Rechtsfragen ehrenamtlicher Tätigkeit

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I. Ehrenamt und rechtsgeschäftliches Handeln

Die ehrenamtliche Tätigkeit steht im Spannungsfeld zwischen rechtlich unverbindlicher Mitarbeit und rechtsgeschäftlichem Handeln.


Wenn man als Mitglied eines Vereins am Vereinsleben teilnimmt, indem man beispielsweise bei der Organisation oder Durchführung eines Vereinsfestes mithilft, will man sich regelmäßig nicht rechtlich verpflichten. Man bezeichnet solche Tätigkeiten als Gefälligkeit. Wesentliches Merkmal ist nicht, dass man unentgeltlich, ohne Gegenleistung, tätig wird. Denn auch Rechtsgeschäfte können unentgeltlich sein, z.B. die Schenkung oder die Leihe. Entscheidendes Kriterium ist vielmehr der fehlende Rechtsbindungswillen.


Ehrenamtliches Engagement verdichtet sich zu rechtsgeschäftlichem Handeln, wenn erkennbar rechtliche Folgen an die Tätigkeit geknüpft werden sollen. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalles. Übernimmt man beispielsweise innerhalb eines Vereins ein Funktionsamt (z.B. Schatzmeister), bekommt man durch die Satzung des Vereins bestimmte Aufgaben übertragen. Dabei handelt es sich dann regelmäßig um ein Auftragsverhältnis nach § 670 BGB.


Noch weitergehend wäre dann ein gegenseitiges Vertragsverhältnis, welches dann allerdings nicht mehr als ehrenamtliches Engagement zu bezeichnen ist, sondern als

Erfüllung von Vertragspflichten, z.B. in einem Arbeits- oder Werkvertragsverhältnis.


II. Haftung im Ehrenamt

1. Grundlagen

Das Thema „Haftung“ lässt sich in drei Konstellationen gliedern:


1) Der ehrenamtlich tätigen Person entsteht selbst ein Schaden (z.B. Person

stürzt während ehrenamtlicher Tätigkeit und verletzt sich)


2) Der / die Ehrenamtler/in schädigt die Organisation, für die er / sie tätig ist,

während der ehrenamtlichen Tätigkeit.


3) Eine außenstehende Person wird in Zusammenhang mit einer ehrenamtlich

ausgeübten Tätigkeit geschädigt (z.B. Autounfall)

Bei Schäden an Rechtsgütern (= rechtlich geschützte Positionen wie Gesundheit, Eigentum, Freiheit oder „sonstiges Recht“, wie z.B. Persönlichkeitsrecht oder Mitgliedschaftsrecht) unterscheidet man die Gefährdungshaftung (Schaden entsteht ohne schuldhaftes Verhalten) und die Verschuldenshaftung (Schaden entsteht durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten).


Vorsatz heißt: Man schädigt jemanden absichtlich („Mir kommt es darauf an.“) oder

man rechnet mit einer Schädigung, handelt aber trotzdem („Mir ist es egal“). Fahrlässigkeit gliedert sich in „grobe Fahrlässigkeit“ (selbst naheliegende, jedem einleuchtende Überlegungen oder Verhaltensweisen werden missachtet: „Da muss man sich an den Kopf langen!“) und einfache Fahrlässigkeit (Versehen: „Das kann jedem mal passieren.“).


2. Gefährdungshaftung

Beispiel: Während einer Vereinsveranstaltung rutscht man ohne Fremdverschulden aus und verletzt sich schwer.


In solchen Fällen kommt ggf. die gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft) auf. Wer kraft Gesetzes (gleichsam automatisch) in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist, ist in § 2 Sozialgesetzbuch VII geregelt. Die sehr unübersichtlich formulierte Regelung umfasst insgesamt rund 20 Personengruppen, darunter auch zahlreiche ehrenamtliche Tätigkeiten, allerdings nicht alle. Darüber hinaus kann man die Aufnahme in die gesetzliche Unfallversicherung auch beantragen. Dies können nach § 6 Abs. 1 Satz 2 SGB VII insbesondere auch gemeinnützige Organisationen für ihre ehrenamtlich Tätigen tun, ohne Personennamen nennen zu müssen.


Die Unfallversicherung übernimmt Kosten für Krankenbehandlung und zahlt in bestimmten Fällen auch eine Unfallrente. Wenn eine gemeinnützige Organisation ihre Ehrenamtlichen darüber hinaus absichern will, kann sie auch eine private Unfallversicherung abschließen, die Lücken in der gesetzlichen Unfallversicherung schließt.


