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Rückwirkende Betriebsprüfung der Rentenversicherung: Ab wann besteht Vertrauensschutz?

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Die Prüfdienste der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern mindestens alle vier Jahre die Einhaltung der Melde- und sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Zumeist enden diese Prüfungen ohne allzu große Beanstandungen oder nur mit verhältnismäßig kleinen Nachforderungen. Viele Arbeitgeber glauben, dass dann auch die Vergangenheit abgeschlossen ist. Aber stimmt das auch? Darf ein Arbeitgeber darauf vertrauen, für die Vergangenheit „safe“ zu sein, wenn eine Betriebsprüfung ohne negative Feststellungen endet? Weit gefehlt!

Stichprobenprüfung

Eine Betriebsprüfung ist keine „Rundumprüfung.“ Die Prüfdienste kontrollieren in der Regel nur stichprobenmäßig. Schon deshalb kann sich kein Arbeitgeber darauf berufen, dass in der Vergangenheit alles in Ordnung war. Erst recht wenn es um das Thema „Scheinselbstständigkeit“ geht, ist eine abgeschlossene Prüfung grundsätzlich kein Freibrief. Denn die Abrechnungen der selbstständigen Auftragnehmer läuft nicht über die Lohn-, sondern die Finanzbuchhaltung. Zwar darf der Prüfdienst auch dort kontrollieren, dies geschieht aber im Routinebetrieb nur selten und vorwiegend in konkreten Verdachtsfällen.

Prüfmitteilung

Außerdem muss man sich im Zusammenhang mit der Frage des Vertrauensschutzes das Abschlussdokument, den Prüfvermerk oder Prüfbescheid genau anschauen. Bis vor wenigen Jahren war es noch die Regel, dass die Prüfer das Prüfergebnis formlos in einem Vermerk mitteilten. Mitunter war nicht einmal angegeben, welche Gegenstände überhaupt konkret geprüft worden waren. Der Vermerk lautete schlicht: „Die Prüfung hat keinerlei Beanstandungen ergeben.“ Solche Prüfmitteilungen boten keinerlei Vertrauensschutz. Die Prüfdienste waren folglich nicht gehindert, bei nachfolgenden Prüfungen denselben vermeintlich abgeschlossenen Zeitraum erneut unter anderen Gesichtspunkten zu prüfen, z.B. durch rückwirkende sich über viele Jahre erstreckende Feststellungen zur Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern.

Verpflichtung zum Erlass eines Prüfbescheides

Der fehlende Vertrauensschutz hat in der Vergangenheit viel Verunsicherung und auch Unmut ausgelöst, wenn Arbeitgeber aus heiterem Himmel mit großen Nachforderungen konfrontiert wurden. Zum Schutz der Arbeitgeber hat das Bundessozialgericht jüngst in einem Urteil vom 19.09.2019 entschieden, dass die Prüfdienste gesetzlich verpflichtet sind, im Rahmen der Prüfung förmliche Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe gegenüber den Arbeitgebern zu erlassen (§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV). Es handele sich insoweit um einen verpflichtenden Auftrag, Umfang und Ergebnis der durchgeführten Prüfung anzugeben. Ein lediglich mündliches Abschlussgespräch und/oder eine schriftliche Prüfmitteilung ohne Regelungscharakter seien unzureichend. Der Arbeitgeber soll also vollumfänglich Kenntnis über die geprüften Sachverhalte erhalten und nicht nur über diejenigen, die Beitragsnachforderungen nach sich ziehen. Gegenstand und Ergebnis der Betriebsprüfung müssen in dem Verwaltungsakt genannt werden.

Bundessozialgericht - Urteil vom 19.09.2019 - B 12 R 25/18 R

Ein förmlicher Verwaltungsakt bietet zumindest in Bezug auf den dort festgestellten Prüfgegenstand und das Ergebnis einen Schutz vor rückwirkenden Forderungen. Sachverhalte jedoch, die nicht geprüft wurden und im Bescheid nicht erwähnt werden, können weiterhin auch rückwirkend geprüft werden.


Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.


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