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Sanego, Jameda und Co Bewertung löschen: Aktuelle Rechtsprechung 2014/2015

  • 6 Minuten Lesezeit

Eine Vielzahl von Portalen, wie z. B. Sanego, Jameda, DocInsider oder TopMedic leben davon, dass Ärzte über das Portal bewertet werden. Solange die Bewertung positiv oder zumindest sachlich fundierte Kritik in angemessenem Ton enthält, ist dagegen wenig einzuwenden. Was ist aber, wenn dies nicht der Fall ist? Kann ein Arzt, der mit der Bewertung unzufrieden ist,  die Sanego, Jameda, DocInsider oder TopMedic Bewertung löschen lassen?

1. Was ist Hintergrund für den Konflikt zwischen Ärzten und Portalen wie Sanego, Jameda, DocInsider oder TopMedic?

Internetportale wie Jameda, DocInsider, TopMedic oder Sanego sind recht zwiespältig. Die weit überwiegende Anzahl der Bewertungen sind positiv. Umso mehr fällt es dann auf, wenn ein Arzt negativ bewertet wird. Das muss nicht immer unberechtigt sein. Wenn es allerdings gelingt, die Bewerter namentlich zu identifizieren – was durchaus vorkommt – sind wir immer wieder überrascht, wie wenig inhaltlich geprägt solche Bewertungen sind. Am besten sind viele solcher Bewertungen wohl als Denkzettel oder Rachebewertungen zu beschreiben.

2. Was sind die generellen Probleme bei einem Löschungsgesuch einer Arztbewertung?

Der Arzt, der eine Bewertung auf Portalen wie Sanego, TopMedic, Jameda oder DocInsider löschen will, sieht sich einiger Probleme ausgesetzt. Die Rechtsprechung erkennt aber aktuell durchaus an, dass auch Bewertungsplattformen Grenzen aufgezeigt werden können und müssen (dazu sogleich).

a) Wann kann überhaupt eine Sanego, Jameda oder DocInsider Bewertung gelöscht werden?

Der Arzt, über den unwahr oder ehrverletzend berichtet wird, der hat einen Unterlassungsanspruch gegen den Ersteller der Bewertung. Allerdings wird der Bewerter üblicherweise nicht identifizierbar sein, weil er unter einem Pseudonym schreibt. Daher wird der Arzt oder seine anwaltliche Vertretung den Portalbetreiber Sanego, Jameda oder DocInsider auf Unterlassung in Anspruch nehmen müssen. Allerdings haften Portalbetreiber für fremde Informationen erst dann, wenn sie Kenntnis davon erhalten. Erst mit dem anwaltlichen Schreiben, in denen darauf hingewiesen wird, dass es sich um unwahre Tatsachenbehauptungen oder um Schmähkritik handelt, besteht eine Haftung des Providers. Dies hat der BGH, NJW 2012, 148 in der Blog-Eintrag-Entscheidung noch einmal herausgearbeitet.

aa) Was sind Tatsachenbehauptungen?

Das LG Frankfurt, AZ 2-03 O 188/14v. 5 März 2015, definiert Tatsachenbehauptungen wie folgt:

Während sich Tatsachenbehauptungen auf etwas tatsächlich Geschehenes oder auf einen gegenwärtigen Zustand beziehen und deshalb grundsätzlich dem Beweis offen stehen, sind Meinungsäußerungen bzw. Werturteile durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens bzw. Meinens geprägt und deshalb dem Beweis von vornherein nicht zugänglich (vgl. BVerfGE 94, 1, 8; BGH, NJW 1996, 1131, 1133; BGH, NJW 1998, 3047, 3048; BGH, NJW 2002, 1192, 1193).

bb) Was ist Schmähkritik?

Eine Schmähkritik ist dadurch geprägt, dass es nicht mehr um eine sachliche Auseinandersetzung geht, sondern der Beitrag allein vom Willen, den Gegenüber zu verletzen (schmähen).

b) Wann kann eine Sanego, Jameda oder DocInsider Bewertung nicht gelöscht werden?