3. Verschuldenshaftung

Wenn eine Person geschädigt wird, kann sich ein Anspruch aus Schadensersatz aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis oder aus einem vertraglichen Schuldverhältnis ergeben. Bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit besteht vielfach kein Vertragsverhältnis, weder zwischen der Organisation (z.B. dem Verein) und der ehrenamtlich tätigen Person noch zwischen der Organisation und Dritten.


Ein gesetzliches Schuldverhältnis entsteht – wie der Name sagt – kraft Gesetzes.


Wenn z.B. zwei Fahrzeuge zusammenstoßen, hatten die beteiligten Personen vorher

meistens noch nie miteinander zu tun. Trotzdem sind sie aufgrund des Unfalls durch

ein Schuldverhältnis mit Rechten und Pflichten verbunden. Die wichtigste Rechtsvorschrift, aus der man bei einem gesetzlichen Schuldverhältnis einen Schadensersatzanspruch ableiten kann, ist § 823 BGB:


Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit

oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum

Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.


  1. Schaden bei der ehrenamtlich tätigen Person selbst oder beim Verein

Wenn jemand während seiner/ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit entweder von einem anderen Vereinsmitglied oder von einem Vereinsorgan (z.B. Vorstand) geschädigt wird, wird dieses Verhalten regelmäßig dem Verein als juristischer Person zugerechnet. Diese Zurechnung geschieht über § 31 BGB: Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.


Zwar scheint der Wortlaut des § 31 BGB nahezulegen, dass eine Zurechnung der Haftung an den Verein nur im Verhältnis zu Dritten, also zu Nichtvereinsmitgliedern, erfolgt. Anspruchsberechtigt sind demgemäß in jedem Fall außerhalb des Vereins stehende natürliche oder juristische Personen. Es ist jedoch anerkannt, dass auch ein Vereinsmitglied und sogar ein in einem mehrgliedrigen Vorstand geschädigtes Vorstandsmitglied Ansprüche nach § 31 BGB herleiten kann, wenn es selbst nicht an der schädigenden Handlung mitgewirkt hat.


Genauso wie eine ehrenamtlich tätige Person vom Verein Schadensersatz bei einem

schuldhaften Verhalten eines anderen Vereinsmitglieds oder Vereinsorgans verlangen

kann, kann der Verein seinerseits gemäß § 823 BGB von einem Mitglied Schadensersatz verlangen, wenn diese Person schuldhaft den Verein schädigt (Beispiel: Bei einem Vereinsfest verursacht ein Mitglied unvorsichtig einen Brand, wodurch das Vereinsheim beschädigt wird).


In diesem Fall kommt der schädigenden Person aber die Regelung des § 31a Abs.

1 bzw. § 31b Abs. 1 BGB zugute:


Nach diesen Vorschriften haften Vereinsorgane oder Vereinsmitglieder für Schäden,

die dem Verein selbst entstehen, nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit (s.o.).

Um das obige Beispiel aufzugreifen: Gießt das Vereinsmitglied buchstäblich Öl ins

Grillfeuer, könnte dies grob fahrlässig sein, so dass das Mitglied trotzdem haftet.


  1. Schaden bei einer außenstehenden Person

Wird eine dritte (außenstehende) Person während einer ehrenamtlichen Tätigkeit geschädigt, hat die geschädigte Person grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch gegen den Verein, aber auch gegen die handelnde (natürliche) Person. Der Verein und der Schädiger / die Schädigerin haften dem Dritten als sogenannte Gesamtschuldner.


Das bedeutet, dass die geschädigte Person von beiden Schadensersatz fordern kann. Die geschädigte Person kann sich heraussuchen, von welchem Schädiger sie den vollen Schadenersatz verlangen kann. Nach der gesetzlichen Grundregel des § 426 BGB tragen die schädigenden Personen (hier: Verein und Vereinsmitglied) im Innenverhältnis zu gleichen Teilen.


Für ehrenamtlich tätige Personen sieht das Gesetz aber wiederum eine Haftungserleichterung vor. Der Absatz 2 des § 31a BGB bzw. § 31b BGB regelt, dass die ehrenamtlich (als Vereinsorgan oder als Mitglied) handelnde Person von dem Verein

verlangen kann, dass der Verein auch im Innenverhältnis die alleinige Verantwortung

übernimmt, die ehrenamtlich tätige Person also gegenüber Forderungen Dritter „freistellt“. Diese Haftungsfreistellung gilt aber ebenfalls nur dann, wenn die Person mit einfacher Fahrlässigkeit handelt (d.h. nicht bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit).



Neumarkt, im Januar 2024


Dr. Bernd Söhnlein

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht


Ringstr. 7

92318 Neumarkt i.d.OPf.

Tel.:   09181 / 51 00 39

Fax:   09181 / 51 03 79

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