Zehn Fakten über Menschenrechtsbeschwerden

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Menschenrechtsbeschwerden sind der „große europäische Bruder“ der Verfassungsbeschwerde nach deutschem Recht. Sie sind außerhalb der juristischen Fachdiskussion viel weniger bekannt als die Verfassungsbeschwerden. Nur ab und zu hört man von Urteilen über Menschenrechtsbeschwerden. Dabei bleibt aber oft unklar, ob es sich wirklich um eine Entscheidung nach der EMRK (dazu sogleich) handelt oder ob nicht ein anderes Gericht geurteilt hat.

Einige wissenswerte Tatsachen zu diesem Rechtsbereich möchten wir daher auf diese Weise aufbereiten und Ihnen zumindest einen groben Überblick geben.

1. Menschenrechtsbeschwerden haben viele Namen

Wir verwenden grundsätzlich den Begriff der Menschenrechtsbeschwerde. Dieser ist in der Fachwelt am weitesten verbreitet und trifft die Natur des Verfahrens am besten.

Daneben gibt es aber auch noch den Namen „EMRK-Beschwerde“, weil die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) die entscheidende Rechtsnorm ist. Weil aber das zuständige Gericht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist, spricht man teilweise auch von der EGMR-Beschwerde.

Die EMRK selbst nennt diese Verfahrensart übrigens „Individualrechtsbeschwerde“, weil ein einzelner Mensch, also ein Individuum klagt. Den Gegensatz bildet die Staatenbeschwerde, bei denen die Staaten gegeneinander klagen.

2. EMRK und EGMR haben mit der EU nichts zu tun

Wir sind es mittlerweile gewohnt, dass die sog. Europäische Union so tut, als wäre sie mit Europa identisch. Das ist natürlich falsch, da zahlreiche europäische Staaten nicht Mitglied der EU sind.

Auch die Europäische Menschenrechtskonvention ist keine Rechtsnorm der EU, sondern eine völkerrechtliche Vereinbarung zwischen den Staaten, die sie ratifiziert haben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht ist daher auch etwas völlig anderes als der Europäische Gerichtshof.

3. EMRK und EGMR sind faktisch mit dem Europarat verknüpft

Der Europarat ist eine europäische Organisation, die für den Zusammenhalt zwischen den Staaten Europas sorgen und die Zusammenarbeit in wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht intensivieren soll. Eine besondere Rolle spielt dabei die Bewahrung von Demokratie und Menschenrechten. Der Europarat ist dabei strikt von der EU getrennt.

Da einerseits nur Mitglieder des Europarats (der auch nichts mit der EU zu tun hat) die EMRK unterzeichnen können, andererseits aber auch für den Beitritt zum Europarat zumindest das (noch nicht bindende) Bekenntnis zur EMRK notwendig ist, sind die Mitgliedsstaaten des Europarats auch die Unterzeichner der EMRK.

4. Die Menschenrechte stehen nicht nur in der EMRK

Die Artikel 2 bis 12 der EMRK beinhalten verschiedene Menschenrechte. Neben der Konvention selbst gibt es aber noch weitere Dokumente, die Rechte enthalten. Diese befinden sich allerdings in den Zusatzprotokollen, die die Vertragsstaaten erst nachträglich abgeschlossen haben.

Insbesondere die Zusatzprotokolle Nr. 1, 4 und 7 enthalten verschiedene bedeutende Menschenrechte. Einzelregelungen bzw. Präzisierungen finden sich außerdem im 6., 12. und 13. EMRK-Zusatzprotokoll.

5. Eine Menschenrechtsbeschwerde darf nur auf einem bestimmten Formular eingereicht werden

Während praktisch jede Klage auf nationaler Ebene bis hin zur Verfassungsbeschwerde durch einen frei formulierten Schriftsatz eingeleitet werden kann, muss die Beschwerde zum EGMR mit einem ganz bestimmten Formular erhoben werden. Dieses ist auf den Internetseiten des Gerichtshofs in allen zugelassenen Sprachen erhältlich.

Wird das Formular nicht oder in einer falschen Version benutzt, ist die Beschwerde unzulässig wird nicht zur Entscheidung angenommen.

6. Das Bundesjustizministerium hat lange das falsche Formular angeboten

Das gerade genannte Beschwerdeformular wurde zum 01.01.2016 überarbeitet. Ab diesem Zeitpunkt musste das neue Formular verwendet worden, ansonsten war die EMRK-Beschwerde unzulässig.

Trotzdem hat das deutsche Justizministerium jedenfalls bis Mitte 2016 noch das alte Formular auf seinen Internetseiten angeboten. Ob dies dazu geführt hat, dass Beschwerden von Bundesbürgern zurückgewiesen wurden, ist bislang nicht bekannt.

7. Die Menschrechtsbeschwerde ist erst die allerletzte Möglichkeit

Die Verfassungsbeschwerde auf Landes- oder Bundesebene steht erst zur Verfügung, wenn der ordentliche Rechtsweg bis zum letzten Ende beschritten wurde. Man muss also zunächst vor den „normalen“ Fachgerichten sein Recht erkämpfen. Die Menschenrechtsbeschwerde kennt dieses Prinzip ebenfalls. Sie steht demgegenüber aber erst am allerletzten Ende des Rechtswegs. Regelmäßig muss man auch die Verfassungsbeschwerde zunächst einlegen, erst danach ist die Menschenrechtsbeschwerde eröffnet.

8. Die Beschwerdefrist ist ziemlich großzügig

Die Verfassungsbeschwerde nach Bundesrecht muss innerhalb eines Monats nach der letzten gerichtlichen Entscheidung eingelegt werden. Die bayerische Verfassungsbeschwerde sieht demgegenüber immerhin zwei Monate Frist vor.

Die EMRK-Beschwerde kann aber immerhin ein halbes Jahr lang erhoben werden. Damit steht mehr als ausreichend Zeit zur Verfügung, um die Argumente entsprechend aufzubereiten.

Achtung: Das 15. Zusatzprotokoll aus dem Jahr 2013 sieht eine Verkürzung der Frist auf vier Monate vor. Dieses ist nur aktuell (2019) noch nicht in Kraft getreten, da es nicht alle Vertragsstaaten ratifiziert haben.

9. Fasse dich kurz

Auf den zu verwendenden Formularen ist naturgemäß nur ein gewisser Platz für die Beschwerdebegründung vorhanden. Für die Darstellung des Sachverhalts sind drei Seiten mit jeweils ca. 55 Zeilen vorgesehen. Die Begründung muss auf zwei Seiten geschehen, wobei durch die Formatierung ca. ein Drittel der Seite nicht wirklich beschrieben werden kann.

Die Beifügung zusätzlicher Blätter ist nicht vorgesehen. Auf den Seiten findet sich der Zusatz „Beschränken Sie Ihre Angaben auf den für diesen Abschnitt vorgesehenen Platz“.

10. Die Beschwerde muss im Original eingereicht werden

Bei der Verfassungsbeschwerde ist die Einreichung per Fax mittlerweile die Regel. Der EGMR akzeptiert aber kein Fax als ausreichende Beschwerdeschrift. Vielmehr muss die Beschwerde innerhalb der Frist im Original vorliegen, also in der Regel per Post geschickt werden.

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