Recht der privaten Kranken- und Pflegeversicherung (Krankentagegeld, Auslandskrankenversicherung)

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Regelungen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung unterfallen auch dem Versicherungsrecht, werden aber aufgrund der thematischen Nähe auch dem Medizinrecht zugerechnet.


1.  Private Krankenversicherung (Private Krankheitskostenversicherung, PKV)


a. Einführung

Die private Krankenversicherung (private Krankheitskostenversicherung, PKV) kann als eigenständige Hauptversicherung oder lediglich als private Zusatzversicherung zum gesetzlichen Krankenversicherungsschutz abgeschlossen werden.

Die private Krankenversicherung regelt das Rechtsverhältnis zwischen dem „Privatpatienten“, dem Arzt und der privaten Krankenversicherung. Dabei besteht kein echtes Dreiecksverhältnis, sondern vielmehr besteht das Rechtsverhältnis zwischen dem Arzt und seinem Patienten und ein weiteres besteht zwischen dem Patienten und seiner privaten Krankenversicherung. Es besteht demnach keine eigene Rechtsbeziehung zwischen dem Arzt und der privaten Krankenversicherung.

Der Patient schließt mit dem Arzt einen Behandlungsvertrag (Dienstvertrag), aus dem der Arzt die fachgerechte Heilbehandlung schuldet und der Patient die entsprechenden Gebühren hierfür zu bezahlen hat.

Der Patient kann dann von seiner privaten Krankenversicherung – je nach zivilrechtlich abgeschlossenem Vertrag und Tarif – die Erstattung seiner Behandlungskosten verlangen. Demgegenüber besteht ein Gebührenanspruch des Arztes gegenüber der Krankenversicherung grundsätzlich nicht. Es ist daher von entscheidender Bedeutung die konkrete vertragliche Ausgestaltung des Versicherungsvertrages zu prüfen.

Der Versicherer ist nach § 192 I VVG verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarte Leistungen zu erstatten.

In aller Regel übernimmt die private Krankenversicherung (PKV) die Kosten für das Ein- oder Zweibettzimmer und die Behandlung durch den Chefarzt. Dies gilt allerdings nur bei der Behandlung des Privatpatienten auf der Privatstation eines normalen Regelkrankenhauses. Diesen Rechtsgrundsatz kann jeder Versicherte dem sogenannten Krankenhausentgeltgesetz entnehmen, welches die Grundlage für die Erstattung von Kosten der PKV wie auch der GKV bildet.

Anders verhält es sich jedoch, wenn Privatpatienten sich in eine Privatklinik begeben. Die hier erfolgte Behandlung ist nicht in dem Krankenhausentgeltgesetz geregelt. Da Privatkliniken auch keine öffentlichen Gelder erhalten, müssen diese den Preis im Zuge des privaten Wirtschaftsgeschäftes mit dem Patienten aushandeln.


b. Beitragserhöhungen (eigentlich Prämienanpassung)

Weicht die tatsächliche von der kalkulierten Prämie ab, dürfen private Krankenversicherer sie anpassen – auch dann, wenn die Abweichung unter zehn Prozent liegt.

Während Versicherte bei gesetzlichen Krankenkassen Beiträge zahlen, zahlen privat Versicherte Prämien. Anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung ist in der privaten Krankenversicherung die Prämienhöhe vom Umfang der versicherten Leistungen und vom individuellen versicherten Risiko abhängig. Die Berechnung des Beitrages erfolgt bei Abschluss der Versicherung und soll möglichst konstant bleiben.

Weichen die tatsächlichen Leistungen einer privaten Krankenversicherung von der Kalkulation – etwa wegen allgemein steigender Kosten für medizinische Behandlungen – ab, darf sich das Unternehmen eine Anpassung der Prämien vorbehalten. Das gilt auch, wenn die Abweichung weniger als zehn Prozent im Jahr beträgt. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit am Montag veröffentlichtem Urteil (v. 12.07.2023, Az. IV ZR 347/22).

In dem gegenständlichen Vertag einer Kranken- und Pflegeversicherung hieß es zur Beitragsanpassung, dass sich Leistungen zum Beispiel wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern könnten. Der Versicherer vergleiche zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten.

