Solar Millennium AG – Zur Frage des gemeinsamen Vertreters

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1. Technische Nullnummer
2. Zweifel auch in den USA
3. Alter Wein in neuen Schläuchen
4. IFRS-Buchhaltung
5. Zur Frage des gemeinsamen Vertreters
6. Insolvenzverfahren

1. Technische Nullnummer
Die von Solar Millennium AG betriebene Technik soll nach Auffassung von technischen Sachverständigen funktionsuntüchtig sein. Es sei absurd zu denken, eine für den privaten Haushalt konstruierte solarthermische Absorberrinne könne aus- und umgebaut werden, um für die industrielle Nutzung notwendige Temperaturen zu erzielen. Für die industrielle Betreibung eines Kraftwerkes seien Temperaturen notwendig, die über 1.000° Cel. liegen und Systeme, die die Sonnenenergie maximal bündeln und keine thermischen Öle benötigen, um die Temperaturen zum Wärmetauscher abzuführen, so ein Sachverständiger der Construction Control KG aus Bremen, siehe http://www.construction-control.net/pages/unternehmen/impressum.php).

2. Zweifel auch in den USA
Die im Dezember 2011 in Insolvenz gefallene Solar Millennium AG in Erlangen betreibt in den USA gemeinsam mit der Solarhybrid AG ein Joint Venture unter der Firma Solar Trust of America LLC. Die Anteile an der Solar Trust of America LLC mit Geschäftssitz in Oakland, Kalifornien, werden zu 70% von der insolventen Solar Millennium AG und zu 30 % von der Solarhybrid AG gehalten, Geschäftsführer ist ein Herr Uwe S.

Die Solar Trust of America LLC betreibt die Projektentwicklung der angeblich größten Solarkraftanlage der Welt in Blythe, Kalifornien, einer Kleinstadt mit ca. 22.000 Einwohnern rund 180 km östlich von Los Angeles. Auf der offiziellen Webseite der Stadt Blythe finden sich allerdings keinerlei Hinweise auf die Planung und Entwicklung einer Solarenergieanlage. Größte Arbeitgeber der Stadt sind 2 Staatsgefängnisse. Weitere Projekte will die Solar Trust of America LLC in Desert City, Kalifornien, und außerhalb von Las Vegas, Nevada voranführen, deren Investitionsvolumen angeblich weit über US$ 4 Mrd. liegen sollen. Soweit ersichtlich, hat keines dieser Projekte über Absichtserklärungen und Planungen hinaus Gestalt angenommen, obwohl die Solar Trust of America LLC den Baubeginn für das 3. Quartal 2011 angekündigt und die Inbetriebnahme für das erste Halbjahr 2014 prognostiziert hatte. Die Solar Trust of America LLC verfügt damit in den USA über keine einzige funktionierende Solaranlage, die Energie produziert und der Gesellschaft Einnahmen generiert.

Am 22. Dezember 2011 hat die Solar Trust of America LLC in einer in englischer Sprache verfassten Pressemitteilung durch ihren Sprecher Edward Sullivan verlauten lassen, dass die Insolvenz der Mehrheitseignerin Solar Millennium AG keinerlei direkten Einfluss auf die Geschäftstätigkeit - und entwicklung der Solar Trust of America LLC habe. In derselben Veröffentlichung kündigt die Solar Trust of America LLC an, dass die Solarhybrid AG bereits im Mai 2011 eine Absichtserklärung dahingehend abgegeben habe, alle laufenden Projekte der Solar Trust of America LLC in den USA, Spanien und Ägypten kaufen zu wollen. In einer früheren Veröffentlichung hatten die Solar Trust of America LLC, bzw. die Solar Millennium AG verlautbart, dass das US-Energieministerium Finanzierungsgarantien von über US$ 2 Mrd. abzugeben bereit sei. Maßgeblich beteiligt an der Finanzierungssicherung der angeblichen Projekte der Solar Trust of America LLC mit einem Volumen von insgesamt mehr als über US$ 6 Mrd. sind die deutsche Deutsche Bank Securities AG und die Citigroup Global Markets Inc. Beide Banken waren, soweit nachvollziehbar, mit der Beschaffung von Kapital durch market making und Verkauf von Aktien und anderen Finanzinstrumenten an institutionelle und private Anleger beauftragt. Autor der vorstehenden Erkenntnisse ist RA Helge Naber, Bremen, Attorney at Law, Montana.

3. Alter Wein in neuen Schläuchen
Bei einem Vorgängermodell von Solar Millennium AG, der DM Beteiligungen AG, wurden die Schuldverschreibungen ebenfalls zu einem großen Teil "verbrannt". Die DM Beteiligungen AG war eine faktische Tochtergesellschaft der Wohnungsbaugesellschaft Leipzig West AG (WBG) gewesen. Bei der WBG wurde spätestens ab 2000 „voll in die Kassen gegriffen". Erst im Mai 2006 untersagte die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) die Emission von Teilschuldverschreibungen. Die Geschäfte wurden ebenfalls aus Erlangen gesteuert.

