Recht einfach: Wirksamkeit von Ausschlussfristen (BAG, Urteil vom 18.09.2018)

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In dieser Rubrik will ich Ihnen in unregelmäßigen Abständen die Rechtsprechung in den von mir bearbeiteten Rechtsmaterien näher bringen. Es kann sich dabei um aktuelle Entscheidungen der Gerichte ebenso handeln wie um Grundsatzurteile oder sonst länger zurückliegende Verfahren.

Gerichtsentscheidungen sind oftmals kompliziert, vielfach für den Laien unverständlich. Ich fasse den Sachverhalt und die Entscheidung zusammen und erläutere die Bedeutung für den Einzelnen. 

Diesmal will ich Ihnen eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) – Urteil vom 18. September 2018, Az.: 9 AZR 162/18 – vorstellen. Darin geht es um die Frage der Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist.

Zum besseren Verständnis:

Regelmäßig wird in Arbeitsverträgen eine sogenannte Ausschluss- oder Verfallklausel vereinbart. Solche Klauseln sehen vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die nicht rechtzeitig (meist innerhalb einer Frist von zwei oder drei Monaten) nach ihrem Entstehen schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden, insgesamt verfallen, also nicht mehr existieren. 

Regelmäßig wird eine zweistufige Klausel verfasst, das bedeutet, reagiert die andere Partei nicht oder verweigert sie die Erfüllung des Anspruchs, so muss der Anspruch binnen einer weiteren Frist (regelmäßig ebenfalls zwei oder drei Monate) gerichtlich geltend gemacht werden, anderenfalls verfällt er. 

Der Sachverhalt

Die Parteien stritten über die Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus dem Jahr 2016. 

Der klagende Arbeitnehmer (K) war seit September 2013 bei dem beklagten Unternehmen (B) beschäftigt. Dabei erhielt er zuletzt einen Lohn von 11,10 € brutto pro Stunde. 

In einem vorgelagerten Kündigungsrechtsstreit hatten die Parteien einen Vergleich geschlossen, in dem sich B unter anderem verpflichtete, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen. Lohnzahlungen sollten noch bis zum 15. September 2016 erfolgen.

Daraufhin erfolgte eine Lohnabrechnung, in der eine Abgeltung von Urlaubsansprüchen nicht vorgenommen wurde, abgerechnet wurde die Vergütung für 88 Stunden.

In dem hier entschiedenen Verfahren machte K die Abgeltung von 19 Urlaubstagen, die er nicht mehr habe nehmen können, geltend.

In dem von K vorgelegten Arbeitsvertrag findet sich folgende Klausel:

§ 11 Verfallfristen

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind. 

Der Verfahrensgang

Das Arbeitsgericht (erste Instanz) hatte dem Kläger Recht gegeben, das Landesarbeitsgericht (zweite Instanz) wies die Klage auf die Berufung des B hin ab, da die Ansprüche verfallen seien. Daraufhin legte K Revision beim BAG (dritte Instanz) ein.

Der rechtliche Kontext

Ganz offensichtlich und sicherlich auch für den Laien erkennbar geht es in dieser Entscheidung in erster Linie darum, ob die Verfallklausel wirksam ist, ob also die Ansprüche des K tatsächlich verfallen waren.

Dabei kann die Unwirksamkeit wegen eines Verstoßes gegen das Mindestlohngesetz (MiLoG) gegeben sein.

§ 3 MiLoG bestimmt insoweit:

„Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.“

Kurz zusammengefasst: Verfallklauseln können den Mindestlohnanspruch nicht erfassen.

Zu klären hatte das BAG daher, ob diese Regelung die Klausel möglicherweise insgesamt unwirksam macht, was nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), das auf Arbeitsverträge Anwendung finden kann, zumindest möglich ist.

Die Entscheidung

Das BAG entschied, dass B zur Zahlung der Urlaubsabgeltung verpflichtet ist, denn der Abgeltungsanspruch ist nicht verfallen.

Das BAG stellte fest, dass die Verfallklausel intransparent im Sinne des AGB-Rechts und damit insgesamt unwirksam ist, weil sie auch den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfasst (BAG, Urteil vom 18.09.2018, Az.: 9 AZR 162/18, Rn. 27). Die Klausel könne daher auch nicht teilweise aufrecht erhalten werden. 

Da der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ein reiner Geldanspruch sei könne er grundsätzlich einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist unterliegen (BAG, a. a. O., Rn. 28 m. w. N.).

Dass AGB-Recht anwendbar ist, ist für den Juristen offensichtlich, der Einfachheit halber verzichte ich auf weitere Ausführungen hierzu.

Da lediglich eine einheitliche Ausschlussfrist in dem Arbeitsvertrag enthalten ist, hat eine einheitliche Kontrolle der Klausel stattzufinden. Eine Teilbarkeit der Klausel in dem Sinne, dass ein wirksamer Teil aufrecht erhalten werden könnte, ist nicht gegeben.

Wie eingangs erwähnt sieht das BAG einen Verstoß gegen das Transparenzgebot. Danach muss der Verwender von AGB in seinen Klauseln die Rechte und Pflichten des Vertragspartners klar und verständlich darstellen (BAG, a. a. O., Rn. 35). Dem entspricht die Verfallklausel des streitgegenständlichen Arbeitsvertrages nicht, denn sie stellt die Rechtslage unzutreffend dar, indem sie vorspiegelt, auch die Ansprüche nach dem MiLoG seien erfasst. Dies stellt eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben (§ 242 BGB) dar.

Insoweit weist das BAG allerdings weiter darauf hin, dass stets auf die Rechtslage bei Vertragsschluss abzustellen ist. Spätere Änderungen der Rechtslage können die Wirksamkeit einer ursprünglich transparenten (und auch ansonsten wirksamen) Klausel nicht aufheben (BAG, a. a. O., Rn. 42).

Daher ist die Klausel unwirksam, der Vertrag im Übrigen bleibt allerdings wirksam, sodass die Urlaubsabgeltung verlangt werden konnte.

Konsequenzen der Entscheidung

Einmal mehr zeigt das BAG die Schwierigkeiten auf, die sich für den Verwender von AGB stellen, in diesem Fall konkret das Transparenzgebot.

Für Arbeitgeber bedeutet dies bei Arbeitsverträgen, die nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurden, dass eine Ausschlussklausel nur dann wirksam sein kann, wenn jedenfalls eine wirksame Ausnahme für Ansprüche auf den Mindestlohn enthalten ist.

Sollte eine solche Ausnahme nicht enthalten sein, so wird der Arbeitgeber sich kaum mit Erfolg auf die Ausschlussklausel berufen können.

Arbeitnehmer können in solchen Fällen möglicherweise Ansprüche noch geltend machen, die bei wirksamer Ausschlussklausel längst weggefallen wären. 

Es besteht also für beide Vertragsparteien guter Grund, sich die arbeitsvertraglichen Regelungen genau anzusehen beziehungsweise von einem Rechtsanwalt überprüfen zu lassen, bevor es zu unliebsamen Überraschungen kommt. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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