§ 203 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) i.V.m. § 155 Abs. 3 S. 2 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sieht vor, dass Versicherer Tarife anpassen, wenn von einer längerfristigen Abweichung um mehr als zehn Prozent auszugehen ist. Nach dem hier vorliegenden Vertrag hingegen war das schon ab einer Abweichung von mehr als fünf Prozent möglich, wenn auch nicht zwingend. Sie verstoße nicht gegen das Abweichungsverbot des § 208 S. 1 VVG, denn sie weiche nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von der gesetzlichen Regelung in § 203 Abs. 2 VVG i.V.m. § 155 Abs. 3 S. 2 VAG ab. Diese erlaube die Festsetzung eines zusätzlichen Schwellenwerts – neben der gesetzlichen Zehn-Prozent-Grenze – in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, bei dessen Überschreitung der Versicherer zu einer Prämienanpassung berechtigt, aber noch nicht verpflichtet werde.


2. Private Krankentagegeldversicherung

Die Krankentagegeldversicherung (MB/KT) sorgt dafür, dass nach Ende der (in der Regel 6-wöchigen) Lohnfortzahlung im Krankheitsfall entstehende Verdienstausfälle des Versicherten finanziell abgesichert werden. Bei privaten Krankenversicherungen sind Krankentagegeldzahlungen (je nach Vertrag bzw. Tarif) bis zur Höhe des zuletzt verdienten Nettoeinkommens möglich.

Ein Krankentagegeld ist besonders für die Absicherung Selbständiger existenziell, da gerade Selbständige während der Zeit einer Arbeitsunfähigkeit meist über keinerlei Einkünfte verfügen.


a. Streitbereiche

Die Streitigkeiten mit der Versicherung entstehen insbesondere in folgenden 4 Konstellationen:

  • Es wird vorgetragen, dass kein Versicherungsvertrag zustande kam.
  • Es wird vorgetragen, der Versicherungsnehmer sei nicht zu 100% arbeitsunfähig und könne zumindest zum Teil arbeiten.
  • Es wird vorgetragen, dass die Krankentagegeldversicherung jetzt einen höheren Krankentagegeldsatz auszahlt, als der Versicherungsnehmer früher tatsächlich verdient hat.
  • Es wird vorgetragen, dass der Versicherungsnehmer berufsunfähig sei (dann endet der Anspruch auf Krankentagegeld).


b. Versicherungsfall

„Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. […]”

Ein Versicherungsfall in der privaten Krankentagegeldversicherung ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung der versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Gemäß § 1 Abs. 3 MB/KT liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht.

Aus dem klaren Wortlaut § 1 Teil I Abs. 3 AVB („in keiner Weise“) folgt, dass eine Arbeitsunfähigkeit zu 100 % erforderlich ist; besteht Teilarbeitsfähigkeit, so besteht kein Leistungsanspruch (vgl. BGH r+s 1993, 112). Es muss „jegliche Berufstätigkeit ausgeschlossen“ sein (vgl. BGH-Beschluss vom 12.11.2008 - IV ZR 273/07). Entsprechend entfällt der Leistungsanspruch bereits, wenn der Versicherte nur in geringem Umfang von 30 Minuten am Tag seine Tätigkeit ausübt (vgl. BGH VersR 2007, 1260). So ist beispielsweise auch ein Versicherungsvermittler nicht bedingungsgemäß arbeitsunfähig, wenn er noch 2 bis 3 Kundenbesuche und eine halbe Stunde Bürotätigkeit pro Tag erledigen kann (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 11.02.2011 - I-20 U 167/10).

Im Gegensatz zur Krankenhaustagegeldversicherung, die zusätzliche Kosten bei einer stationären Behandlung abdecken soll, handelt es sich bei der Krankentagegeldversicherung um eine Verdienstausfallversicherung (vgl. OLG Frankfurt VersR 83, 1070 f.).

Die Krankentagegeldversicherung hat Lohnersatzfunktion (OLG Köln VersR 74, 851). Der soziale Schutzzweck einer Verdienstausfallversicherung und damit das versicherte Risiko entfallen, wenn sich ein Tatbestand verwirklicht, der von vornherein das Entstehen eines krankheitsbedingten Verdienstausfalles entfallen lässt.

