Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH – Vertrauensschutz?

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Die Entscheidung

Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 22.02.2019, L 4 BA 313/18, entschieden, dass ein Vertrauensschutz auf die sogenannte „Kopf und Seele“-Rechtsprechung des BSG ausscheidet, wenn nach eigenem Vortrag bereits die Voraussetzungen dieser Rechtsprechung nicht gegeben sind. 

Dies gelte unabhängig von der Frage, ob es sich um eine gefestigte und langjährige Rechtsprechung handle. Außerdem sei es widersprüchlich, sich nachträglich auf Vertrauensschutz zu berufen, wenn von der gesetzlichen Möglichkeit des Statusfeststellungsverfahrens nach Gründung der GmbH nicht Gebrauch gemacht worden sei.

Der Senat bestätigte zudem die Grundsätze für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV.

Demnach ist eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft nicht bereits durch die Stellung des Betroffenen als Gesellschafter ausgeschlossen. Bei am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführern ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft wesentliches Merkmal. 

Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbständig tätig, sondern muss, über seine Gesellschafterstellung hinaus Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist anzunehmen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital hält. 

Ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt.

Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbständiger anzusehen, wenn er exakt 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende („echte“), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Demgegenüber ist eine „unechte“, auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln. 

Nach der aktuellen Entscheidung des LSG hat die Rechtsprechung des BSG in der Vergangenheit eine abhängige Beschäftigung nur in sehr eng begrenzten Einzelfällen angenommen, wenn eine maßgebliche Unternehmensbeteiligung fehlte. 

Dies insbesondere bei denjenigen, die aufgrund einer verwandtschaftlichen Beziehung faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führten (vgl. BSG Urteil vom 08.12.1987, 7 Rar 25/86). 

Diese Rechtsprechung hat das BSG inzwischen aufgegeben, da eine Statuszuordnung, die vom rein faktischen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten abhängig ist, mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht vereinbar sei (sog. „Schönwetter-Selbständigkeit“). 

Vor diesem Hintergrund könne auch die für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung entwickelte sog. „Kopf- und Seele“-Rechtsprechung des BSG für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nicht mehr herangezogen werden. 

Auswirkungen auf die Praxis

Nachdem das BSG mit Urteil vom 29.07.2015 (B 12 KR 23/13 R) die bis dahin noch gültige „Kopf und Seele“-Rechtsprechung zur Sozialversicherungspflicht beim Gesellschafter-Geschäftsführer in einer Familien-GmbH endgültig aufgegeben hatte, stellte sich die Frage, ob man sich zur Abwendung der Beitragsnachforderungen auf Vertrauensschutz für die Vergangenheit berufen kann. 

Nach der vorliegenden Entscheidung des LSG ist ein Vertrauensschutz auf die „Kopf und Seele“-Rechtsprechung allenfalls denkbar, wenn die Voraussetzungen der „alten“ BSG-Rechtsprechung vorliegen und Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass die Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH hierauf vertraut haben. 

Allerdings kann man sich nach dieser Entscheidung nicht nachträglich auf Vertrauensschutz berufen, wenn von der gesetzlichen Möglichkeit des Statusfeststellungsverfahrens nach Gründung der GmbH kein Gebrauch gemacht wurde. 

Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag – für den wir keine Haftung übernehmen – eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen kann.

Alexander Seltmann

Rechtsanwalt und

Fachanwalt für Sozialrecht

Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Stuttgart


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