Reicht ein gehauchtes „Ja“ eine halbe Stunde vor dem Tod bei einem notariellen Testament aus?

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OLG Hamm, Beschluss vom 15. November 2019 – I-10 W 143/17

Sachverhalt

Die Erblasserin war die Mutter der beiden Beteiligten. Nach einem Krankenhausaufenthalt hatte sich ihr körperlicher und geistiger Zustand in einer Pflegeeinrichtung weiter verschlechtert, sodass sie den Wunsch zu sterben äußerte. Der Beschwerdegegner (Sohn S) organisierte daraufhin den Besuch eines Pastors als Seelsorger, des Hausarztes und des Notars N für den 02.02.2015.

Der Hausarzt verschrieb ihr bei einem Hausbesuch ein morphiumhaltiges Medikament. Beim anschließenden Besuch des Pastors war der Antragsteller zugegen. Kurz vor 17 Uhr verließ der Antragsteller den Raum, der Beschwerdegegner kehrte zurück, und der von ihm kontaktierte Notar N erschien.

Das zu beurkundende, aus zwei Sätzen bestehende Testament setzte Sohn S als Alleinerben ein.

Nach dem Vorlesen des Entwurfes stellte der Notar N fest, dass die Erblasserin ihre Unterschrift nicht mehr selbst leisten konnte, woraufhin der Notar N den Notar H hinzuzog.

Es war streitig, ob das Testament in Anwesenheit des zweiten Notars erneut vorgelesen wurde. Die Erblasserin hat auf die Frage, ob das Testament ihrem letzten Willen entspreche, mit einem gehauchten „Ja“ geantwortet. Eine halbe Stunde nach dem Eintreffen des zweiten Notars verstarb die Erblasserin.

Der enterbte Sohn B (Beschwerdeführer) beantragte die Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge, da er das Testament für unwirksam hielt. Die Erblasserin sei nicht mehr testierfähig gewesen, ein gehauchtes „Ja“ reiche nicht für die Wirksamkeit aus und der Inhalt des Testaments sei nicht mit der Erblasserin erörtert worden.

Testierunfähigkeit

Jemand ist nach § 2229 Abs. IV BGB testierunfähig, wenn er nicht mehr versteht, was er durch sein Testament anordnet und er nicht fähig ist, sich ein von krankhaften Eindrücken und Einflüssen Dritter unbeeinflusstes Urteil zu bilden und danach zu handeln.

Der einzige Beteiligte, der zunächst Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin hatte, war der Hausarzt. Der ging allerdings fälschlicherweise davon aus, dass sie die verschriebenen Medikamente eingenommen hatte. Zudem stützte er sich auch allgemeine Annahmen.

Das Gericht muss, bis es völlig vom Gegenteil überzeugt ist, von der Testierfähigkeit des Erblassers ausgehen. Der Beschwerdeführer hätte dem Gericht Indizien für die Testierunfähigkeit vortragen müssen. Da dieser nicht ausreichend viele Anknüpfungstatsachen vorgebracht hat, hat das Gericht festgestellt, dass auch ein Sachverständiger auf dieser Grundlage keine sicheren Rückschlüsse auf eine Testierunfähigkeit der Erblasserin treffen könnte. Folglich musste im vorliegenden Fall ausnahmsweise kein Sachverständigengutachten eingeholt werden.

Anforderungen an eine mündliche Erklärung gegenüber einem Notar

Bei der Erklärung gegenüber dem Notar muss der Erblasser nur auf irgendeine Weise seinen letzten Willen erkennen lassen. Dazu müssen nicht einmal Worte verwendet werden. Auch Gesten und Gebärden reichen aus. Laute dürften allerdings nicht allgemein verständlich sein, schließlich muss der Notar den Bezug der Aussage zum Testament erkennen können.

Auch mit einem „gehauchten Ja“, wie im vorliegenden Fall, ist für den Notar die Zustimmung zum vorher verlesenen Text eindeutig erkennbar.

Fehlendes Verlesen in Anwesenheit des zweiten Notars

Die These, dass das Testament in Anwesenheit des zweiten Notars entgegen § 25 S. 1 BeurkG nicht noch einmal vorgelesen wurde, konnte nicht ausreichend glaubwürdig gemacht werden.

Veranlassung des Testaments durch den Erben ist bei notariellem (öffentlichen) Testament unschädlich

Zudem stellte das Gericht fest, dass es beim notariellen Testament nicht zur Unwirksamkeit führt, wenn der vorgesehene Erbe die Erstellung des Testaments maßgeblich initiiert hat. Das liegt daran, dass der hinzugezogene Notar gesetzlich verpflichtet ist (§ 17 BeurkG), den Willen des Testierenden zu erforschen. Der Notar muss überprüfen, dass der dem Notar vom späteren Erben zugetragene Wille dem wirklichen Willen des Testierenden entspricht.

Beschwerde des enterbten Sohnes wurde zurückgewiesen

Da das kurz vor dem Tod der Mutter errichtete Testament wirksam ist, ist die Beschwerde des Sohnes B zurückgewiesen worden. B erhält lediglich den Pflichtteil.

Was sollen Sie tun, wenn kurz vor dem Tod ein Testament errichtet worden ist?

Da häufig in diesen Fällen Anlass zur Annahme besteht, dass die Testtierfähigkeit des Erblassers nicht mehr gegeben war, sollten Sie sich in jedem Fall anwaltlich erstberaten lassen, insbesondere dann, wenn – wie in vielen Fällen bei einem Testament kurz vor dem Tod – kein notarielles Testament im konkreten Fall vorliegt. Möglicherweise kommt auch ein Vergleich mit der Gegenseite in Betracht.

Durch frühzeitige anwaltliche Erstberatung kann häufig ein langwieriger und teurer Prozess für die Mandanten vermieden werden. In dieser konkreten Fallkonstellation wird häufig die anwaltliche Vergütung für die Erstberatung hier in der Kanzlei erlassen.

Foto(s): Kanzlei Fathieh

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