Stellenabbau bei Bombardier: Hinweise für betroffene Arbeitnehmer (Teil 2)
- 7 Minuten Lesezeit
Ein Artikel von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen, und Philipp Modrach, wissenschaftlicher Mitarbeiter
Laut Medienberichten und einer Pressemitteilung will der kanadische Konzern Bombardier im Laufe der kommenden zwei Jahre bis zu 7000 Stellen weltweit streichen. Gemäß einer Pressemitteilung von Bombardier betrifft dies auch 3200 Stellen der Zugsparte von Bombardier (Bombardier Transportation), die ihren Sitz in Berlin hat. Demnach können auch deutsche Arbeitnehmer betroffen sein. Laut der Pressemitteilung, welche im Rahmen des finanziellen Ergebnisberichts des 4. Quartals und des endenden Jahres zum 31.12.2015 (Pressemitteilung zu finden als: „Bombardier Announces Financial Results for the Fourth Quarter and the Year Ended December 31, 2015) veröffentlicht wurde, soll demnach eine „Global workforce optimization“ stattfinden. Dies bedingt den Abbau von 7000 Arbeitsplätzen weltweit, wovon nach aktuellen Medienberichten womöglich 1430 Arbeitsplätze in Deutschland betroffen sind.
Unabhängig davon, ob Bombardier zeitglich in bestimmten Wachstumsgebieten neue Arbeitsplätze schaffen will, könnte es also dazu kommen, dass es für einige Arbeitnehmer eng wird.
In einem solchen Fall könnte die Kernfrage lauten: „Was muss ich als Arbeitnehmer beachten, wenn ein Unternehmen den Abbau von Stellen ankündigt?“
Vorsicht wenn der Inhalt des Arbeitsverhältnisses geändert wird:
Das Weisungsrecht des Arbeitgebers wird regelmäßig im Arbeitsvertrag geregelt sein. Hat der Arbeitgeber ein solches Weisungsrecht, besteht die Möglichkeit, dass einem Arbeitnehmer andere beziehungsweise neue Tätigkeiten zugewiesen werden. Dies mag für den einzelnen Arbeitnehmer vorerst gar nicht so schlimm aussehen, sodass dieser sich gegen etwaige Änderungen der Inhalte des Arbeitsverhältnisses gar nicht zur Wehr setzt. Meistens wird dadurch aber das Risiko für die Zukunft verkannt.
In der Vergangenheit spielte sich die Situation in größeren Unternehmen häufig wie folgt ab:
Arbeitnehmer und Mitarbeiter, die von dem Arbeitgeber in Zukunft langfristig nicht mehr benötigt werden, werden zunächst in eine gesonderte Abteilung „versetzt“. Dort wird dann an für einen längeren Zeitraum an einem Projekt gearbeitet. Meist ist dieses Projekt realistisch betrachtet eher nutzlos, sodass manche Mitarbeiter sich woanders bewerben und aufgrund Ihrer Unzufriedenheit den Arbeitgeber wechseln. Für diejenigen, die das nicht tun, kann dann im Zweifel eine irgendwann ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung das Ende des Arbeitsverhältnisses bedeuten, da der Arbeitgeber die Abteilung für dieses Projekt schließt und dann bezüglich der Sozialauswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer sagt, dass nur die Mitarbeiter, die in dieser einen Abteilung gearbeitet haben miteinander vergleichbar sind.
Vorsicht, wenn der Arbeitgeber Änderungskündigungen ausspricht:
Sofern der Arbeitgeber kein arbeitsvertraglich vereinbartes Weisungsrecht hat, wird die Änderung der Arbeitsbedingungen und somit eine Änderung des Inhalts des Arbeitsverhältnisses entweder über eine Änderung im gegenseitigen Einverständnis gelingen. Weigert sich der Arbeitnehmer, bleibt dem Arbeitgeber nur die Änderungskündigung.
