Schutz vor wettbewerbswidrigem Verhalten bei Geschäften zwischen der EU und Südkorea

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Die Republik Korea unterhält wie die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten umfassende Wettbewerbsregeln und Wettbewerbsbehörden, die mit den erforderlichen Mitteln zur effektiven Rechtsdurchsetzung ausgestattet sind. Neben dem EU-Korea Freihandelsabkommen (FTA), das seit 1. Juli 2011 in Kraft ist, besteht auch ein weniger bekanntes, kurz davor geschlossenes Wettbewerbsabkommen, das auf das Wettbewerbsrecht und die Wettbewerbspolitik beider Vertragspartner Bezug nimmt und Auswirkungen auch auf die Anwendung der nationalen Wettbewerbsrechte jedes einzelnen Mitgliedsstaates der EU hat.


Beide Abkommen – FTA und Wettbewerbsabkommen – nehmen sich wettbewerbsrechtlicher Kerngebiete an, nämlich wettbewerbswidriger Vereinbarungen (Kartellen), des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung sowie Unternehmenszusammenschlüssen, welche den Wettbewerb beschränken können. Zusätzlich enthält das wettbewerbsrechtliche Kapitel des FTA zum ersten Mal auf bilateraler Ebene Regelungen über Subventionen.


Artikel 11 FTA verbietet außerdem ausdrücklich die folgenden, als wettbewerbsbeschränkend bezeichneten Praktiken, soweit sie geeignet sind, den gegenseitigen Handel zwischen den Vertragsparteien zu beeinträchtigen, weil sie „mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren dieses Abkommens unvereinbar sind“:


  • Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüssen von Unternehmensverbänden und abgestimmte Verhaltensweisen, die im gesamten Gebiet der jeweiligen Vertragspartei oder in einem wesentlichen Teil dieses Gebietes die Verhinderung, Einschränkung oder Verzerrung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken;
  • die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im gesamten Gebiet der jeweiligen Vertragspartei oder in einem wesentlichen Teil dieses Gebietes durch ein oder mehrere Unternehmen; und
  • Unternehmenszusammenschlüsse, die insbesondere durch die Schaffung oder den Ausbau einer marktbeherrschenden Stellung im gesamten Gebiet der jeweiligen Vertragspartei oder in einem wesentlichen Teil dieses Gebietes einen wirksamen Wettbewerb erheblich behindern.


Auch öffentliche Unternehmen und Unternehmen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten werden durch Artikel 11 FTA an die oben genannten Grundsätze und Wettbewerbsregeln gebunden, „soweit die Anwendung dieser Grundsätze und des Wettbewerbsrechts die Erfüllung der diesen Unternehmen übertragenen besonderen Aufgaben weder rechtlich noch tatsächlich behindert.“


Rechtsdurchsetzung


Der besondere Wert eines Freihandelsabkommens liegt in der Bindungswirkung seiner Vorschriften zwischen den Vertragsparteien und der Möglichkeit, Rechte daraus durchzusetzen oder Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung der Rechte, die das Freihandelsabkommen gewährt, nach einem formellen und bindenden Verfahren beizulegen. Einen solchen Mechanismus sieht das EU-Korea FTA vor. Das Streitbeilegungsverfahren kann in der Folge – nach erfolglosen Konsultationsversuchen – zu einer verbindlichen Entscheidung eines Schiedspanels führen, und dieses kann in letzter Konsequenz mittels Handelsmaßnahmen durchgesetzt werden.


Was bedeutet dies für Unternehmen, die mit wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen konfrontiert sind? 


Während das FTA zwar ausdrücklich Kartelle, Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und wettbewerbswidrige Zusammenschlüsse verbietet und verbindliche Regeln für öffentliche und staatliche Unternehmen aufstellt, wird der betreffende Abschnitt ausdrücklich vom Streitbeilegungsmechanismus des FTA ausgenommen – es soll in dieser Hinsicht daher nur das Wettbewerbsabkommen gelten. Dieses sieht lediglich eine „Zusammenarbeit und Koordinierung“ bezüglich Durchsetzungsmaßnahmen der Europäischen Kommission und der Koreanischen Kommission für fairen Handel und im Speziellen die dortigen Verfahren zur Zusammenarbeit bei der Durchsetzung, zur Mitteilung, zur Konsultation und zum Austausch nicht vertraulicher Information vor – es bleibt zunächst also eine reine zwischenstaatliche Absichtserklärung und zahnlose Kooperationsvereinbarung.


Einen Zugang mit gewissen Erfolgsaussichten öffnet jedoch Artikel 11.7 FTA. Gemäß dieser Bestimmung und sofern keine spezifischeren Bestimmungen im bezughabenden Wettbewerbsabkommen vorgesehen sind, muss eine Vertragspartei des FTA (also die EU oder Korea) Konsultationen über Stellungnahmen der anderen Vertragspartei aufnehmen, „um die gegenseitige Verständigung zwischen den Vertragsparteien zu fördern oder spezifische Fragen zu diesem Abschnitt zu erörtern“, falls die andere Partei solche Konsultationen begehrt. Die andere Vertragspartei hat in ihrem Ersuchen gegebenenfalls anzugeben, inwiefern die Frage den Handel zwischen den Vertragsparteien betrifft, und beide haben jede Frage, die sich aus der Auslegung oder Anwendung der Wettbewerbsvorschriften des FTA ergibt, unverzüglich zu erörtern.


Die Reichweite an Themen, die in solchen Konsultationen angesprochen werden können, ist dadurch deutlich ausgeweitet und bezieht sich auch auf aktuelle Angelegenheiten, die als Beeinträchtigung fairen Wettbewerbs in der EU oder in Korea betrachtet werden.


Betroffenen europäischen Unternehmen kommt dabei in solchen Verfahren allerdings keine Parteistellung zu. Eine gewisse Rechtsstellung können Unternehmen und Unternehmensvereinigungen dennoch erhalten. Denn sie haben das Recht, bei der Europäischen Kommission einen Antrag auf Einleitung eines Verfahrens nach der europäischen Verordnung gegen Handelshemmnisse (Trade Barrier Regulation) zu stellen, sollte die koreanische Seite ihren Verpflichtungen aus dem FTA (einschließlich jener des gesamten Kapitels 11) nicht nachkommen.


Anders sieht es für den Bereich der Subventionen aus. Diese werden gemäß den Bestimmungen des FTA nicht auf eine Diskussion im Handelsausschuss beschränkt sein, sondern können schon jetzt vollumfänglich dem WTO-Streitbeilegungsmechanismus unterworfen werden.


Artikel auf shb-law.at



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