Die Krankentagegeldversicherung sichert das Einkommen in der Zeit zwischen Beginn der Erkrankung und der damit verbundenen Arbeitsunfähigkeit bis zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Sie dient als Überbrückung der krankheitsbedingten, vorübergehenden Verdiensteinbuße (BGH VersR 80, 1163, 1164).

Mit der Krankentagegeldversicherung kann der Versicherungsnehmer also nur das Risiko eines vorübergehenden krankheitsbedingten Verdienstausfalles sichern, nicht jedoch das Risiko eines Einkommensausfalles wegen voraussichtlich dauernder Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit (BGH VersR 80, 1163, 1164), denn bei Eintritt der Berufsunfähigkeit entsteht ein Verdienstausfall infolge von Krankheit von vornherein nicht mehr, da der Versicherungsnehmer nicht mehr in der Lage ist, Arbeitseinkommen aufgrund seiner bisher ausgeübten Berufstätigkeit zu erzielen.


c. Beendigung der Krankentagegeldversicherung wegen Berufsunfähigkeit

Sollte in diesen Konstellationen weiterhin von einem krankheitsbedingten vorübergehenden Ausfall ausgegangen werden, so richtet sich die Klage gegen die Krankentagegeldversicherung mit Streitverkündung gegenüber der BU-Versicherung.

Die Krankentagegeldversicherung hat Lohnersatzfunktion (OLG Köln VersR 74, 851). Der soziale Schutzzweck einer Verdienstausfallversicherung und damit das versicherte Risiko entfallen, wenn sich ein Tatbestand verwirklicht, der von vornherein das Entstehen eines krankheitsbedingten Verdienstausfalles entfallen lässt. Mit der Krankentagegeldversicherung kann der Versicherungsnehmer also nur das Risiko eines vorübergehenden krankheitsbedingten Verdienstausfalles sichern, nicht jedoch das Risiko eines Einkommensausfalles wegen voraussichtlich dauernder Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit (BGH VersR 80, 1163, 1164), denn bei Eintritt der Berufsunfähigkeit entsteht ein Verdienstausfall infolge von Krankheit von vornherein nicht mehr, da der Versicherungsnehmer nicht mehr in der Lage ist, Arbeitseinkommen aufgrund seiner bisher ausgeübten Berufstätigkeit zu erzielen.

Nach § 15 Abs. 1 b) AVB endet das Versicherungsverhältnis mit Eintritt der Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist.

Nach der Rechtsprechung ergibt demnach eine ergänzende Vertragsauslegung, dass die Versicherungsfähigkeit des arbeitslosen Versicherungsnehmers in der Krankentagegeldversicherung zu dem Zeitpunkt entfällt, für den feststeht, dass der Versicherungsnehmer eine neue Tätigkeit als Arbeitnehmer nicht mehr aufnehmen will oder aufgrund objektiver Umstände festgestellt werden kann, dass die Arbeitssuche trotz ernsthafter Bemühungen ohne Erfolg bleiben wird. Der BGH begründet dieses damit, dass es dem Zweck  einer Krankentagegeldversicherung widerspreche, den Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit für einen Versicherungsnehmer weiter aufrecht zu erhalten, der ein neues Arbeitsverhältnis nicht mehr eingehen will oder dessen – ernsthafte – Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz als gescheitert angesehen werden müssen, weil in einem solchen Fall jede Anknüpfung an einen künftig durch Arbeitsunfähigkeit eintretenden Verdienstausfall fehle (KG Beschluss vom 02.11.2021, Aktenzeichen 6 U 1012/20).

Allein der Rentenbezug einer Erwerbsminderungsrente führt nicht zur Beendigung der Krankentagegeldversicherung.

Anwartschaftsversicherung: Nach der Entscheidung des BGH, VersR 92, 477 ff., 479 ff. ist eine Anwartschaftsversicherung anzubieten. Demnach endet die Leistungspflicht des Krankentagegeldversicherers mit Eintritt der Berufsunfähigkeit. Soweit der BGH am angegebenen Ort die endgültige Vertragsbeendigung gemäß § 15b MB/KT 78 für unwirksam erklärt hat, muss die Versicherung in ihren Bedingungen diesem Rechnung tragen. Danach hat der Versicherungsnehmer das Recht, den Vertrag im Wege einer Anwartschaftsversicherung fortzusetzen.


