Sensationsentscheidung des EuGH – ist die SCHUFA vor dem Aus?

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Seit längerem erfährt die Tätigkeit sogenannter Auskunfteien harsche Kritik durch Verbraucherschützer – wie sich nun herausgestellt hat: mit Recht! 

Mit der heutigen Entscheidung des EuGH steht nun endgültig fest: die Vorgehensweise der SCHUFA Holding AG“, Deutschlands bekannteste Wirtschaftsauskunftei, im Rahmen der Erstellung sogenannter „Bonitäts-Scoringwerte“ ist aus europäischer Sicht grundsätzlich verboten und verstößt gegen Art. 22 DSGVO. Der Europäische Gerichtshof macht deutlich, dass die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) Datenverarbeitungspraktiken der SCHUFA Holding AG entgegensteht:

„Der Gerichtshof entscheidet, dass das „Scoring“ als eine von der DSGVO grundsätzlich verbotene „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ anzusehen ist, sofern die Kunden der SCHUFA, wie beispielsweise Banken, ihm eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimessen.“ (vgl. Pressemitteilung EuGH in Sachen C-634/21, vom 07.12.2023)

Grund ist der Erstellungsvorgang dieser Bonitätswerte durch die Auskunftei, welche nach Ansicht des EuGH gegen das europaweit geltende Verbot automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten verstößt. Automatisierte Entscheidung bergen ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen, insbesondere im Rahmen der Verarbeitung sensibler Wirtschaftsdaten, der Geschäftsschwerpunkt der SCHUFA Holding AG. Es kann u.E. nicht ausgeschlossen werden, dass Verbraucher im Rahmen dieser Verfahren zu Unrecht in ihrer Kreditwürdigkeit herabgestuft werden. 

Die Art, der konkrete Einfluss und die Gewichtung der personenbezogenen Daten, welche die Schufa täglich verarbeitet, bleibt ein Geschäftsgeheimnis und wird seitens der SCHUFA nicht offengelegt. 

Bereits 2020 berichtete die Tagessschau von Auffälligkeiten hinsichtlich der Belastbarkeit der SCHUFA-Scorewerte: „Es ist Deutschlands bekannteste Auskunftei. Doch wie Schufa-Bewertungen zustande kommen, ist unklar. Eine Datenauswertung von BR und "Spiegel" zeigt: Viele Menschen werden offenbar unverschuldet zum Risikofall erklärt. […] Nur positive Informationen bedeuten noch lange keinen einwandfreien Score. Von jenen Verbrauchern im Datensatz, bei denen etwa keine Zahlungsausfälle vorliegen, bescheinigt die Schufa jedem Achten dennoch ein nur zufriedenstellendes bis erhöhtes oder gar hohes Risiko im Basisscore. Das kann dazu führen, dass Verbraucher keinen Handyvertrag bekommen oder ihren Kreditrahmen nicht erhöhen können.“ (vgl. Tagesschau-Artikel „Unverschuldet als Risikofall eingestuft?“ von Oliver Schnuck und Maximilian Zierer, BR, Stand: 08.09.2020 06:01 Uhr)

Gegenstand des Verfahrens sind verschiedene Vorabentscheidungsverfahren des hessischen Verwaltungsgerichts Wiesbaden. 

Datenschutzexperte und Geschäftsführer der auf Verbraucherschutz spezialisierten Kanzlei „Wawra & Gaibler Rechtsanwälte“ Dr. Florian Gaibler begrüßt die Entscheidung des Gerichts und sieht die Rechte der Verbraucher gestärkt: „Es war zu erwarten, dass sich der EuGH der gut begründeten Rechtsansicht des Generalanwalts Priit Pikamäe anschließen wird. Dieses Urteil ist ein Meilenstein im Bereich Datenschutz und ein wichtiger Erfolg im Verbraucherschutzkampf gegen die SCHUFA / Schufa Holding AG. Bereits mehr als 2.000 betroffene Verbraucher haben sich mit uns für ein Verfahren zur Geltendmachung ihrer Rechte entschieden. Den Betroffenen stehen u.E. aufgrund des rechtswidrigen Scorings unter anderem auch Schadensersatzansprüche zu.

Die Klagewelle wird jedoch vermutlich gerade erst ihren Anfang genommen haben. Es ist in Anbetracht der heutigen Entscheidung und der massiven Anzahl an Betroffenen zu erwarten, dass sich  viele geschädigte Verbraucher anschließen werden.

Auch wenn bislang noch nicht völlig abzusehen ist, wie sich dieses Urteil auf das etablierte System der Wirtschaftsauskunfteien auswirken wird, steht mit der heutigen Entscheidung fest:

Deutschland größten und einflussreichsten Wirtschaftsauskunfteien, darunter die SCHUFA Holding AG, aber auch die Creditreform Boniversum GmbH, infoscore Consumer Data GmbH sind nun zum Handeln verpflichtet. Die bisherige Geschäftspraxis der privatwirtschaftlich agierenden Auskunfteien ist unseres Erachtens rechtswidrig und schädigt täglich vermutlich tausende Verbraucher. Diese Ansicht wurde vom EuGH nun bestärkt. 

Zahlreiche Verbraucher machen bereits von Ihren Rechten gegen Deutschlands größte und einflussreichste Kredit-Auskunftei Gebrauch, Tendenz steigend. Die deutschlandweit tätige Verbraucherschutzkanzlei Wawra & Gaibler Rechtsanwälte, Kanzlei der ersten Stunde im sogenannten „Diesel-Abgasskandal“, rät ebenfalls zur Klage und bietet kostenlose und unverbindliche Ersteinschätzungsmöglichkeiten an.

Aktuell vertritt die auf Datenschutz spezialisierte Kanzlei die Interessen hunderter Verbraucher in SCHUFA-Angelegenheiten. Den betroffenen Verbrauchern stehen unseres Erachtens wegen etwaig rechtswidrigem Scoring überdies auch Schadensersatz zu. 

Foto(s): stock.adobe.com/292867604

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