Eine Meinungsäußerung auch in kritischer Form muss sich der Arzt gefallen lassen. Zur Definition der Meinungsäußerung liefert das LG Frankfurt eine Definition mit vielen weiteren Nachweisen:

Während sich Tatsachenbehauptungen auf etwas tatsächlich Geschehenes oder auf einen gegenwärtigen Zustand beziehen und deshalb grundsätzlich dem Beweis offen stehen, sind Meinungsäußerungen bzw. Werturteile durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens bzw. Meinens geprägt und deshalb dem Beweis von vornherein nicht zugänglich (vgl. BVerfGE 94, 1, 8; BGH, NJW 1996, 1131, 1133; BGH, NJW 1998, 3047, 3048; BGH, NJW 2002, 1192, 1193).

Aber Achtung: Die Abgrenzung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung bereitet im Einzelfall Schwierigkeiten, hier ist anwaltliche Unterstützung ratsam.

3. Sollte ein Arzt zunächst selber das Portal kontaktieren, um eine Löschung herbeizuführen?

Grundsätzlich kann der Arzt natürlich selber das Portal anschreiben und auf unwahre Tatsachenbehauptungen oder Schmähkritik hinweisen. Das macht auch insoweit Sinn, als wenn das Portal (z.B. Sanego, TopMedic, Jameda oder DocInsider) erst einmal Kenntnis von der unwahren Behauptung hat und diese dann nicht löscht, das Portal die Kosten des Anwalts übernehmen muss. Gleichwohl gibt es gute Gründe, die mögliche Kostenersparnis hintenanstehen zu lassen. Nach unserer Erfahrung wollen die wenigsten Ärzte hinterher das Portal auf Erstattung der Anwaltskosten verklagen, meistens schlafen diese Verfahren eher ein. Oft besteht ein Risiko, dass eine Äußerung in der Berufung doch noch unter Meinungsäußerung subsumiert wird, was eine Kostenklage oftmals doch eher vergrätzt. Dann kann man aber auch gleich einen Anwalt die Bewertung löschen lassen und spart sich den Ärger. Mindestens ebenso problematisch ist es, dass wenn Sanego, TopMedic, Jameda oder DocInsider l nur die eindeutigen Rechtsverletzungen löschen und auf der Kippe stehende Äußerungen oder Punktebewertungen (soweit im Portal vorhanden) stehen lassen, der danach beauftragte Anwalt erhebliche Probleme bekommen kann, „nur“ den Rest löschen zu lassen. Auf anwaltliches Erst-Schreiben wird das Portal im Zweifel dagegen den gesamten Artikel erfahrungsgemäß löschen. Auch das spricht dafür, gleich einen Anwalt zu beauftragen.

4. Verbesserung der Situation der Ärzte: Punktebewertungen

Bis vor kurzem galt das Credo des BGH, Urteil v. 23.06.2009, Az. VI ZR 196/08. In dieser sog. Spick Mich Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof grundsätzlich eine Punktebewertung als von der Meinungsfreiheit gedeckt angesehen. Dies führte allerdings in der Praxis bei Ärztebewertungsportalen (wie Jameda und Sanego) zu der Problematik, wenn zwar der Text gelöscht wurde, aber nicht die Punktebewertung die darauf fußte. Diesem Paradoxon hat nun das OLG München v. 17.10.2014, AZ. 18 W 1933/14 die Grundlage entzogen. Das OLG München führt überzeugend aus:

