Rückzahlung der Corona-Soforthilfe: Warum jetzt erneut tausende Bescheide drohen – und was Betroffene tun können
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Was ursprünglich als unbürokratische Soforthilfe gedacht war, entwickelt sich Jahre später für viele Solo-Selbstständige und Kleinunternehmer zu einer finanziellen und rechtlichen Belastungsprobe. Denn zahlreiche Empfängerinnen und Empfänger der Corona-Soforthilfe sehen sich aktuell mit Rückforderungsbescheiden konfrontiert – und weitere dürften folgen.
Die Ursachen sind vielfältig: Unterschiedliche Rückmeldefristen je nach Bundesland, sich im Nachhinein ändernde Anforderungen an die Mittelverwendung und unklare Definitionen zentraler Begriffe wie dem „Liquiditätsengpass“ sorgen bundesweit für Verunsicherung. Dieser Beitrag erläutert die Hintergründe, zeigt die rechtlichen Stolperfallen auf – und gibt konkrete Hinweise, wie Sie sich als Betroffener jetzt richtig verhalten.
Uneinheitliche Verfahren: Jedes Bundesland regelt Rückforderungen anders
Je nach Bundesland unterscheiden sich Fristen, Verfahren und rechtliche Folgen erheblich. In Bayern etwa lief die Rückmeldefrist über das Online-Portal bereits am 31. Oktober 2024 ab – seither ist keine Rückmeldung mehr möglich. Wer keine Angaben gemacht hat, muss mit einer Rückforderung in voller Höhe rechnen, selbst wenn objektiv ein Liquiditätsengpass vorlag.
In Nordrhein-Westfalen war hingegen der 26. Februar 2025 die entscheidende Frist. Auch dort gilt: Wer die Rückmeldung versäumt hat, muss mit einer vollständigen Rückzahlung der erhaltenen Förderung rechnen – unter der Annahme, dass kein wirtschaftlicher Engpass vorlag.
Andere Länder wie Brandenburg hatten das Rückmeldeverfahren bereits im Jahr 2022 abgeschlossen – hier war der 18. März Stichtag für die Rückzahlung. Das zeigt: Ein bundesweit einheitliches Vorgehen fehlt bis heute.
Gerade für Unternehmer, die in mehreren Bundesländern tätig sind, stellt diese föderale Uneinheitlichkeit ein erhebliches Risiko dar – und erschwert die rechtliche Bewertung erheblich.
Unscharfe Definitionen und sich ändernde Maßstäbe
Kern vieler Rückforderungen ist die Frage, ob tatsächlich ein coronabedingter „Liquiditätsengpass“ vorlag – und wie dieser zu berechnen ist. Ursprünglich wurden die Hilfen auf Basis einer Prognose gewährt. Antragsteller mussten einschätzen, ob in den folgenden Monaten eine Unterdeckung ihrer laufenden Kosten droht.
Doch die Anforderungen änderten sich teils mehrfach – etwa in NRW, wo das Ministerium die FAQs zur Soforthilfe im Frühjahr 2020 über 15 Mal überarbeitete. So war anfangs noch vorgesehen, dass auch der Lebensunterhalt gedeckt werden dürfe. Kurze Zeit später wurde diese Information entfernt.
Gerichte haben bereits in mehreren Verfahren entschieden, dass Rückforderungen rechtswidrig sein können, wenn die Empfänger auf Grundlage der ursprünglich kommunizierten Bedingungen gehandelt haben. Dennoch fordern viele Behörden die ausgezahlten Hilfen zurück.
Rückzahlung droht – auch Jahre später
Die Rückforderung betrifft bundesweit eine erhebliche Zahl von Unternehmerinnen und Unternehmern. Nach Schätzungen wurden rund 13 Milliarden Euro ausgezahlt – davon könnten bis zu fünf Milliarden Euro als zu Unrecht bezogen gelten. Über 400.000 Personen sollen ganz oder teilweise zur Rückzahlung aufgefordert worden sein. Und das ist wohl erst der Anfang: Erst Ende 2025 werden die Abschlussberichte der Bundesländer erwartet.
