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Schuldig oder unschuldig? Wahrheitsfindung und Fehlerquellen im Strafprozess

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Wer einmal in die Rolle des Beschuldigten gerät, hofft auf ein ordnungsgemäßes und faires Verfahren mit bestmöglichem Ausgang. Ob dies gelingt, hängt von vielen Umständen ab, die der Beschuldigte weitgehend nicht beeinflussen kann. Eine Erfolgsgarantie auf objektive Wahrheitsfindung gibt es nicht. Jedes Verfahren entwickelt seine eigene Dynamik – mit zunächst ungewissem Ausgang.

Schon die Ermittlungen können belastend sein, wenn (wiederholte) Vernehmungen, eine Festnahme bzw. Untersuchungshaft oder die Durchsuchung der Wohn- oder Geschäftsräume stattfinden, und zudem das soziale Umfeld (Familie, Freunde, Nachbarn, Arbeitgeber) hiervon erfährt.

Schlimmstenfalls droht eine Verurteilung mit gravierenden Folgen (Freiheits- oder Geldstrafe, Entzug der Fahrerlaubnis, u. a.). Nicht selten genügt im Zeitalter des Internets und sozialer Netzwerke schon das Bekanntwerden eines Verdachts, um Ruf und Image eines Menschen nachhaltig zu schädigen.

Die Situation des Beschuldigten ist also immer ernst. Und die Suche nach der Wahrheit ist oft schwierig. Es besteht daher Handlungsbedarf: um sich anbahnende Fehler möglichst zu vermeiden und bereits aufgetretene Fehler zu korrigieren, ist die schnellstmögliche Beauftragung eines Verteidigers geboten!

Fehlerquellen

Im Ausgangspunkt eines Ermittlungsverfahrens sind viele Einzelheiten noch unaufgeklärt. Nicht immer wird ausschließlich gegen den wahren Täter als Beschuldigten ermittelt. Mitunter kommt es zu Verwechslungen und vorschnellen Verdächtigungen. Die Gründe hierfür sind vielfältig und meist mit der natürlichen „Fehlerquelle Mensch“ verbunden: Spuren am Tatort oder Unfallort können übersehen oder unrichtig zugeordnet werden, Aussagen können inhaltlich missverständlich zustande kommen, Zeugen können sich irren, Beweismittel können zum Teil sehr unterschiedlich interpretiert werden. Hinzu kommt: die Polizei ist selten Augenzeuge einer Straftat, sondern tritt erst später in Erscheinung. Sie hat daher die oft schwierige Aufgabe, aus einer (kleinen oder großen) Zahl von Beweismitteln und Indizien das Geschehen zu rekonstruieren bzw. aufzuklären. Manchmal liegt im Übrigen nicht einmal eine Straftat vor: wahrheitswidrige Anzeigen (Falsche Verdächtigungen), etwa aus Rache, Eifersucht oder verletzten Gefühlen, prägen eine nicht geringe Zahl von Ermittlungsverfahren, z. B. im Bereich der Sexualdelikte.

Zudem gibt es Sachverhalte mit schwieriger Beweislage, besonders bei Fällen von „Aussage gegen Aussage“. Hiervon spricht man, wenn – vereinfacht ausgedrückt – über die Aussage des mutmaßlichen Geschädigten bzw. Belastungszeugen und die Einlassung des Beschuldigten hinaus keine Beweismittel vorhanden sind. Oft sind solche Konstellationen nicht vollständig aufklärbar. Es entscheiden dann Details in den Aussagen darüber, ob diese als glaubhaft oder unglaubhaft anzusehen sind.

Eigene Einlassung riskant

Der Beschuldigte ist in der Regel überfordert und kann – auch mangels Kenntnis der Rechtslage – seine Situation nicht sachgerecht einschätzen. Auf die Qualität der polizeilichen Ermittlungen kann er selbst kaum Einfluss nehmen. Welche (be- oder entlastenden) Beweismittel es gibt, ist für ihn zunächst unklar. Der Verfahrensausgang ist noch völlig offen. Die emotionale Belastung und der Druck einer Vernehmungssituation sind zusätzliche ungünstige Rahmenbedingungen, die die Abgabe einer wirklich „sinnvollen Erklärung“ erschweren. In dieser Lage ist es deshalb für einen Beschuldigten sehr riskant, sich selbst zur Sache zu äußern. Es empfiehlt sich dringend, der Versuchung zu widerstehen, sich selbst rechtfertigen zu wollen. Stattdessen sollte man zunächst schweigen, d. h. die Aussage verweigern, und einen Verteidiger hinzuzuziehen. Beides sind elementare Rechte eines jeden Beschuldigten, deren Ausübung keinen Nachteil mit sich bringt.

Kontrolle durch Verteidigung

Der Verteidiger erhält Akteneinsicht und wird den Beschuldigten in Kenntnis aller Ermittlungsergebnisse sachgerecht beraten. Hierdurch wird die Chance, ein bestmögliches Ergebnis zu erreichen, erhöht. Aufgabe der Verteidigung ist es auch, die Beweislage kritisch zu prüfen, Widersprüche sowie entlastende Umstände aufzuzeigen, und auf die Vermeidung von Fehlern und Missverständnissen im weiteren Verfahrensgang hinzuwirken.

Bei der Auswahl des Verteidigers ist der Beschuldigte grundsätzlich frei. Die Fallbearbeitung setzt neben profunden Rechtskenntnissen häufig auch Verständnis für die Methoden der Kriminaltechnik, sowie Erkenntnisse der Rechtsmedizin oder Aussagepsychologie voraus. Daher empfiehlt sich die Beauftragung eines im Strafrecht spezialisierten Anwalts, in der Regel eines Fachanwalts für Strafrecht.

RA Martin Doss, Fachanwalt für Strafrecht, Weiden


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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