Schadensersatz aus Verkehrsunfall und Vorschäden

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Bei der Frage der Bestimmung des Umfangs der Schadensersatzpflicht des Unfallverursachers bzw. seines Versicherers im Fall von Vorschäden am Fahrzeug des Geschädigten sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte eine Anzahl besonderer Regeln und Grundsätze entwickelt worden, die wie folgt zusammenzufassen sind:

  • Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist der allgemeine Grundsatz, dass es dem Geschädigten obliegt, die die kausale Verursachung und den Umfang eines Schadens auf der Grundlage des Unfallereignisses mit der Beschädigung des Eigentums des Geschädigten, darzulegen (BGH, Urt. vom 15.10.2019 - VI ZR 377/19). Wenn der Schädiger den Umfang oder die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzes mit der Begründung bestreitet, der Gegenstand sei bereits durch ein früheres Ereignis beschädigt worden, so ändert sich an den Grundsätzen nichts und es verbleibt die Darlegung- und Beweislast grundsätzlich beim Geschädigten. Dies bedeutet, dass der Geschädigte darlegen und ggf. beweisen muss, dass die Beschädigung seines Fahrzeuges, für welchen er Schadensersatz begehrt, unfallbedingt ist und nicht als Vorschaden bereits vor dem Unfall vorhanden war.
  • Dieser Darlegungs- und Beweislast kann der Geschädigte in erster Linie durch den Nachweis der Beseitigung der von der Gegenseite geltend gemachten Vorschäden nachkommen.

    • Der Geschädigte hat mithin im Einzelnen zur Art der Vorschäden vorzutragen sowie substantiiert darzulegen und zu beweisen, dass der Vorschaden ordnungsgemäß repariert und beseitigt wurde (KG Berlin, Beschl. v. 12.11.2009 - 12 U 9/09; Urt. v. 27.08.2015 - 22 U 152/14; Urt. v. 10.07.2017 - 22 U 79/16; u.v.m.).
    • Es gelten hierbei strenge Anforderungen, so genügt es nicht auf das äußere Erscheinungsbild hinzuweisen oder zu behaupten, vorstehenden fachgerecht behoben worden sind  (KG Berlin, v.  27.08.2015 - 22 U 152/14; u.v.m.). Auch das Vorlegen eines Schadensgutachtens genügt nicht, wenn dem Sachverständigen vom Geschädigten die betreffenden Vorschäden nicht offen gelegt wurden (OLG Düsseldorf, Urt. vom 10.02.2015 - 1 U 32/14; u.v.m.).
    • Ferner wurde verlangt, dass der konkrete Reparaturweg unter Angabe der einzelnen Reparaturschritte und der tatsächlich vorgenommenen Arbeiten darzulegen sind (KG Berlin, Beschl. v. 12.11.2009 - 12 U 9/09; u.v.m.). Der BGH hat jedoch jüngst darauf hingewiesen, dass Anforderungen an den Sachvortrag einer Partei nicht zu überspannen sind und dass die Frage, inwieweit eine Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, auch von ihrem Kenntnisstand abhängt (BGH, Beschl. v. 15.10.2019 - VI ZR 377/18).
    • Das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen hat in seinem Urteil vom 30.06.2021 - 1 U 90/19 daraus geschlussfolgert, dass der Geschädigte seiner Darlegungslast hinsichtlich einer in seiner Besitzzeit erfolgten Reparatur von Vorschäden bereits dadurch genügen kann, dass er die wesentlichen Parameter der Reparatur vorträgt, während die weiteren Fragen in der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sind. Es dürfe daher zu weitgehend sein, zur Substantiiertheit der Behauptung der Reparatur von Vorschäden die Vorlage von Rechnungen und die Darlegung der Einzelschritte der Reparatur bzw. ihrer Ausführung in Übereinstimmung mit früheren gutachterlichen Vorgang zu verlangen.
    • Zum anderen wirken sich die vorstehend dargelegten Grundsätze begrenzend aus, insbesondere hinsichtlich der Anforderung an den Vortrag in Bezug auf vor der Besitzzeit des Geschädigten erfolgten Vorschäden. Ein Vortrag von Einzelheiten zu einer vor der Besitzzeit des Geschädigten erfolgten Reparatur dieser Vorschäden ist im Lichte der jüngsten Rechtsprechung des BGH vom Geschädigten nicht zu verlangen. Vielmehr kann der Geschädigte seiner Darlegung- und Beweislast in einer solchen Situation bereits durch eine unter Beweis gestellte Behauptung genügen, dass der Vorschaden beseitigt worden sei, auch wenn der Geschädigte gelten macht, von einen solchen Schaden keine Kenntnisse haben, und lediglich vermutet, dass eine fachgerechte Reparatur erfolgt sei, solange es sich hier nicht um eine bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung handelt (BGH, Beschl. v. 15.10.2019 - VI ZR 377/18). Hinreichend substantiiert ist demnach das Vorbringen des Geschädigten bereits dann, wenn er vorträgt, das Fahrzeug seinerseits als unbeschädigt erworben zu haben, oder wenn er darlegt, dass bei einer fachkundigen Untersuchung des Fahrzeuges Vorschäden nicht festgestellt worden seien. Das Fahrzeug tatsächlich keine Vorschäden aufgewiesen hat, wäre dann im Rahmen der Beweisaufnahme - bei verbleibender Beweislast des Geschädigten festzustellen.
    • Fehlt es an dem erforderlichen Vortrag des Geschädigten bzw. gelingt ihm ggf. der erforderliche Beweis zur Reparatur oder zum Nichtvorhandensein der Vorschäden nicht, dann ist ein Schadensersatzanspruch für die Beschädigung seines Pkw in solchen Bereichen, die vom geltend gemachten Vorschäden betroffen waren, zu verneinen. Ein Schadensersatzanspruch scheidet mithin auch für an sich unfallkompatible Schäden aus, wenn feststeht, dass sich sämtliche vom Geschädigten geltend gemachten Schäden auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, ohne dass der positive Nachweis der Unfallverursachung erbracht wird oder durch den Geschädigten eine ausreichende Aufklärung erfolgt.
    • Auch ohne den Nachweis der Reparatur von Vorschäden kann ein Ersatzanspruch dann begründet sein, wenn das Gericht zu der Überzeugung kommen kann, dass bestimmte abgrenzbare Beschädigungen durch das streitgegenständliche Unfallereignis verursacht worden sind (BGH, Urt. v. 17.03.1990 - VI ZR 115/89).
    • Grundsätzlich gelten zudem die vorstehenden Grundsätze nur dann, wenn es um überlagerte Schadenbereiche geht, d.h. Vorschäden gerade im Anstoßbereich bzw. vom geltend gemachten Unfallschaden nicht eindeutig abgrenzbare Vorschäden (OLG Celle, Urt. v. 08.02.2017 - 14 U 119/16). Lediglich in Bezug auf die Auswirkungen von Vorschäden auf den Wiederbeschaffungswert ist dagegen auch zu sämtlichen übrigen konkret geltend gemachten Vorschäden auch in anderen Schadensbereichen entsprechend vorzutragen (KG Berlin, Beschl. v. 12.11.2009 - 12 U 9/09).

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