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Schulrecht: § 90 Schulgesetz BW – Ordnungsmaßnahmen in Baden-Württemberg

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Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen in Baden-Württemberg

Die Hauptaufgabe der Schule liegt neben der Wissensvermittlung in der pädagogischen Arbeit.

Die geschieht durch schulische Erziehungsmaßnahmen und Ordnungsmaßnahmen.

Abgrenzung der Ordnungsmaßnahmen zu bloßen pädagogischen Erziehungsmaßnahmen

In § 90 Abs. 2 Schulgesetz BW wird zwischen bloßen pädagogischen Erziehungsmaßnehmen und Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen differenziert:

„Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen kommen nur in Betracht, soweit pädagogische Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichen; hierzu gehören auch Vereinbarungen über Verhaltensänderungen des Schülers mit diesem und seinen Erziehungsberechtigten. Bei allen Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Schule kann von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen absehen, wenn der Schüler durch soziale Dienste Wiedergutmachung leistet.“

Pädagogische Erziehungsmaßnahmen beginnen bei den ganz niederschwelligen Maßnahmen wie Ermahnungen, Tadel und werden im Wesentlichen gar nicht bemerkt. Sie können aber auch mit einer Handlungsaufforderung verbunden werden, solange sich diese im niederschwelligen Bereich bewegt:

  • Strafarbeit
  • Vor-die-Tür-stellen
  • Verhaltensvereinbarungen mit den Eltern

Demgegenüber geht es bei den in § 90 Abs. 3 Schulgesetz BW geregelten Ordnungsmaßnahmen um gravierendere pädagogische Ahndungen. In Baden-Württemberg sind geregelt:

Nachsitzen bis zu 4 Stunden (sogenannter Rektoratsarrest)

Beim Nachsitzen geht es nicht darum, Aufgaben nachzubearbeiten, die man in der Schule nicht bearbeitet hat, wie es beispielsweise bei Nacharbeiten in Bayern der Fall ist. Das Nachsitzen in Baden-Württemberg ist eine pädagogische Strafe, oftmals verbunden mit einer Rekapitulation der Vorwürfe.

Überweisung in eine Parallelklasse

Die Überweisung in eine Parallelklasse kommt unter pädagogischen Aspekten nur in Betracht, wenn es sich um einen Konflikt innerhalb der Klasse handelt, der nur auf diese Weise gelöst werden kann.

Androhung des Unterrichtsausschlusses

Die Androhung des Unterrichtsausschlusses ist eine letzte Warnung, dass bei einem weiteren Fehlverhalten dieser Größenordnung ein Unterrichtsausschluss ausgesprochen wird. In der Praxis wird die Androhung des Unterrichtsausschlusses in Baden-Württemberg selten ausgesprochen. Meist wird sofort ein Unterrichtsausschluss ausgesprochen.

Unterrichtsausschluss bis zu 5 Tage

Der Unterrichtsausschluss bis zu einer Woche ist die häufigste Ordnungsmaßnahme in Baden-Württemberg. Es ist hierbei eine inflationäre Entwicklung zu beachten, wonach man für Dinge, bei denen man früher eine Strafarbeit oder Nachsitzen erhielt, nunmehr einen Unterrichtsausschluss erhalten soll.

Schulen verlieren dabei zusehends den Bezug zur Angemessenheit, sodass man einen Unterrichtsausschluss immer kritisch hinterfragen sollte. Da es keinen „Bußgeldkatalog im Schulrecht“ gibt, bedarf es freilich einer langen Erfahrung aus zahlreichen Individualfällen, um dies einschätzen zu können.

Hinzu kommt, dass solche Unterrichtsausschlüsse der Einstieg in gravierendere Ordnungsmaßnahmen sind, d. h., wenn diese Hürde überschritten wurde, gewöhnen sich Schulen oft daran und dann geht es mitunter Schlag auf Schlag. Man sollte demnach immer überlegen, ob man sich wehrt.