d. Prognoseentscheidung

Für den Tatbestand der Berufsunfähigkeit des § 15 Abs. 1 b) AVB ist es nicht zwingende Voraussetzung, dass der Versicherte auf Dauer zu mehr als 50 % im bisher ausgeübten Beruf erwerbsunfähig ist. Die Beklagte geht zwar vorliegend davon aus, dass dies hier der Fall ist, für den Beendigungstatbestand genügt es aber, dass die Erwerbsunfähigkeit zu mehr als 50 % im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit weiterbesteht. Es muss sich also um einen nicht nur vorübergehenden Zustand handeln, der jedoch keinesfalls endgültig sein muss (BGH VersR 10, 1171; Wilmes in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, § 15 MB/KT Rn. 26). Denn es lässt sich eine ins Gewicht fallende Besserung zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nicht selten weder zuverlässig voraussagen noch ausschließen (BGH a.a.O.).

Berufsunfähigkeit liegt also immer vor, wenn aus ärztlicher Sicht nicht gesagt werden kann, ob der Versicherungsnehmer überhaupt wieder eine Erwerbsfähigkeit von 50 % in seinem bisherigen Beruf erlangen wird.

Die Prognose ist für den Zeitpunkt zu stellen, für den der Versicherer das Ende seiner Leistungspflicht behauptet; für die sachverständige Beurteilung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit sind die „medizinischen Befunde" - d.h. alle ärztlichen Berichte und sonstigen Untersuchungsergebnisse - heranzuziehen und auszuwerten, die der Versicherer für die maßgeblichen Zeitpunkte vorlegen kann (vgl. BGH a.a.O.). Es ist also – ex ante - auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem ein ärztlicher Befund vorlag, der die Annahme der Berufsunfähigkeit rechtfertigte, jedenfalls auf den Zeitpunkt, zu dem der Versicherer die Prognose über die eingetretene Berufsunfähigkeit abgab. Dabei ist es gleich, wann und zu welchem Zweck die medizinischen Befunde erhoben wurden; auch müssen sie keine - ausdrückliche oder wenigstens stillschweigende - ärztliche Feststellung der Berufsunfähigkeit enthalten (BGH a.a.O.).

Nach der BGH-Entscheidung mit Aktenzeichen IV ZR 163/09 ist für die streitgegenständliche Prognose zur Berufsunfähigkeit zwingend ein neutrales (gerichtliches) Sachverständigengutachten unter Beiziehung aller der Beklagten (Versicherung) verfügbaren medizinischen Unterlagen einzuholen.


e. Anträge

Erst im Nachhinein, also konkret mit Ablauf eines jeden Tages bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit, kann deshalb gerichtlich festgestellt werden, ob die Voraussetzungen einschließlich des medizinischen Nachweises fortbestehender Arbeitsunfähigkeit und des Fehlens einer anderweitigen Erwerbstätigkeit wirklich erfüllt sind und deshalb ein Versicherungsfall vorliegt.

Eine auf die Zukunft bezogene gerichtliche Feststellung der Leistungspflicht scheidet damit in der Krankentagegeldversicherung aus. Die Feststellungsklage ist unzulässig, weil in Bezug auf die Zukunft gar nicht beurteilt werden kann, ob ein Anspruch auf Krankentagegeld wirklich entstehen werden wird. Zulässig ist allerdings der Feststellungsantrag, dass das zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsverhältnis in der Krankentagegeldversicherung unverändert fortbesteht und nicht durch Berufsunfähigkeit nach § 15 Abs. 1 b) MB/KT 2009 an einem bestimmten Datum geendet hat (OLG Hamm, Urteil vom 05.09.2012, AZ: I-20 U 80/12).

„Es wird festgestellt, dass die Vertragsbeendigungserklärung der Beklagten mit Schreiben vom 28.06.2021 mit Beendigungserklärung zum 25.07.2021 unwirksam ist und die Krankentagegeldversicherung mit der Beklagten unter der Versicherungsnummer 111.115150 unverändert fortbesteht.“

Berechnet wird dann der Streitwert aus der Höhe des Krankentagegeldes pro Tag x 365 Tage / 2 (halbjährliche Bezugsdauer) abzüglich 20% Feststellungsabschlag.