Bilanzmanipulationen erfolgten durch überhöhte Bewertungen von Unternehmensanteilen - entgegen internen Warnungen untadeliger Persönlichkeiten. Künstliche Wertsteigerungen von Phantomfirmenanteilen ermöglichten Buchgewinne über Tochterfirmen. Gewinne wurden durch Mehrecksverrechnungen mit Verlusten innerhalb eines Netzes von Tarnfirmen um die DM Beteiligungen AG herum kompensiert. Der Jahresüberschuss war stets negativ. Steuern wurden niemals gezahlt.

Die Insolvenzquote bei der DM AG soll zwischen 10 -15 % betragen, die bei der WBG soll sich im einstelligen Bereich bewegen. Zunächst war von Pessimisten eine Nullquote angenommen worden.

Die Analyse des Geschäftsmodells der DM AG, 9000 Geschädigte, Schaden mehr als 100 Mio. Euro, ergab grob sieben Kategorien in der Kostenstruktur. Es betrug die Abschöpfungsquote der Initiatoren ca. 43 %. Ca. 26 % flossen als Scheinrendite an die Anlieger zurück. Ca. 26 % wurden für echte Dienstleistungen, also Gehaltskosten, Miete etc.) aufgewendet.

Die Schadensersatzverfahren gegen die Verantwortlichen aus den Vorgängermodellen laufen beim Landgericht Leipzig und beim OLG Dresden. Das Ergebnis ist offen. Wegen der Verfahrensrisiken ist eine Rechtsschutzversicherung oder ein Prozessfinanzierer erforderlich.

4) IFRS-Buchhaltung
Eine Buchhaltung nach den Grundsätzen der IFRS ermöglicht es einem an sich wegen Überschuldung insolvenzreifen Unternehmen, sich als für Investoren attraktiv darzustellen. Derartige Unternehmen leben im Wesentlichen nicht von ihrer Rentabilität in der Realwirtschaft, sondern vielfach von Kapitalerhöhungen, Fusionen, Anlegergeldern, Schneeballsystemen, Prospekten und Schuldenschnitten.

Als Vermögenswerte können nach dem IFRS beispielsweise dargestellt werden an sich wertlose „Goodwills" aus „Asset Deals" im Einzelabschluss. Selbst ausgegebene Wertpapieren können mit einem Fantasiewert als Vermögen eingestellt werden. Maßgeblich ist ein irgendwie begründeter „fair value". Bei Lehman Brothers musste die Markowitztheorie für einen derartigen Scheinwert lange herhalten („Risikodiversifiktion").

Der Geschäftsbericht von Solar Millennium AG 2009/1010 enthält dementsprechende esoterische Erklärungen:

„Zur Darstellung von Marktrisiken verlangt IFRS 7 Sensivitätsanalysen, die Auswirkungen hypothetischer Änderungen von relevanten Risikovariablen auf Ergebnis und Eigenkapital zeigen. Die periodischen Auswirkungen werden bestimmt, indem die hypothetischen Änderungen der Risikovariablen auf den Bestand der Finanzinstrumente zum Abschlusstag bezogen werden. Dabei wird unterstellt, dass der Bestand zum Stichtag repräsentativ für das Geschäftsjahr ist.

Währungsrisiken im Sinne von IFRS 7 entstehen durch Finanzinstrumente, welche in einer von der funktionalen Währung abweichenden Währung denominiert und monetärer Art sind, wechselkursbedingte Differenzen aus der Umrechnung von Einzelabschlüssen in die Konzernwährung bleiben unberücksichtigt", so der Geschäftsbericht Solar Millennium AG 2009, 2010, Seite 133.

Auf drei Zeichen gebracht bedeutet diese Information nichts anderes als die Formel null gleich null, das heißt 0 = 0. Goethe hätte die reine Vernunft als ein Nichts nicht genialer formulieren können. Eine entsprechende Risikoaufklärung gegenüber den Anlegern erfolgte nicht.

5) Zur Frage des gemeinsamen Vertreters
Bei Inhaberschuldverschreibungen kann ein gemeinsamer Vertreter aller Schuldverschreibungsgläubiger bestellt oder gewählt werden. Die Kosten gehen zu Lasten der Masse oder zu Lasten der Gläubiger. Dieses ist negativ.

Die Erfahrungen damit sind bei den beiden Vorgängerfirmen der Solar Millennium AG nicht die besten. Bei der DM Beteiligungen AG mussten alle Gläubiger später noch eigene Kosten für den gemeinsamen Vertreter tragen. In einigen Fällen berichteten hysterische Anrufe von Gerichtsvollziehern, die im Küchengeschirr nach Familienschmuck zum Ausgleich der Kosten für den Gemeinsamen Vertreter suchten. Aus diesen Gründen sollte man auf einen gemeinsamen Vertreter verzichten.

Bei der Wohnungsbaugesellschaft Leipzig West wurde kein gemeinsamer Vertreter bestellt. Ohne ihn geht es besser.

6) Insolvenzverfahren
Eine Anmeldung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Insolvenzverwalter erfolgt erst nach Eröffnung des Verfahrens. Derzeit ist das Verfahren noch nicht eröffnet.

Geschädigte können sich der Interessensgemeinschaft Solar Millennium AG unter 0421/321121 kostenfrei anschließen. Die Beratung durch die Kanzlei der Rechtanwälte Robert, Kempas, Segelken, Bremen, ist kostenfrei unter 0421/321121.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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