Unterrichtsausschluss bis zu 4 Wochen

Der Unterrichtsausschluss bis zu 4 Wochen ist in Baden-Württemberg eher selten, da der Schüler hierdurch sehr viel vom Unterricht verpasst und dies dem Recht auf Bildung widerspricht. Insofern sind auch bei der Verhältnismäßigkeit genau zu schauen, ob dies im konkreten Fall zulässig wäre.

In diesem Fall wird man sich (außer in aussichtslosen Fällen) immer wehren müssen.

Androhung des Schulausschlusses

Die Androhung des Schulausschlusses (also des dauerhaften Ausschlusses von der Schule) wird in Baden-Württemberg häufig ausgesprochen, um einen Schulausschluss vorzubereiten.

Da das Damoklesschwert hiernach an einem sehr dünnen Faden hängt, wird man sich immer wehren müssen. Dies gilt auch unter dem Aspekt, dass eigentlich nur ein weiterer qualifizierter Verstoß zu einem Schulausschluss führen kann, die Schulen dies aber oftmals ignorieren und sich schon auf ein „nächstes Mal“ vorbereiten…

Schulausschluss

Der Schulausschluss ist die gravierendste Ordnungsmaßnahme in Baden-Württemberg und nur unter ganz gravierenden Voraussetzungen denkbar! Gegen einen Schulausschluss muss man sich so schnell wie möglich wehren, da ansonsten eine Eigendynamik eintritt, die man nicht mehr in den Griff bekommt…

Der Ausschluss von der Klassenfahrt

Daneben gibt es noch den Ausschluss von einer Klassenfahrt, der in Baden-Württemberg jedoch nicht als Ordnungsmaßnahme, sondern als präventive Maßnahme gem. § 23 Schulgesetz BW geregelt ist.

Es geht in Baden-Württemberg nicht darum, dass ein konkretes Verhalten bestraft werden soll, sondern die präventive Frage, ob ein Schüler zuverlässig genug ist, dass man ihn an einer Klassenfahrt teilnehmen lassen kann oder nicht. Insofern laufen vor allem verhaltensauffällige Schüler Gefahr, von Klassenfahrten ausgeschlossen zu werden.

Anordnung der Ordnungsmaßnahmen

Die Anordnung der Ordnungsmaßnahmen erfolgt

  • durch den Klassenlehrer (Nachsitzen bis zu 2 Stunden)
  • durch den Schulleiter (Nachsitzen bis zu 4 Stunden, Überweisung in eine Parallelklasse, Androhung des Unterrichtsausschlusses und Unterrichtsauschluss)
  • durch den Schulleiter nach Anhörung der Klassenkonferenz (Unterrichtsausschluss bis zu 4 Wochen, Androhung des Schulausschlusses)
  • durch den Schulleiter und Einbeziehung der Schulkonferenz beim Schulausschluss

Natürlich kann der Schulleiter aber immer eine Klassenkonferenz einberufen, um seine Entscheidung auf eine breitere Basis zu stellen.

Anhörung und Beteiligung von Schülern und Eltern gem. § 90 Abs. 7 Schulgesetz BW

Pädagogische Maßnahmen müssen natürlich rechtsstaatlichen Vorgaben genügen. So darf man immer erwarten, dass zumindest dann, wenn unklar ist, ob und was ein Schüler konkret gemacht hat, eine Anhörung des Schülers und ggf. seiner Eltern stattfindet, damit man deren Meinung in die Entscheidungsfindung einbeziehen kann.

Für Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen wird dies in § 90 Abs. 7 Schulgesetz Baden-Württemberg ausdrücklich geregelt:

„Vor der Entscheidung nachzusitzen genügt eine Anhörung des Schülers. Im Übrigen gibt der Schulleiter dem Schüler, bei Minderjährigkeit auch den Erziehungsberechtigten, Gelegenheit zur Anhörung; Schüler und Erziehungsberechtigte können einen Beistand hinzuziehen.“

Und natürlich darf man dann auch erwarten, dass dies nicht nur als lästige Vorgabe erfolgt, sondern auf dieser Basis dann genau nachgeprüft wird, ob und, wenn ja, was man dem Schüler wirklich vorwerfen kann, bevor man eine Entscheidung trifft.

