Restwertangebot des Versicherers bei Weiternutzung eines Fahrzeugs mit wirtschaftlichem Totalschaden

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Ein Auto zu Schrott zu fahren ist relativ einfach. Es gelingt täglich Tausenden von Menschen. Die Feststellung des Fahrzeugschadens nach einem Verkehrsunfall ist eine Wissenschaft für sich und daher ziemlich schwierig.

Beim sog. „wirtschaftlichen Totalschaden“ lohnt die Reparatur des verunfallten Fahrzeugs aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr. Es wäre nämlich billiger, statt zu reparieren, ein vergleichbares Ersatzfahrzeug (hins. Fabrikat, Typ, Ausstattung, Laufleistung usw.) anzuschaffen.

Ob eine Reparatur noch lohnt oder ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt, wird durch den Sachverständigen im Rahmen eines Schadensgutachtens ermittelt. Insbesondere bei älteren Fahrzeugen kommt es schnell zum wirtschaftlichen Totalschaden.

Ein Beispiel

Die Reparatur kostet 8.000 Euro.

Ein vergleichbares Ersatzfahrzeug kostet auf dem Gebrauchtwagenmarkt 5.000 Euro. Das Unfallfahrzeug hat noch einen Schrottwert (sog. „Restwert“) von 500 Euro.

Hier wird Ihnen kein Versicherer 8.000 Euro für eine Reparatur zahlen. Der Versicherer wird Ihnen vielmehr maximal 4.500 Euro überweisen, nämlich den Preis für ein Ersatzfahrzeug abzüglich des Restwerts, den Ihr Unfallauto noch darstellt.

Maximal deswegen, weil die Versicherer häufig eigene Restwertangebote machen, die über den vom Sachverständigen ermittelten Restwerten liegen.

Beispiel

Ein vergleichbares Ersatzfahrzeug kostet auf dem Gebrauchtwagenmarkt 5.000 Euro. Laut Gutachten beträgt der Restwert 500 Euro. Der gegnerische Haftpflichtversicherer findet aber einen Aufkäufer, der für Ihr Unfallfahrzeug noch 1.000 Euro zahlt. Hier wird der Versicherer versuchen, einen Restwert von 1.000 Euro anzusetzen und Ihnen nur 4.000 Euro überweisen. Die Frage ist: Zu Recht?

Zu dieser Thematik gibt es gerade auch in Internetforen viele Gerüchte. Manche meinen, man muss immer annehmen was der Versicherer vorgibt, andere gehen davon aus, die Kalkulation des Sachverständigen sei stets bindend. Die Wahrheit liegt in der Mitte: Es kommt immer drauf an!

Hinzuweisen ist auf eine aktuelle Entscheidung des OLG München (Urteil vom 09.09.2016, Az.: 10 U 1073/16). In dem vom dortigen Senat entschiedenen Fall hatte das Klägerfahrzeug einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten und der Versicherer hatte aufgrund eines entsprechenden Restwertangebots eines Aufkäufers einen höheren Restwert abgezogen als im Gutachten kalkuliert war.

Die Besonderheit des Falles bestand darin, dass der Kläger das Fahrzeug trotz des wirtschaftlichen Totalschadens weiternutzen wollte – technisch ist das ja durchaus möglich, wenn das Fahrzeug fahrtauglich und verkehrssicher ist – und somit den höheren Restwert, den der Aufkäufer angeboten hatte, gar nicht realisieren konnte, weil er ja gar nicht verkaufen wollte – was sein gutes Recht ist.

In so einem Fall ist immer der vom Gutachter kalkulierte Restwert maßgeblich und nicht ein etwa höheres Restwertangebot des Versicherers.

Das OLG München beruft sich hier auf die ständige Rechtsprechung des BGH, der bereits 2007 (Urteil v. 06.03.2007, Az.: VI ZR 120/06) entschieden hat:

„Benutzt der Geschädigte im Totalschadenfall sein unfallbeschädigtes, aber fahrtaugliches und verkehrssicheres Fahrzeug weiter, ist bei der Abrechnung nach den fiktiven Wiederbeschaffungskosten in der Regel der in einem Sachverständigengutachten für den regionalen Markt ermittelte Restwert in Abzug zu bringen.“

Daran sieht man, dass es immer auf den Einzelfall ankommt. Man darf sich insbesondere von „Regulierungsentscheidungen“ der Versicherer nicht vorschnell beeindrucken lassen und sollte diese immer durch einen Anwalt kontrollieren lassen, wenn sich Zweifel an deren Rechtmäßigkeit auftun – oder lieber gleich die Schadensregulierung von Anfang an vom Anwalt durchführen lassen, den auch diesen muss der gegnerische Haftpflichtversicherer im Falle eines nicht verschuldeten Unfalls bezahlen.

Gruß aus Gelsenkirchen

Daniel Siegl – Anwalt im Ruhrpott


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