Sexuelle Belästigung in Deutschland – Erläuterungen und Definitionen

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Sexuelle Belästigung gemäß § 184 i StGB – Der Grapsch-Paragraph

Aufgrund der öffentlichen Diskussionen im Zuge der Übergriffe von Köln in der Silvesternacht 2015/2016, fiel die schon lange geplante Reform des Sexualstrafrechts umfangreicher aus als zunächst angedacht.

Neben einer Verschärfung der Regelungen zur sexuellen Nötigung/Vergewaltigung (§ 177 StGB) wurde der § 184 i StGB neu ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Anders als der sexuelle Missbrauch und die sexuelle Nötigung war eine sexuelle Belästigung in Deutschland bis dahin nicht ausdrücklich strafbar.

Zuvor fielen solche Handlungen nur unter bestimmten Voraussetzungen unter den Straftatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB. Handlungen mit sexuellem Hintergrund waren daher nur dann abgedeckt, wenn besondere Umstände zugleich den Tatbestand einer Beleidigung erfüllten.

So bestand für vermeintlich unerhebliche Handlungen wie Busen- oder Po-Grapschen kein Straftatbestand. Diese Lücke wurde nunmehr über § 184i StGB geschlossen.

Bei der sexuellen Belästigung handelt es sich um eine besondere Form der Belästigung, die insbesondere auf das körperliche Berühren der betroffenen Person abzielt. 

Abgrenzung zu weiteren Sexualstraftaten

Die sexuelle Belästigung ist zunächst abzugrenzen von der sexuellen Nötigung/Vergewaltigung (§ 177 StGB). 

Gem. § 177 StGB macht sich strafbar wer sexuelle Handlungen an einer Person vornimmt oder sich von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt. Der Tatbestand umfasst diverse varianten und Begehungsformen mit jeweils abgestufter Strafandrohung.

All den verschiedenen Varianten gemein ist, dass sexuelle Handlungen vorgenommen werden müssen. 

Weiterhin ist die sexuelle Belästigung nach § 184 i StGB vom sexuellen Missbrauch gem. §§ 174ff., 176, 176a StGB abzugrenzen. Der sexuelle Missbrauch stellt die Vornahme sexueller Handlungen an einem bestimmten Personenkreis unter Strafe. So stellt z. B. der § 174 C StGB den sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs- Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses dar. Die §§ 176, 176 a StGB stellen die Vornahme sexueller Handlungen an/ von Kindern (eine Person unter 14 Jahren) unter Strafe.

Was genau bedeutet sexuelle Belästigung und wann liegt eine Strafbarkeit vor?

Die Vornahme einer sexuellen Handlung wird nicht vorausgesetzt. Nach § 184 h StGB muss eine sexuelle Handlung einige Erheblichkeit haben. Das erklärte Ziel des Gesetzgebers war es die Strafbarkeitsschwelle unter die Grenze der Erheblichkeit im Sinne des § 184 h StGB herabzusetzen. 

Tathandlung im Rahmen des § 184 i StGB ist eine körperliche Berührung in sexuell bestimmter Weise. Vorausgesetzt wird also ein in sexuell bestimmter Weise erfolgter Körperkontakt mit dem Opfer, wobei der Täter auch einen Gegenstand verwenden kann. Vorausgesetzt ist aber immer, dass die Berührung in unmittelbarem Kontakt zwischen Täter und Opfer geschieht. Strafbar macht sich also nur derjenige, der die Berührung selbst vornimmt. 

Unerheblich ist, ob die Körperstellen bekleidet sind. Sexuelle Handlungen „vor“ einer anderen Person fallen unter § 183 StGB. Obszöne Äußerungen oder Gesten werden nicht erfasst. Bloße Distanzlosigkeiten oder Ungehörigkeiten reichen nicht aus.

Die Körperberührung muss nach ihrem äußeren Erscheinungsbild eine sexuelle Konnotation aufweisen. Die Formulierung „in sexuell bestimmter Weise“ bedeutet nicht, dass die Motivation des Täters über den sexuellen Charakter der Handlung entscheidet. Maßgeblich ist vielmehr das allgemeine Verständnis, insbesondere die sozio-kulturell bestimmte Bedeutung der berührten Körperstelle.

Und genau hier liegt das Problem. Die Auslegung der „sozial nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung“. Dem Tatrichter wird letztlich ein enormer Beurteilungsspielraum eröffnet. Und genau hierin liegt die Problematik dieser Strafvorschrift. 

Strafbar wären etwa:

  • Aufgedrängte Küsse
  • Umarmungen
  • Klaps auf den Po
  • Streicheln von Armen und Beinen

Die in sexuell bestimmter Weise erfolgte Körperberührung ist jedoch nur dann strafbar, wenn das Opfer hierdurch belästigt wird. Die Belästigung kennzeichnet die Missachtung der sexuellen Selbstbestimmung des Opfers. Ähnlich wie bei § 177 StGB wird nach dem erkennbar fehlenden Willen des Opfers bestimmt, ob die Berührung unerwünscht ist.

Schwierig wird es in einer ambivalenten Situation. Hier ist wohl davon auszugehen, dass keine Belästigung vorliegt, wenn die betroffene Person ihren Widerwillen nicht deutlich zum Ausdruck bringt.

Dem Täter muss die sexuelle Bedeutung seines Verhaltens bewusst sein. Eine weitergehende Motivation, wie etwa sich zu erregen oder das Opfer zu beschämen, ist nicht erforderlich.

Die irrige Annahme des Beschuldigten, dass das Opfer mit der Berührung einverstanden ist, schließt den Vorsatz aus. 

Tatbestandlos sind Berührungen im Zusammenhang mit hoheitlichen Eingriffen (z. B. bei einer körperlichen Durchsuchung). In solchen Fällen erfolgen die Durchsuchungen nicht in sexuell bestimmter Weise. 

Rechtsfolgen/Strafe

Der § 184 i Absatz 1 StGB sieht als Rechtsfolge eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vor. 

Diese Strafandrohung ist sehr hoch. Es ist nicht ersichtlich wie eine nicht erhebliche Berührung zwei Jahre Freiheitsstrafe rechtfertigen kann. 

Der § 184 Abs. 2 StGB sieht einen eklatant überzogenen Strafrahmen vor. Der Absatz zwei sieht für besonders schwere Fälle einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Auch hier ist zu hinterfragen, wie man sich einen besonders schweren Fall einer nicht erheblichen Handlung vorstellen soll.


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