Voraussetzungen für Ordnungsmaßnahmen gem. § 90 Abs. 6 Schulgesetz BW

Die Voraussetzungen für Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen sind in § 90 Abs. 6 Schulgesetz Baden-Württemberg für den Unterrichtsausschluss und den Schulausschluss geregelt:

„Ein zeitweiliger Ausschluss vom Unterricht, seine Androhung oder eine Androhung des Ausschlusses aus der Schule sind nur zulässig, wenn ein Schüler durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten seine Pflichten verletzt und dadurch die Erfüllung der Aufgabe der Schule oder die Rechte anderer gefährdet. Ein Ausschluss aus der Schule ist zulässig, wenn es einen Mitschüler wegen Art und Schwere der Beeinträchtigungen und deren Folgen nicht zumutbar ist, mit dem Schüler weiter dieselbe Schule zu besuchen, oder einer Lehrkraft, ihn weiter zu unterrichten; dem Schutz des Opfers gebührt Vorrang vor dem Interesse des Schülers am Weiterbesuch einer bestimmten Schule. Im Übrigen ist ein Ausschluss aus der Schule nur zulässig, wenn neben den Voraussetzungen des Satzes 1 das Verbleiben des Schülers in der Schule eine Gefahr für die Erziehung und Unterrichtung, die sittliche Entwicklung, Gesundheit und Sicherheit der Mitschüler befürchten lässt.“

Hieraus ergibt sich Folgendes:

  • Für Nachsitzen ist demnach grundsätzlich jeder pädagogische Verstoß denkbar, wobei dies natürlich verhältnismäßig sein muss.
  • Eine Überweisung in die Parallelklasse ist nur denkbar, wenn es Probleme innerhalb der Klasse gibt.
  • Für Unterrichtsausschlüsse und Schulausschlüsse sind die vorstehenden Vorgaben zu beachten und natürlich muss die Ordnungsmaßnahme auch verhältnismäßig sein.

Und für den Ausschluss von einer Klassenfahrt ist (wie vorstehend ausgeführt) nur zu erörtern, ob ein Schuler aufgrund seines Verhaltens die Durchführung der Klassenfahrt oder die Aufsicht der Lehrer in Frage gestellt.

Rechtsschutz gegen Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen in Baden-Württemberg

Der Widerspruch gegen die Anordnung von Ordnungsmaßnahmen hat in Baden-Württemberg keine aufschiebende Wirkung (§ 90 Abs. 3 SchulG BW).

Dies hat weitreichende Konsequenzen, deren sich die meisten Eltern nicht bewusst sind:

  • Wird eine Ordnungsmaßnahme angeordnet, dann wird diese auch dann vollzogen, wenn Widerspruch eingelegt wurde.
  • Und im Regelfall entscheiden weder die Schulen noch die Schulämter kurzfristig über Widersprüche, sodass es meist dazu kommt, dass Widersprüche praktisch leerlaufen: Unterrichtsausschlüsse werden kurzerhand vollzogen, bis man irgendwann die Mitteilung erhält, dass sich die Ordnungsmaßnahme hierdurch erledigt hat. Und bei Schulausschlüssen oder der Überweisung in Parallelklassen werden vollendete Tatsachen geschaffen, sodass viele Eltern aufgeben.

Wer sich gegen Ordnungsmaßnahmen wehren möchte, sollte also schauen, dass diese erst gar nicht angeordnet werden. Und ist dies der Fall, dann hilft meist nur noch ein gerichtlicher Eilantrag.

Schulische Ordnungsmaßnahmen behandle ich deshalb fast immer als Eilmandat, das sofort bearbeitet werden muss. Oftmals geht es um Stunden! 

Näheres zu Ordnungsmaßnahmen in der Schule finden Sie auch auf meiner website: www.ordnungsmassnahmen-schule.de

Rechtsanwalt Andreas Zoller

Anwalt für Schulrecht


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