Schmerzensgeldbemessung bei Schwerstbehinderung und Zerstörung der Persönlichkeit eines 21-Jährigen

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Der immaterielle Schaden, der durch einen ärztlichen Behandlungsfehler entstanden ist, kann bei schwersten körperlichen Dauerschäden und geistiger Behinderung mit Zerstörung der Persönlichkeit ein Schmerzensgeld in Höhe von 560.000 Euro rechtfertigen, wie das Oberlandesgericht Frankfurt am Main auf die Berufung der Behandlerseite in einem rechtskräftigen Urteil vom 31.01.2017 zu Aktenzeichen 8 U 155/16 festgestellt hat. Daneben sind die materiellen Schäden, wie nicht gedeckte Pflegekosten und der Verdienstausfall, zu ersetzen.

Bei dem Kläger des entschiedenen Falles wurde die nach einem Unfall erforderliche Diagnostik zu spät durchgeführt, sodass dieser in der Folge eines nicht erkannten, schweren Schädel-Hirn-Traumas mit Hirnschwellung schwerste körperliche und geistige Schäden erlitt. Er wird lebenslang „rund um die Uhr“ pflegebedürftig bleiben. Der Kläger war zur Zeit des ihm durch ärztliche Behandlungsfehler zugefügten körperlichen und seelischen Leides mit nicht reversiblen, schweren Behinderungen 21 Jahre alt. Seine Lebensperspektive ist infolge seiner geistigen und körperlichen Behinderung vollständig zerstört; ihm ist jede Chance auf ein weiteres selbstbestimmtes Leben genommen.

Für die Höhe des Schmerzensgeldes ist primär das Ausmaß der konkreten Beeinträchtigungen maßgebend. Dabei ist an die Funktionen des Schmerzensgeldes anzuknüpfen, die wegen der Unmöglichkeit der tatsächlichen Wiedergutmachung in einem Ausgleich der Lebensbeeinträchtigung, aber auch in einer Genugtuung für das zugefügte Leid besteht. Die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes erfordert nach dem Urteil des Oberlandesgerichts nicht, dass der Geschädigte diese Funktion erfassen kann. Auch in Fällen der weitgehenden Zerstörung der Persönlichkeit durch schwere Hirnschädigung ist ein eigenständiger Ausgleich zu gewähren.

Immaterielle Schäden betreffen nicht in Geld messbare Güter. Sie sind der Höhe nach nicht exakt bestimmbar und nicht für jedermann nachvollziehbar zu begründen, wie der 8. Senat des OLG Frankfurt hervorhebt. Geboten ist eine Bemessung des Schmerzensgeldes nach den besonderen Umständen des Einzelfalles, die den Geschädigten in seiner speziellen Lebenssituation treffen. Auf dieser Grundlage sind sogenannte Vergleichsentscheidungen nicht als feste Bewertungskategorien heranzuziehen, sondern als Vorgabe eines Rahmens für die Schmerzensgeldbemessung, der im Einzelfall unterschritten, über den aber auch hinausgegangen werden kann.

Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes spielt auch das Alter des Verletzten eine Rolle. Das Schmerzensgeld knüpft an die Schmerzen und Leiden des Geschädigten an, die umso höher sind, je mehr Leidenszeit ein Verletzter noch zu erdulden hat. Erlitt der Kläger die Schädigungen im Alter von 21 Jahren, so geht das Oberlandesgericht Frankfurt nach den statistischen Sterbetafeln davon aus, dass der Kläger eine weitere Leidenszeit von 57 Jahren vor sich hat. Das rechtfertigt unter Berücksichtigung aller Umstände des Senats des Oberlandesgerichts die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes in der zuvor von dem Landgericht Frankfurt (Aktenzeichen: 2-4 O 467/07) zuerkannten Höhe. Damit wird das in den zur Orientierung herangezogenen Schmerzensgeldtabellen angelegte allgemeine Gefüge gerichtlicher Entscheidungen nicht gesprengt, sondern fortgeschrieben.

Geht es um derart gravierende Schäden und hohe Geldsummen, sollte immer geprüft werden, ob ein Prozessfinanzierer die Übernahme des gerichtlichen Verfahrens zusagt. Kommt ein Finanzierungsvertrag zu Stande, kann der Kläger den Prozess ohne eigenes Kostenrisiko führen, muss allerdings zugunsten des Prozessfinanzierers auf einen Teil des Prozesserlöses verzichten.



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