Rechtsprechung zum strafrechtlichen Wiederaufnahmeverfahren

  • 2 Minuten Lesezeit

Mit dem Wiederaufnahmeverfahren kann ein eigentlich schon abgeschlossener Strafprozess korrigiert werden. Stellt sich die Gerichtsentscheidung nachträglich als falsch heraus, kann unter gewissen – sehr engen – Voraussetzungen ein neues Verfahren durchgeführt werden. Dieser Artikel fasst die Kernaussagen einiger bedeutsamer Urteile zusammen.


OLG Frankfurt a.M., 1 Ws 21/22

Thema: Wiederaufnahme wegen EMRK-Verletzung

Aussage: Nach einer erfolgreichen Menschenrechtsbeschwerde muss dargelegt werden, wie sich die festgestellte Verletzung der EMRK auf das Urteil ausgewirkt hat, also wie dieses ansonsten anders ausgefallen wäre.


BVerfG, 2 BvR 2136/17

Thema: Bedeutung einer gütlichen Einigung vor dem EGMR

Aussage: Haben sich der Verurteilte und die Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf einen Vergleich geeinigt, ist dies nicht gleichwertig zu einem Urteil, das eine EMRK-Verletzung feststellt. Eine Wiederaufnahme ist damit nicht verpflichtend durchzuführen.


OLG Nürnberg, Ws 159/21 WA

Thema: Pflichtverteidigung im Wiederaufnahmeverfahren

Aussage: Bei einem offensichtlich aussichtslosen Wiederaufnahmeantrag besteht kein Anspruch auf Bestellung eines Pflichtverteidigers.

Thema: Gehörsverletzung

Aussage: Über eine Verletzung des rechtlichen Gehörs muss das Ausgangsgericht entscheiden, nicht das Wiederaufnahmegericht. Eine angebliche Gehörsverletzung ist also kein Wiederaufnahmegrund.


OLG Koblenz, 1 Ws 759/04

Thema: Geänderte Aussage eines Zeugen

Aussage: Will ein Zeuge nach Abschluss des Verfahrens seine Aussage ändern, so kann dies ein neues Beweismittel für eine Wiederaufnahme sein. Das Wiederaufnahmegericht kann die Beweiskraft der Aussage kritisch prüfen, es darf aber nicht von vornherein und ohne Vernehmung des Zeugen unterstellen, er sei nicht glaubwürdig.


OLG Koblenz, 1 Ws 231/05

Thema: Eignung von Zeugenaussagen

Aussage: Sagen Zeugen im Wiederaufnahmeverfahren zugunsten des Verurteilten aus, ist anzunehmen, dass sie auch in der Hauptverhandlung für ihn aussagen werden. Dann ist wahrscheinlich, dass die neue Verhandlung zu einem günstigeren Ergebnis führen wird, der Wiederaufnahmeantrag ist also erfolgreich. Gibt es einen Widerspruch zwischen den Aussage der „alten“ und der „neuen“ Zeugen, so muss das in der neuen Hauptverhandlung geklärt werden.


BVerfG, 2 BvR 123/06, 2 BvR 429/06, 2 BvR 430/06

Thema: Relevanz von Tatsachenfehlern

Aussage: Drängen sich aus den Akten des Verfahrens Fehler bei der Tatsachenfeststllung auf, so sind sie diese im Wiederaufnahmeverfahren zu beachten, auch wenn sie nicht „neu“ im eigentlichen Sinne sind.


OLG Hamm, 4 Ss 65/04

Thema: Relevanz einer Rechtshandlung

Aussage: Eine Rechtshandlung in einem anderen Verfahren (hier: Vaterschaftsanfechtung) kann eine neue Tatsache und damit einen Wiederaufnahmegrund darstellen.


LG Landau, 3 Ns 7603 Js 5059/16

Thema: Anforderungen an die Begründung des Wiederaufnahmeantrages

Aussage: Die neuen Tatsachen, die in der Antragsbegründung genannt werden, müssen zu unauflösbaren Widersprüchen mit dem Urteil führen. Ansonsten ist der Antrag unzulässig.


OLG Oldenburg, 1 Ws 240/20

Thema: Benutzung schon bekannter Beweismittel

Aussage: Der Wiederaufnahmeantrag kann auch auf Beweismittel gestützt werden, die zwar dem Verurteilten während des Prozesses bekannt waren, nicht aber dem Gericht. Dann müssen aber nachvollziehbare Gründe angegeben werden, warum man die Beweise nicht schon im Verfahren vorgelegt hat.

Thema: Widerspruch zur Einlassung im Verfahren

Aussage: Behauptet der Verurteilte im Wiederaufnahmeantrag etwas anderes als in seiner Einlassung vor Gericht, muss er den Widerspruch erklären. Ansonsten ist die Wiederaufnahme unzulässig.


Mehr Informationen:



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Thomas Hummel

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten