Rechtsschutzversicherung: BGH-Urteil erhöhte die Anforderungen an Versicherten

  • 3 Minuten Lesezeit

Ist der Anspruch aus dem ursprünglichen schuldrechtlichen Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner rechtsschutzversichert, ist vom Versicherungsschutz grundsätzlich auch die Durchsetzung der Forderung gegenüber dem Drittschuldner erfasst.

Das BGH-Urteil vom 5. November 2014, IV ZR 22/13, zum Rechtsschutzfall erhöhte die Anforderungen an den Rechtsschutzfall. Es heißt dort einschränkend:

Der Gesetzes- oder Pflichtenverstoß eines Dritten, mag er auch die spätere Rechtsverfolgung des Versicherungsnehmers adäquat-kausal begründen, kann nur dann den Rechtsschutzfall auslösen und zeitlich festlegen, wenn bereits ein gesetzliches oder vertragliches Schuldverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Gegner ansteht.“

Das die Kostendeckung ablehnende BGH-Urteil vom 5. November 2014, IV ZR 22/13, behandelte die Frage des Deckungsschutzes durch eine Rechtsschutzversicherung für den Fall, dass aus einem Titel aus einem Haftungsprozess gegen den Schuldner in einem (nachfolgenden) Deckungsprozess durch den Gläubiger des Schuldners gegen die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung (Drittschuldnerin) des Schuldners vorgegangen werden soll. Die ungünstige Besonderheit hier: Der Rechtsschutzversicherungsvertrag war leider vor Erlangung des Urteils aus dem Haftpflichtprozess gegen den Schuldner beendet gewesen.

Drittschuldnerklage: Neue Angelegenheit

In dem BGH-Urteil vom 5. November 2014, IV ZR 22/13, wurde in dem Vorgehen gegen die Drittschuldnerin eine neue Angelegenheit gesehen, die durch die abgelaufene Rechtsschutzversicherung nicht mehr versichert gewesen sein sollte. Denn der Rechtsschutzversicherungsvertrag war hier bereits beendet gewesen. In dem BGH-Urteil vom 05. November 2014, IV ZR 22/13, heißt es dazu: „Der erste von den Klägern behauptete Verstoß gegen Pflichten aus diesem Schuldverhältnis liegt in der im Jahre 2010 erklärten Weigerung des Berufshaftpflichtversicherers, Deckung zu gewähren. Der Rechtsschutzfall ist damit in nicht mehr versicherter Zeit eingetreten.“

Die beiden Vorinstanzen hatten der Klage noch stattgegeben.

Verletzung der Regulierungspflicht: Rechtsschutzfall?

Eine Sachlage gemäß dem BGH-Urteil vom 5. November 2014, IV ZR 22/13, könnte selten bleiben. Die Verletzung der Regulierungspflicht des Haftpflichtversicherers in einem frühen Stadium müsste nach diesem einschränkenden Urteil neuerdings eine vertragliche oder gesetzliche Beziehung zum Geschädigten voraussetzen. Bei der Kfz-Haftpflichtversicherung wäre sie wegen des Direktanspruches vorhanden, bei einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung nicht.

Feststellungsanspruch: Auf frühes Rechtsverhältnis verlegbar

Hier könnte der Feststellungsanspruch des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer gemäß dem BGH-Urteil vom 15. 11. 2000 – IV ZR 223/99; OLG München; LG München I (lexetius.com/2000,2528) helfen. Dieses Feststellungsrecht begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis gegenüber dem Haftpflichtversicherer.

In dem BGH-Urteil vom 15. 11. 2000 – IV ZR 223/99; OLG München; LG München I (lexetius.com/2000,2528) wurde zum Feststellungsinteresse des Geschädigten – zum VVG bis zum 01.01.2008 – ausgeführt:

„Zu einem vorweggenommenen Deckungsprozess kommt es häufig dann, wenn der Versicherer aus versicherungsrechtlichen Gründen die Leistung verweigert und eine Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VVG setzt, aber auch dann, wenn der Streit zwischen allen drei Beteiligten (Versicherungsnehmer, Versicherer, Haftpflichtgläubiger) im Wesentlichen um Fragen der Deckungspflicht geht oder wenn – wie hier – der Versicherungsnehmer selbst zur Erfüllung des Haftpflichtanspruchs nicht in der Lage ist“, in diesem Sinne auch OLG Celle im Urteil vom 5. Juli 2012, Az. 8 U 28/12, Urteil LG Hannover vom 8. März 2012, 8O 85/10 und Landgericht München, Urteil vom 1.8.2012 - 25 O27028/11.

Der Rechtsschutzfall noch während des Versicherungszeitraumes mit den günstigen Klauseln kann sich also aus der Verbindung des Verstoßes des Haftpflichtversicherers gegen die Regulierungspflicht mit dem Feststellungsinteresse des Geschädigten ergeben. Es käme dann eine Kostendeckung in Betracht, die den Anforderungen des neuerdings einschränkenden BGH-Urteils vom 5. November 2014, IV ZR 22/13, noch genügte.

Wissentlicher Verstoß bei Bindung an Vorprozess

Die Kardinalfrage im Deckungsprozess besteht in dem Problem des angeblich wissentlichen Verstoßes. In tatsächlicher Hinsicht sind die Ergebnisse des Haftpflichtprozesses für den Deckungsprozess verbindlich. Die Frage der Wissentlichkeit eines Verstoßes kann aber wohl noch im Deckungsprozess geprüft werden. Die Beweis- und Darlegungslast liegt grundsätzlich beim Versicherer. Die sekundäre Darlegungslast trägt der Kläger. Ist beispielsweise im Haftpflichtprozess Fahrlässigkeit festgestellt worden, kann im Deckungsprozess noch die Frage der Wissentlichkeit geprüft werden.

Wichtige BGH-Entscheidungen zum Deckungsprozess

Zur Bindungswirkung des Haftpflichturteils für den Deckungsprozess ist das BGH-Urteil vom 18.02.2004 – IV ZR 125/02 – maßgeblich, ebenso das BGH-Urteil vom 28. 9. 2005 – IV ZR 255/04. Der BGH-Beschluss IV ZR 322/14 vom 27. Mai 2015 ist von Bedeutung für die Prüfung der Wissentlichkeit der Pflichtverletzung. Aus den obigen Entscheidungen dürfte der Schluss zu ziehen sein: Die Frage der Wissentlichkeit im Deckungsprozess wird auf die im Haftpflichtprozess festgestellte maßgebliche Pflichtverletzung beschränkt.

Im Übrigen: Bei der Wissentlichkeit kommt es auf die inneren Tatsachen an, sofern keine Kardinalpflichten verletzt worden sind. Bei der Wissentlichkeit wird der dolus directus 1. Grades gefordert, um die Haftung ausschließen zu können. In Haftpflichtfällen liegt die Verschuldensform des dolus directus 1.Grades häufig nicht vor.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Wilhelm Segelken

Beiträge zum Thema