„Nach Auffassung des Senats kann bei der vorliegenden Konstellation, bei der ein Werturteil eine zugrunde liegende tatsächliche Feststellung von eigenständiger Bedeutung derart widerspiegelt, dass beide zusammen „stehen und fallen“, nicht nur Unterlassung der unwahren Tatsachenbehauptung, sondern auch der auf dieser beruhenden Werturteile verlangt werden. Andernfalls ergäbe sich die merkwürdige Konsequenz, dass der im Rahmen eines Bewertungsportals von einer unwahren Tatsachenbehauptung Betroffene zwar die Behauptung als solche angreifen könnte, aber nicht die eine unwahre Tatsachenbehauptung widerspiegelnde und wiederholende Bewertung (vgl. Senat, Urteile vom 9.9.2014 – 18 U 516/14 – und vom 5.2.2013 – 18 U 3915/12). Der vorliegende Fall unterscheidet sich von demjenigen, der der von der Verfügungsbeklagten zitierten „Spick-mich“-Entscheidung des BGH (Urteil vom 23.6.2009 - VI ZR 196/08) zugrundelag, gerade darin, dass von den Nutzern der dortigen Internetseite nur Wertungen und keine Tatsachenbehauptungen eingestellt wurden.“

5. Verbesserung der Verteidigungsposition: Sekundäre Darlegungslast

Das LG Frankfurt am Main Urteil vom 5. März 2015, • Az. 2-03 O 188/14 hat ebenfalls die Verteidigungs- oder Angriffsposition (je nach Sichtweise) des durch Arztbewertungsportale geschädigten Arztes gestärkt.

In einigen Fällen bestehen nämlich Zweifel, ob eine Bewertung wirklich durch einen Patienten durchgeführt wurde bzw., ob sich das darin Zugetragene wirklich so ereignet hat. Wenn dies nämlich prozessual in Frage gestellt – bestritten – wird, dann trifft die Bewertungsplattform die sog. sekundäre Darlegungslast. Das LG Frankfurt am Main, aaO führt aus:

Die Kammer teilt zumindest vorliegend aufgrund der beklagtenseits vorgelegten Unterlagen auch nicht die Einschätzung der Beklagten, dass von dieser nicht mehr an Vortrag verlangt werden könnte als die Vorlage von geschwärzten Nachweisen, da sie andernfalls unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen den Autor der Bewertungen direkt oder indirekt offenbaren müsste. Die Beklagte ist damit ihrer Darlegungslast, zumindest ihrer sekundären, nicht ausreichend nachgekommen, so dass die Kammer davon ausgeht, dass es sich im Rahmen der streitgegenständlichen Bewertung „Behandlungsbedarf an der Stirne lag vor. Wurde nicht empfohlen.“ um eine unwahre Tatsachenbehauptung und nicht nur um eine gemäß Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung handelt. Eine unwahre Tatsachenbehauptung fällt nicht unter den grundrechtlichen Schutz. Ihre bewusste Äußerung bzw. Verbreitung stellt einen widerrechtlichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verletzten dar (vgl. BVerfG, NJW 1999, 1322, 1324; BVerfG, NJW 2000, 199, 200; BVerfG, NJW 2004, 354, 355; BGH, GRUR 2013, 751 Rn. 22 – „Autocomplete“-Funktion; BGH, GRUR 2012, 850 Rn. 37 – www.rainbow.at II).

Voraussetzung ist dabei natürlich auch prozessual substantiierter Vortrag des jeweiligen Arztes, was anwaltliche Hilfe indiziert.

6. Fazit zur Löschung einer Bewertung auf Portalen wie Sanego, Jameda, DocInsider oder TopMedic

Die Gerichte erkennen deutlich, dass auch Ärzte sich nicht jede Bewertung gefallen lassen müssen. Es gibt durchaus Möglichkeiten, eine Sanego, Jameda, DocInsider oder TopMedic Bewertung löschen zu lassen. Hilfreich ist es aber sicher dabei eine Kanzlei an seiner Seite zu haben, die bereits in der Vergangenheit erfolgreich Bewertungen löschen lassen konnte und die auch die Entwicklungen der Rechtsprechung konsequent verfolgt.

Falls Sie Fragen zu dem beschriebenen Themenkomplex haben und/oder selber eine Bewertung löschen lassen wollen, steht Ihnen Dr. Wachs gern im Rahmen einer kurzen kostenlosen Ersteinschätzung zur Verfügung. Wir helfen Ihnen gern.


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