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Schadensersatz bei Nebenwirkungen

  • 3 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

[image]Durch ordentliche Medikamenteneinnahme erlittene Schäden sind zu ersetzen. Trotz Beweiserleichterung ist das für Betroffene nicht immer einfach - vor allem bei anderen vorhandenen Gesundheitsrisiken. Das Arzneimittelgesetz (AMG) regelt in § 84, dass Schäden an Körper und Gesundheit - erst recht solche mit Todesfolge - durch ein Medikament, von dem, der es in den Verkehr gebracht hat, zu ersetzen sind. Im Einzelfall kann der Nachweis hierfür jedoch schwierig werden. Denn einerseits gilt die Regelung - insoweit einleuchtend - nur bei bestimmungsgemäßen Gebrauch. Zum anderen muss im Zeitpunkt des Schadenseintritts aber auch bekannt sein, dass das Medikament nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Stand überhaupt erhebliche schädliche Wirkungen haben kann oder die Beschreibung solche entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse verschweigt. Dieses Wissen ist nicht immer leicht nachzuweisen. Ein Auskunftsanspruch, der den Schadensersatzanspruch begleitet, verpflichtet deshalb bei Vortrag entsprechender Tatsachen pharmazeutische Unternehmen, ihre vorhandenen Kenntnisse über Ursache und Wirkungszusammenhänge offen zu legen.

Vermutung an Reihe von anderen Schadensursachen zu messen

Steht eine solche Schädigungseignung dann im Einzelfall fest, wird vermutet, dass das Arzneimittel die Schadensursache bildete. Das heißt, der Hersteller, der es in der Regel in den Verkehr gebracht hat, muss diesen Vorwurf entkräften, will er nicht haften. Dennoch besteht aufseiten von Betroffenen kein Grund zur Erleichterung. Die Gefährdungshaftung nimmt ihnen zwar den konkreten Beweis „Medikament führte zum Schaden" ab. Im Einzelfall muss diese Schlussfolgerung aber auch nach einer Reihe vorgegebener Einzelfallkriterien bestehen bleiben. Laut § 84 AMG gehören dazu: die Art und Dauer der Anwendung sowie Zusammensetzung und Dosierung des Medikaments, der zeitliche Zusammenhang zwischen Einnahme und Schadenseintritt, das Schadensbild, der gesundheitliche Zustand der mutmaßlich geschädigten Person und was sonst noch für oder gegen die Schadensverursachung spricht. Spricht daraufhin einer oder mehrerer dieser Punkte für eine andere Schadensursache, war es das mit der Vermutung. Zumindest die Mitursache des Medikaments für den Schaden muss ein Patient dann voll beweisen.

Gesundheitliche Risikofaktoren können Beweiserleichterung verhindern

Diese die Beweisführung erschwerende Folge spürte ein Mann, der dem von ihm beklagten Pharmaunternehmen vorwarf, das von ihm eingenommene Rheuma- und Schmerzmittel habe bei ihm Anfang 2004 zu einem Schlaganfall geführt. Schuld sei der Wirkstoff Rofecoxib im Medikament Vioxx gewesen. Wissenschaftlich klar belegt war dessen Gesundheitsrisiko zur Zeit des Schlaganfalls aber noch nicht. Erst im Herbst 2004 wurde das Medikament nach einer diese Vermutung bestätigenden Langzeitstudie vom Markt genommen. Ob von diesen schädlichen Wirkungen auch davor schon fest ausgegangen werden konnte, ließ das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz allerdings offen. Denn seiner Ansicht nach war der Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch im vorliegenden Fall bereits nach den übrigen anzuwendenden Maßstäben nicht gegeben. Verhängnisvoll für den älteren Mann waren in dieser Hinsicht seine sonstigen gesundheitlichen Probleme. Denn neben Rheuma litt er auch an einer Fettstoffwechselstörung, Adipositas, Diabetes und den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums. Diese vom Unternehmen vorgetragenen Risikofaktoren des Klägers eigneten sich ihm zufolge genauso gut als Schlaganfallursache. Sie verhinderten nach Ansicht der Richter eine Anwendung der Vermutungsregel. Denn der das regelnde § 84 Abs. 2 S. 3 AMG, der nur von geeigneten anderen Umständen als Schadensursache spreche, fordere seinem Wortlaut nach keinen Beweis.

Bundesgerichtshof muss Frage abschließend klären

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser für die Beweiserleichterung bisher nicht höchstrichterlich geklärten Auslegung ließen die OLG-Richter jedoch die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zu. Nach ihrer inzwischen erfolgten Einlegung durch den Kläger muss nun das höchste deutsche Gericht entscheiden. Frage wird dabei auch sein, ob der Betroffene für eine erfolgreiche Klage die mögliche Mitursache des Medikamentengebrauchs für den Schlaganfall beweisen muss, wie es das OLG bei der von ihm vertretenen Ansicht noch forderte oder nicht.

(OLG Koblenz, Urteil v. 15.02.2012, Az.: 5 U 320/11; Revision beim BGH anhängig unter Az.: VI ZR 109/12)

(GUE)

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