Betroffen sind vor allem Kleinstunternehmen, Solo-Selbstständige und Betriebe, die ihre Mittel längst im Geschäftsalltag verbraucht haben. Die Rückzahlung stellt viele von ihnen vor existenzielle Probleme – und führt zunehmend zu juristischen Auseinandersetzungen.
Fehlende Rückmeldung = Rückzahlung in voller Höhe?
Besonders kritisch: In einigen Bundesländern führt eine nicht fristgerecht abgegebene Rückmeldung automatisch zur Rückforderung der gesamten Soforthilfe. Die Behörden unterstellen in solchen Fällen, dass kein Bedarf bestand – ohne konkrete Einzelfallprüfung. Aus Sicht des Verwaltungsrechts ist dies höchst problematisch, da hier die Beweislast faktisch auf die Betroffenen verlagert wird.
Was tun bei Rückforderungsbescheid? Ihre Optionen im Überblick
1. Fristen prüfen und Widerspruch einlegen
Erhalten Sie einen Rückforderungsbescheid, ist schnelles Handeln gefragt. Die Fristen für einen Widerspruch betragen in der Regel nur einen Monat. Wird diese Frist versäumt, wird der Bescheid rechtskräftig – ein späteres Vorgehen ist dann nur noch schwer möglich.
2. Bescheid und Berechnungen prüfen
Vergleichen Sie die Angaben im Bescheid mit Ihrer damaligen Prognose und Ihren tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben. Prüfen Sie insbesondere die Berechnung des Liquiditätsengpasses. Oft lassen sich hier formale oder inhaltliche Fehler feststellen.
3. Unterlagen sammeln
Sichern Sie alle Dokumente: den ursprünglichen Antrag, Bewilligungsbescheid, Kontoauszüge, Einnahmeüberschüsse, Aufstellungen zu Betriebsausgaben etc. Diese Belege sind für eine fundierte rechtliche Bewertung unerlässlich.
4. Rückmeldung nachholen – falls noch möglich
Sollte das Rückmeldeverfahren in Ihrem Bundesland noch offen sein, nehmen Sie unbedingt daran teil. Selbst wenn Sie von der Rechtmäßigkeit der Förderung überzeugt sind – eine unterlassene Rückmeldung kann in manchen Ländern zur automatischen Rückforderung führen.
5. Ratenzahlung oder Stundung beantragen
Viele Behörden bieten mittlerweile Ratenzahlungsmöglichkeiten oder sogar Stundungsregelungen an. Bei wirtschaftlicher Notlage kann in Einzelfällen auch ein (Teil-)Erlass beantragt werden. Lassen Sie sich hierzu individuell beraten.
6. Juristische Unterstützung nutzen
Gerade bei größeren Beträgen oder unsicherer Rechtslage empfiehlt sich anwaltliche Hilfe. Ein auf Verwaltungsrecht spezialisierter Anwalt kann prüfen, ob ein Widerspruch Aussicht auf Erfolg hat und Sie ggf. auch im Klageverfahren vertreten.
Fazit: Nicht vorschnell zahlen – Rechte kennen und aktiv nutzen
Die Rückforderungen zur Corona-Soforthilfe sind rechtlich wie finanziell heikel. Viele Betroffene handeln aus Unsicherheit vorschnell – und verzichten dadurch auf mögliche Schutzmechanismen.
Dabei gilt: Wer gut vorbereitet ist, seine Unterlagen strukturiert aufarbeitet und juristischen Rat einholt, hat gute Chancen, sich erfolgreich gegen unrechtmäßige Rückforderungen zur Wehr zu setzen. Denn viele Verfahren zeigen: Gerichte urteilen oft zugunsten der Antragsteller – insbesondere, wenn Vertrauen auf öffentlich kommunizierte Bedingungen bestand.
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