Als Ausgangspunkt der Berechnung wird also gerade nicht der dreieinhalbfache Wert des einjährigen Bezuges gem. §§ 3, 9 ZPO zugrunde gelegt werden. Denn die Anwendung des § 9 ZPO setzt voraus, dass solche Rechte betroffen sind, die ihrer Natur nach und erfahrungsgemäß jedenfalls von einer dem in § 9 ZPO genannten Zeitraum entsprechenden Dauer sind (BGHZ 36, 144, 147; dort für Verzugszinsen verneint). Insoweit geht die obergerichtliche Rechtsprechung zutreffend davon aus, dass die regelmäßige Bezugsdauer von Krankentagegeld deutlich unter dreieinhalb Jahren liegt, auch wenn ein solcher Zeitraum im Einzelfall nicht ausgeschlossen sein mag, und stellt deshalb auf einen Bezug von sechs Monaten ab (so auch OLG Hamm VersR 2011, 1329, 1330; OLG Karlsruhe VersR 2007, 416, 417).


3. Auslandskrankenversicherung


Die Auslandskrankenversicherung ist eine Unterkategorie der Krankenversicherung. Gedeckt werden die Kosten von akut auftretenden Erkrankungen.

Oftmals ist auch der Rücktransport aus dem Ausland in das Heimatland mitversichert.


4. Private Pflegeversicherung

Bei Auseinandersetzungen mit der privaten Pflegeversicherung ergeht mangels formellen Verwaltungsverfahrens kein Widerspruchsbescheid.


a. Rechtsweg

Auch für Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet der privaten Pflegeversicherung ist das Sozialgericht zuständig.

Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden.

Entsprechend sind für Streitigkeiten betreffend den Kontrahierungszwang, das Bestehen bzw. Fortbestehen eines Pflegeversicherungsvertrags ebenso wie für Leistungsansprüche und die Geltendmachung von Beitragsansprüchen die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit begründet. Das Sozialgerichtsverfahren ist für Versicherte (auch für privat Pflegeversicherte) gerichtskostenfrei.

Liegt dem Verfahren kein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zu Grunde, für das die Sonderzuweisung des § 51 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffne, so handele es sich nicht um eine Angelegenheit der privaten Pflegeversicherung im Sinn des § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Von der Sonderzuweisung erfasst seien zwar auch Beitragsanpassungen der privaten Pflegepflichtversicherung, jedoch seien Streitigkeiten ausgenommen, die sich allein auf private Zusatzpflegeversicherungen beziehen.

Diese Zusatzversicherung schlossen die Beteiligten dann als autonome Vertragspartner ab. Die Klägerin unterlag insoweit keiner Verpflichtung zum Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung und die Beklagte keinem Kontrahierungszwang und keinen inhaltlichen Vorgaben nach den Bestimmungen der §§ 110, 23 SGB XI. Der Rechtsstreit betrifft mithin keine durch öffentlich-rechtliche Regelungen nach dem SGB XI geprägte Streitigkeit der privaten Pflegeversicherung, sondern eine privatrechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der privaten Pflegeversicherung, die nicht den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen ist (dann sind die Zivilgerichte zuständig).


b.Pflegegrad

Mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz wurden die bisherigen drei Pflegestufen sowie die zusätzliche Feststellung der eingeschränkten Alltagskompetenz durch fünf Pflegegrade ersetzt.

Pflegebedürftige, die bereits über eine Pflegestufe und/oder eine Feststellung der eingeschränkten Alltagskompetenz verfügten, werden nach einem festgelegten Schema in die neuen Pflegegrade überführt. Diese genießen insoweit Bestandsschutz, als dass sie ihren Pflegegrad behalten, und zwar auch dann, wenn die Anwendung der neuen Kriterien zu einem niedrigeren Pflegegrad führen würde. Nach § 141 Abs. 1 SGB XI besteht außerdem ein Bestandsschutz hinsichtlich der gewährten Leistungen: würde die Anwendung der neuen Regelungen zu einem geringeren Anspruch auf laufende Leistungen der Pflegeversicherung führen, bleibt der Anspruch in der bisherigen Höhe erhalten.

Die Kriterien für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit sind in § 14 SGB XI festgelegt. Pflegebedürftig ist, wer eine körperliche, geistige oder psychische Behinderung oder eine gesundheitliche Belastung nicht selbständig kompensieren kann. Die Pflegebedürftigkeit muss voraussichtlich auf Dauer, mindestens für sechs Monate, bestehen, und sie muss eine gewisse Schwere aufweisen, die in fünf Pflegegraden kategorisiert wird. Vom Pflegegrad ist abhängig, ob und in welchem Umfang der Pflegebedürftige Leistungen von der Pflegeversicherung beanspruchen kann.

Zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit werden die täglichen Verrichtungen in sechs Kategorien einsortiert, die – in unterschiedlicher Gewichtung – in die Pflegegrade einfließen. Es sind dies:

Mobilität (10 Prozent): die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung fortzubewegen, zu sitzen und im Bett zu liegen

Kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (15 Prozent): hierbei handelt es sich eigentlich um zwei getrennte Kategorien; es wird bei der Pflegebedürftigkeit nur die Kategorie mit der höheren Beeinträchtigung berücksichtigt.

Die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten umfassen das räumliche und zeitliche Orientierungsvermögen, das episodische und das semantische Gedächtnis, die exekutiven Funktionen, die Willens- und Entscheidungskraft, die Steuerungsfähigkeit, die Intelligenz und die kommunikativen Fähigkeiten.

Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, die für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit relevant sind, sind etwa motorische Störungen, Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus, aggressives Verhalten gegen sich oder andere, fehlende Krankheitseinsicht, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit sowie fehlende soziale Kompetenz.

Selbstversorgung (40 Prozent): hierunter fällt die eigene Körperpflege, das An- und Auskleiden, das Essen und Trinken sowie die Darm- und Blasenentleerung. Bei Säuglingen kann ein Bedarf nur dann bestehen, wenn diese einen außergewöhnlich hohen Aufwand bei der Nahrungsaufnahme benötigen.

Bewältigung krankheitsbedingter Anforderungen (20 Prozent): gemeint sind hier die selbständige Anwendung von Medikamenten, Cremes, Injektionen, Kathetern, Messgeräten und anderen Hilfsmitteln, ein notwendiger Verbandswechsel sowie die Wundversorgung, Arztbesuche und der Besuch anderer therapeutischer Einrichtungen sowie die Einhaltung einer krankheitsbedingten Diät.

Gestaltung des Alltagslebens (15 Prozent): hier geht es um die Aufrechterhaltung einer Tagesstruktur sowie regelmäßiger sozialer Kontakte.

Bei Kindern wird die Pflegebedürftigkeit ermittelt, indem der Entwicklungsstand mit gesunden Kindern gleichen Alters verglichen wird und entsprechende Defizite bei den obigen Kriterien berücksichtigt werden.

Die genauen Begutachtungsrichtlinien sind verbindlich in der Anlage 1 zum SGB XI festgelegt. Die Gewichtung der einzelnen Beeinträchtigungen innerhalb einer Kategorie ist verbindlich in der Anlage 2 zum SGB XI festgelegt. Besteht aufgrund der Krankheit eine Unfähigkeit zur selbständigen Haushaltsführung, ist diese zusätzlich erhöhend zu berücksichtigen.

Je nach Schwere der Pflegebedürftigkeit ergibt sich eine Aufteilung auf die einzelnen Pflegegrade nach § 15 SGB XI wie folgt:

    12,5 bis unter 27 Punkte: Pflegegrad 1

    27 bis unter 47,5 Punkte: Pflegegrad 2

    47,5 bis unter 70 Punkte: Pflegegrad 3

    70 bis unter 90 Punkte: Pflegegrad 4

    90 Punkte und mehr: Pflegegrad 5

Bei Pflegegrad 1 besteht eigentlich noch keine Pflegebedürftigkeit; entsprechend sind solche Personen nach § 28a SGB XI von den meisten Leistungen der Pflegeversicherung ausgeschlossen. Sie erhalten größtenteils nur Beratungsleistungen.

In besonderen Härtefällen kann der Pflegegrad 5 erteilt werden, auch wenn die Gesamtpunktanzahl die Grenze für den Pflegegrad 5 nicht erreicht.

Bei Kindern gibt es keinen Pflegegrad 1. Die Zählung fängt schon beim Pflegegrad 2 an.


5. Private Pflegezusatzversicherung

Im Rahmen der Privaten Pflegezusatzversicherung bleibt die Zuständigkeit bei den Zivilgerichten und wechselt nicht zu den Sozialgerichten.


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