverhaltensphase von 6 Jahren gegenüber dem Gläubiger.
  2. Es sind keine Zahlungen an den Gläubiger zum Erlangen der Restschuldbefreiung erforderlich.
  3. Die Restschuldbefreiung wird nach Abschluss des Verfahrens automatisch erteilt.
  4. Die Verfahrensdauer beträgt zwischen 1-2 Jahren.

Die Voraussetzungen, die man zur Durchführung des Verfahrens mitbringen muss sind folgende:

  1. Der Antragsteller muss eine natürliche Person aus der Europäischen Union sein.
  2. Der Antragsteller muss seinen Lebensmittelpunkt in Frankreich haben.

Mit der Zunahme Deutscher Antragsteller vor den französischen Insolvenzgerichten gab es einige Entscheidungen, die im Ergebnis den Europäischen Gedanken stärken.

In seinem Urteil vom 02-05-2006 hat der Europäische Gerichtshof ( EuGH ) entschieden, dass die Frage des Lebensmittelpunktes autonom, also nicht durch Rückgriff auf nationale Vorschriften zu entscheiden ist. Maßgeblich ist danach der für Dritte erkennbare Ort, an dem der Schuldner gewöhnlich seine Interessen wahrnimmt und verwaltet (AZ. C-341/04 ). 

In einer anderen Entscheidung vom 17.01.2006 hat der EuGH entschieden, dass der entscheidende Zeitpunkt für die Beurteilung des Lebensmittelpunktes bei einem Antrag des Schuldners derjenige des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, so dass anschließende Wohnsitzverlegungen unberücksichtigt bleiben (AZ. C-1/04).

Es liegen mittlerweile mindestens 3 obergerichtliche Entscheidungen vor, davon zwei der Cour d'appel Metz von Anfang des Jahres 2007, mit denen die erstinstanzlichen, die Insolvenzanträge Deutscher Antragsteller abweisenden Urteile aufgehoben und die Insolvenzverfahren entweder direkt bzw. nach Zurückverweisung an die vorherige Instanz eröffnet worden sind.

Aus diesen Urteilen ergibt sich, dass fehlende französische Sprachkenntnisse und die Tatsache, dass alle bzw. der Großteil der Gläubiger aus Deutschland stammen sowie die Schulden in Deutschland entstanden sind, die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht rechtfertigen.

Mit Abschluss des Insolvenzverfahrens tritt die sog. "Restschuldbefreiung" ein (Art. 643-11 Code de commerce), das heißt nicht befriedigte Forderungen erlöschen zwar nicht, können in der weiteren Zukunft jedoch nicht mehr geltend gemacht werden.

Die Folge der Restschuldbefreiung haben Deutsche Gläubiger des Schuldners auch dann hinzunehmen, wenn dieser seinen Wohnsitz wieder nach Deutschland verlegen sollte (BGH, Beschluss vom 18.09.2001 in NJW 2002, 960). 

Die Durchführung des Insolvenzverfahrens in Frankreich sollte ab einer Verschuldung von mehr als € 150.000 in Angriff genommen werden. Nach oben hin bestehen keine Beschränkungen.

Auch der Hinweis des Schuldners, das privilegierte französische Privatinsolvenzverfahren durchführen zu wollen, kann die Deutschen Gläubiger veranlassen, auf einen wesentlichen Teil ihrer Forderungen zu verzichten.  

Rechtlicher Hinweis:  

Die vorliegende Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll lediglich einen ersten Überblick über die Gesetzeslage schaffen. Sie kann eine auf den Einzelfall bezogene Beratung nicht ersetzen.


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