Revision zur Pflichtverteidigerbestellung in Wirtschaftsstrafsachen

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Das Kammergericht Berlin stellte mit seinem Beschluss vom 09.02.2016 (Az. (4) 121 Ss 231/15 (5/16)) fest, dass Fälle wo die Frage maßgeblich ist, ob die Unmöglichkeit der Pflichterfüllung zu Bilanzerstellung die Strafbarkeit nach §§ 283 I Nr.7b, 283b I Nr. 3b StGB entfallen lässt, die Erforderlichkeit eines Pflichtverteidigers begründet.

Der in diesem Fall Revisionsführende wurde am 22.07.2014 vom Amtsgericht Tiergarten wegen Insolvenzverschleppung, Verletzung der Buchführungspflicht und Bankrotts verurteilt.

Die damals dagegen eingelegte Berufung wurde vom Landgericht Berlin allerdings verworfen.

Nun trägt er in der Revision die Verfahrensrüge vor, die Berufungsverhandlung habe in Abwesenheit des Verteidigers stattgefunden.

Fraglich war daher, ob dessen Anwesenheit nach § 338 Nr.5 StPO erforderlich gewesen wäre.

Hierfür musste die Rechtslage eine Schwierigkeit aufweisen, welche die Mittwirkung eines Verteidigers notwendig machen würde.

Eine solche Schwierigkeit besteht insbesondere dann, wenn nicht abschließend geklärte Rechtsfragen aus Bereichen außerhalb des Kernstrafrechts entscheidungserheblich sind oder wenn die Subsumtion im Einzelfall problematisch ist.

Eine solche Problematik könnte im vorliegenden Fall dadurch gegeben sein, dass Unklarheit hinsichtlich des Vorliegens von Unmöglichkeit der Handlungspflichterfüllung besteht.

Die hier maßgeblichen Normen des Bankrotts nach § 283 I Nr.7b StGB und der Verletzung der Buchführungspflicht gemäß § 283b Abs.1 Nr. 3b StGB sind echte Unterlassungsdelikte. Eine Strafbarkeit würde daher bei einer rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglichkeit der Bilanzerstellung entfallen.

Nach bisheriger Rechtsprechung ist so eine tatsächliche Unmöglichkeit gegeben, wenn der Pflichtige zur Erstellung der Bilanz sich der Hilfe eines Steuerberaters bedienen muss, die hierfür erforderlichen Mittel jedoch nicht aufbringen kann.

Eine seit neustem vordringende Meinung vertritt hingegen die Ansicht die Unmöglichkeitsberufung zu versagen und stattdessen einen Rückgriff auf die Rechtsfigur der omission libera in causa in Betracht zu ziehen.

Demnach soll ein Unternehmensgeschäftsführer dazu verpflichtet werden, eine rechtzeitige Vorsorge zu treffen, welche das Führen der Bücher und die Erstellung von Bilanzen gerade auch in einer Krise, bei der einer solche ordnungsgemäße Führung eine besondere Bedeutung zukommt, gewährleistet. Damit soll die vorsätzliche Umgehung der Strafbarkeit nach §§ 283 I Nr.7b, 283b Abs.1 Nr. 3b StGB verhindert werden.

Der BGH hat sich noch nicht hinsichtlich einer dieser Meinungen festgelegt, so dass eine abschließende Klärung dieser Frage nicht möglich ist.

Dies führt wiederrum zu einer schwierigen Rechtslage, welche die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 338 Nr. 5 StPO begründen würde.

Im Ergebnis ist der Revision daher stattzugeben. Die Berufungshauptverhandlung verlief durch das Fehlen eines Verteidigers daher rechtswidrig.


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