Arbeitsrecht: Kündigungsschutz - Schützt Schwangerschaft immer vor Kündigung?

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In einem konkreten Fall hatte der EuGH zu entscheiden, ob im Falle einer Massenentlassung Kündigungsschutz aufgrund der Mutterschutzrichtlinie im Sinne von Art. 10 RL 92/85/EWG (Mutterschutz-RL) für eine Schwangere besteht.

Stellt die Kündigung von Schwangeren einen Ausnahmefall nach Art. 10 Nr. 1 der Mutterschutzrichtlinie dar und kann in diesem Fall die Kündigung wirksam erklärt werden?  

Es stellt sich die Frage ob es erforderlich ist, dass die betroffene Arbeitnehmerin nicht auf einer anderen Stelle weiterbeschäftigt werden kann, oder ob der Nachweis genügt, dass der Arbeitsplatz wegen wirtschaftlicher, technischer oder produktionsbedingter Gründe wegfällt.

I. Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen wegen Massenentlassung grundsätzlich nicht unzulässig

Nach Auffassung des EuGH steht die RL 92/85 einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin aufgrund einer Massenentlassung zulässig ist. So muss schwangeren Arbeitnehmerinnen im Rahmen einer Massenentlassung (im Sinne der RL 98/59) weder ein Vorrang der Weiterbeschäftigung noch ein Vorrang der anderweitigen Verwendung angeboten werden. Jedoch verlangt die Richtlinie vom jeweiligen Gesetzgeber, dass die Kündigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen grundsätzlich präventiv verboten ist und im Fall einer widerrechtlichen Kündigung deren Unwirksamkeit als Wiedergutmachung vorsieht.

II. Ausnahmen vom Kündigungsverbot

Vom grundsätzlichen Kündigungsverbot während der Schwangerschaft kann nach Art. 10 Nr. 1 abgewichen werden: „davon ausgenommen sind die nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle.“ Demnach darf eine Arbeitnehmerin in Ausnahmefällen auch während der Schwangerschaft gekündigt werden. Diese Richtlinie wurde in Deutschland in § 17 II MuSchG umgesetzt. Der Arbeitgeber darf danach der Arbeitnehmerin auch während der Schwangerschaft kündigen, wenn die Kündigung nicht im Zusammenhang mit der Schwangerschaft steht. Zusätzlich muss die zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle ihre Zustimmung erteilt haben.

III. Verhältnis zwischen Mutterschafts- und Massenentlassungsrichtlinie

In seiner Entscheidungsbegründung führt der EuGH aus, dass eine Massenentlassung aus Gründen, die nicht in der Person des einzelnen Arbeitnehmers liegen, einen „Ausnahmefall“ zum Kündigungsverbot im Sinne der RL 92/85 (Mutterschutz) darstellt.

Gründe, die nicht in der Person des einzelnen Arbeitnehmers liegen, entsprechen im deutschen Recht einer betriebsbedingten Kündigung. 

Kündigt der Arbeitgeber betriebsbedingt im Rahmen einer Massenentlassung, liegt grundsätzlich die Ausnahme des Kündigungsverbots von schwangeren Arbeitnehmerinnen gemäß § 17 II MuSchG vor. Dies liegt daran, dass eine Massenentlassungsanzeige nach § 17 I KSchG in der Praxis fast ausschließlich bei dem Ausspruch einer Vielzahl von betriebsbedingten Kündigungen notwendig ist. 

Liegen die strengen Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung vor, kann damit auch grundsätzlich eine schwangere Arbeitnehmerin gekündigt werden, weil der Grund der Kündigung gerade nicht in ihrer Person liegt. Hier ist zwingend die Zustimmung der oberen Landesbehörde erforderlich. 

Liegt die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung vor, kann daher nicht betriebsbedingt gekündigt werden. Dies gilt dann auch nicht nur für schwangere Arbeitnehmerinnen, sondern für alle Arbeitnehmer des gesamten Betriebs.

IV. Fazit

Die Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen ist nicht ausgeschlossen. Insbesondere wenn die Kündigung auf betriebsbedingte Gründe gestützt wird, ist eine Wirksamkeit dieser sehr wahrscheinlich. Hier kommt es wie immer auf die weiteren Umstände des Einzelfalls an und kann daher nicht abschließend beantwortet werden. Jedoch kann die Schwangerschaft allein die Arbeitnehmerin leider nicht in Sicherheit wiegen.


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