Schenkungen im Erbrecht: Wann werden sie zur Erbmasse angerechnet?
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Im deutschen Erbrecht stellt sich häufig die Frage, ob Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten gemacht hat, bei der Verteilung des Nachlasses berücksichtigt werden müssen. Insbesondere beim Pflichtteilsanspruch oder bei der Erbauseinandersetzung können Schenkungen eine große Rolle spielen.
Hier erfahren Sie kompakt und verständlich, wann eine Anrechnung von Schenkungen erfolgt – und wann nicht.
1. Pflichtteilsanspruch und Pflichtteilsergänzung: Wann zählen Schenkungen dazu?
Ein Pflichtteilsanspruch steht nach § 2303 BGB nur bestimmten engen Angehörigen zu:
Kindern des Erblassers (auch Adoptivkinder)
Ehepartnern
Eltern des Erblassers (nur, wenn keine Kinder vorhanden sind)
Geschwister, Nichten, Neffen und Großnichten sind hingegen nicht pflichtteilsberechtigt. Sie können keine Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen, auch nicht, wenn sie Erben geworden sind.
Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB):
Wurde eine Schenkung innerhalb von zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers vorgenommen, wird ihr Wert (gemindert um 10 % pro Jahr) fiktiv zum Nachlass addiert, um den Pflichtteil korrekt zu berechnen.
Voraussetzung ist allerdings immer, dass ein pflichtteilsberechtigter Anspruchsteller vorhanden ist.
Beispiel:
Wenn der Erblasser nur Nichten und Großnichten hinterlässt, besteht kein Pflichtteilsanspruch – und damit auch keine Pflichtteilsergänzung.
2. Ausgleichung unter Erben: Wann zählen Schenkungen dennoch?
Schenkungen können dennoch bei der Erbauseinandersetzung eine Rolle spielen, wenn der Erblasser ausdrücklich bestimmt hat, dass Zuwendungen auf den Erbteil angerechnet werden sollen (§§ 2050 ff. BGB).
Dies nennt sich Ausgleichungspflicht.
Sie tritt aber nur ein, wenn:
Der Erblasser eine Anrechnungsanordnung im Testament getroffen hat oder
Eine solche Ausgleichung bei der Schenkung ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart wurde.
Ohne ausdrückliche Bestimmung werden Schenkungen unter Erben nicht berücksichtigt.
3. Zusammenfassung: Wann wird eine Schenkung angerechnet?
Situation | Schenkung wird angerechnet? |
---|---|
Pflichtteilsanspruch vorhanden (Kinder, Ehepartner, Eltern) | ✅ Ja, bei Schenkung innerhalb der letzten 10 Jahre |
Keine Pflichtteilsberechtigten vorhanden (nur Geschwister, Nichten, Neffen) | ❌ Nein |
Testament ordnet Ausgleichung an | ✅ Ja, unter Erben |
Keine Regelung über Ausgleichung | ❌ Nein |
4. Warum eine individuelle Prüfung wichtig ist
Jeder Nachlassfall ist einzigartig.
Auch wenn auf den ersten Blick klar erscheint, dass Schenkungen nicht berücksichtigt werden müssen, kann eine individuelle Prüfung durch einen Anwalt für Erbrecht wichtige Details offenlegen – etwa versteckte Formulierungen im Testament.
Tipp:
Lassen Sie auch scheinbar harmlose Testamentstexte durch einen Experten prüfen, um unangenehme Überraschungen bei der Nachlassverteilung zu vermeiden.
Fazit
Schenkungen zählen nicht automatisch zur Erbmasse.
Ohne Pflichtteilsberechtigte (Kinder, Ehepartner, Eltern) erfolgt keine Pflichtteilsergänzung.
Eine Anrechnung unter Erben erfolgt nur bei ausdrücklicher Anordnung.
Eine rechtliche Prüfung durch einen Anwalt ist in jedem Fall empfehlenswert.
Sie haben Fragen zum Thema Schenkungen, Pflichtteilsrecht oder Nachlassverteilung?
Kontaktieren Sie mich gerne für eine erste Einschätzung.
Gemeinsam klären wir Ihre individuelle Situation – verständlich, strukturiert und lösungsorientiert.
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