Proaktive Auskunftspflicht im Urheberrecht – Was Kreative und Unternehmer wissen sollten
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Wann haben Urheber Anspruch auf Informationen – ganz ohne Nachfrage?
Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Werk geschaffen – ein Foto, ein Text oder ein Film – und jemand nutzt dieses Werk kommerziell. Jahre später fragen Sie sich: War die damalige Vergütung wirklich angemessen? Wie erfolgreich war die Nutzung eigentlich? Genau hier setzt eine vergleichsweise neue Regelung im Urheberrecht an: § 32d UrhG – die proaktive Auskunftspflicht.
Was in der juristischen Welt bereits seit 2021 gilt, ist in der Praxis bislang erstaunlich leise geblieben. Dabei ist die Vorschrift für Kreative ein echtes „Power-Tool“ – und für Unternehmen ein Thema, das dringend auf die Compliance-Agenda gehört.
Was regelt § 32d UrhG konkret?
§ 32d UrhG verpflichtet Vertragspartner von Urheber:innen proaktiv – also von sich aus – regelmäßig Auskunft zu erteilen, welche Erträge und Vorteile sie aus der Nutzung eines Werkes gezogen haben. Ein bloßes Nachfragen des Urhebers ist dabei nicht erforderlich. Die Verpflichtung besteht automatisch – einmal jährlich und unabhängig davon, ob der Urheber sich meldet.
Diese Regelung betrifft:
Unternehmen, die Nutzungsrechte von Urheber:innen entgeltlich erwerben
Vertragspartner, die das Werk entweder selbst nutzen oder an Dritte weiterlizenzieren
Sämtliche Nutzungsarten, ob Print, Digital, Werbung oder Social Media
Ziel: Stärkung der Urheberrechte
Die Vorschrift stammt aus der EU-Richtlinie zur DSM (Digital Single Market) und zielt darauf ab, das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Urheber:innen und Verwertern zu korrigieren. Denn häufig haben Urheber:innen bei Vertragsschluss eine schwächere Verhandlungsposition – was dazu führen kann, dass Werke unter Wert lizenziert werden.
Mit der regelmäßigen Auskunft kann der Urheber:
nachträglich die Angemessenheit der Vergütung prüfen (§ 32a UrhG)
nicht gedeckte oder unrechtmäßige Nutzungen entdecken
bei Unterlizenzierungen von Dritten weitere Ansprüche geltend machen (§ 32e UrhG)
Was gehört zur Auskunft?
Die Pflichtangaben sind umfassend:
Alle Nutzungsvorgänge und Nutzungsarten: Wo und wie wurde das Werk eingesetzt? Online, Print, Video, Werbung? Auch kurzzeitige Nutzungen sind umfasst.
Stückzahlen: z. B. bei Flyern, DVDs oder Printprodukten
Erträge und geldwerte Vorteile: Verkaufsumsätze, Werbeeinnahmen, Fördermittel oder geldwerte Leistungen
Unterlizenzierungen oder Weitergaben: inkl. Informationen zu den Dritten – auf Verlangen auch mit deren Kontaktdaten
Ein besonders wichtiger Aspekt: Es ist kein Kausalitätsnachweis erforderlich. Es reicht, dass durch die Werknutzung wirtschaftliche Vorteile erzielt wurden – auch wenn nicht belegt werden kann, dass gerade dieses Werk den wirtschaftlichen Erfolg ausgelöst hat.
Wer ist verpflichtet – und in welchen Fällen?
Die Verpflichtung betrifft entgeltlich lizenziertes Material – das umfasst nicht nur klassische Honorarzahlungen, sondern auch alle sonstigen geldwerten Gegenleistungen. Auch ein Geschäftsführerhonorar kann als Vergütung für kreative Tätigkeiten gelten, wie das OLG Köln Ende 2023 entschied.
Nicht betroffen sind:
vollkommen unentgeltliche Nutzungen, etwa Open-Content-Angebote
rein private oder symbolische Nutzungen ohne wirtschaftlichen Bezug
Und: Die Auskunftspflicht gilt auch für Altverträge, die bereits vor 2021 geschlossen wurden.
Gibt es Ausnahmen?
Ja – das Gesetz kennt zwei zentrale Ausnahmen:
Nachrangiger Beitrag: Wenn der Beitrag eines Urhebers den Gesamteindruck eines Werkes kaum prägt, besteht keine Pflicht zur Auskunft. Dies ist z. B. bei Symbolfotos in Pressetexten denkbar.
Unverhältnismäßiger Aufwand: Wenn die Auskunft im Vergleich zum wirtschaftlichen Nutzen einen unangemessenen Aufwand darstellen würde.
Achtung: In beiden Fällen trägt das Unternehmen die Darlegungs- und Beweislast. Einfach zu behaupten, der Beitrag sei nachrangig, genügt nicht.
Was passiert bei Verstößen?
Wer seiner Auskunftspflicht nicht nachkommt, muss gerichtliche Inanspruchnahme durch Urheber:innen befürchten – etwa auf Erteilung der Auskunft oder Zahlung einer angemessenen Vergütung. Auch Verwertungsgesellschaften können Unterlassungsansprüche geltend machen.
Zwar fehlt bislang eine Sanktion wie ein Bußgeld, doch: Gerichte urteilen zunehmend deutlich – und die Norm wird auf europäischer Ebene weiterentwickelt. Denkbar ist, dass künftig auch finanzielle Sanktionen eingeführt werden.
Praktische Umsetzung im Unternehmen
Für Unternehmen bedeutet die Auskunftspflicht: Dokumentation und Transparenz sind Pflicht.
Empfehlungen:
Pflegen Sie ein zentrales Verzeichnis über alle genutzten urheberrechtlich geschützten Werke
Dokumentieren Sie Vertragspartner, Lizenzen, Nutzungsarten und -zeiträume
Halten Sie Einnahmen und geldwerte Vorteile strukturiert fest – auch im Zusammenhang mit Werbung
Planen Sie die jährliche Auskunftspflicht systematisch ein – automatisierte Erinnerungen oder Workflows können helfen
So wird aus einer gesetzlichen Pflicht zugleich ein Signal für professionelle Zusammenarbeit mit Kreativen – was sich langfristig auszahlt.
Mehr dazu im Podcast „Kaffeerecht“
In dieser Folge unseres Podcasts „Kaffeerecht“ diskutieren wir ausführlich die praktische Relevanz und mögliche Folgen der proaktiven Auskunftspflicht.
Fazit
Die proaktive Auskunftspflicht nach § 32d UrhG ist kein zahnloser Tiger, sondern ein wichtiges Instrument zur Wahrung fairer Beteiligung von Urheber:innen. Wer kreative Leistungen nutzt, sollte die Regelungen kennen – und professionell umsetzen.
Für Fragen zur praktischen Umsetzung oder zur rechtlichen Einschätzung konkreter Verträge stehen wir Ihnen bei TWW.law gern beratend zur Seite.
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