Eine solche Kündigung verbindet die Kündigung des mit dem Arbeitnehmer bestehenden Vertrages mit dem gleichzeitigen Angebot, dass das Arbeitsverhältnis zu geänderten Arbeitsbedingungen fortgesetzt werden kann, falls der Arbeitnehmer sich damit einverstanden erklärt.
Die Änderungskündigung und ihr Inhalt:
Eine Änderungskündigung besteht aus
- einem Angebot der genau formulierten zukünftigen Arbeitsbedingungen, wie der Arbeitgeber sich die Änderung vorstellt und
- einer Kündigung für den Fall, dass der Arbeitnehmer nicht sein Einverständnis mit dem Änderungsangebot erklärt, welche dann das Arbeitsverhältnis beenden soll.
Die Wirksamkeit einer Änderungskündigung:
Für eine Änderungskündigung gelten demnach alle rechtlichen Anforderungen wie für eine Beendigungskündigung. Genauso wie bei Beendigungskündigungen muss in solchen Fällen zunächst die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes überprüft werden. Ist dies der Fall, gilt auch für Änderungskündigungen, dass diese für ihre Wirksamkeit sozial gerechtfertigt sein müssen.
Selbst ein einzelnes, möglicherweise minimales Verlangen des Arbeitgebers bezüglich einer Änderung der Arbeitsbedingungen kann zur Unwirksamkeit der gesamten Änderungskündigung führen.
Für die Unwirksamkeit der Änderungskündigung ist es unerheblich, in welcher Reihenfolge Änderungsangebot und Kündigung erfolgen. Zulässig ist hier beispielsweise, dass das Änderungsangebot in ein Kündigungsschreiben mit aufgenommen wird oder die Kündigung dem Änderungsangebot nachfolgt. Unwirksam ist die Änderungskündigung jedoch dann, wenn das Angebot, das Arbeitsverhältnis mit geänderten Bedingungen fortzusetzen, erst nach der Kündigung ausgesprochen wird.
In den seltensten Fällen ist eine außerordentliche fristlose Änderungskündigung zulässig, sodass regelmäßig auch hier die Kündigungsfrist gewahrt werden muss.
Wie reagiert man auf eine Änderungskündigung?
Bei Erhalt einer Änderungskündigung bieten sich dem Arbeitnehmer drei Möglichkeiten:
- Zustimmung: Der Arbeitnehmer kann der gewünschten Änderung der Arbeitsbedingungen zustimmen. Das Arbeitsverhältnis wird dann zu den geänderten Arbeitsbedingungen fortgesetzt.
- Zustimmung unter Vorbehalt: Eine Zustimmung ist auch unter dem Vorbehalt, dass die Änderungen nicht sozial ungerechtfertigt sind, möglich. Einen solchen Vorbehalt muss der Arbeitnehmer innerhalb der Frist einer Kündigungsschutzklage – also innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung – gegenüber dem Arbeitgeber erklären. Außerdem muss der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Änderungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben und die Feststellung verlangen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist. Das Arbeitsverhältnis des Arbeitgebers mit dem Arbeitnehmer gilt dann zu unveränderten Bedingungen fort, wenn der Arbeitnehmer die Änderungsschutzklage gewinnt. Verliert der Arbeitnehmer, besteht sein Arbeitsverhältnis zu den geänderten Arbeitsbedingungen fort.
- Ablehnung: Als dritte Möglichkeit kann der Arbeitnehmer die Änderung der Arbeitsbedingungen natürlich auch ablehnen. Dann muss er innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erheben, wenn er dagegen vorgehen will. Sofern der Arbeitnehmer dann vor Gericht gewinnt, besteht das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fort. Verliert der Arbeitnehmer, ist das Arbeitsverhältnis jedoch beendet.
Bewertung der Varianten:
Variante 1: Stimmt der Arbeitnehmer den Änderungen zu, verzichtet er gleichzeitig auf seine Rechte. Das bedeutet nicht zeitgleich, dass dies nicht sinnvoll sein kann. Beispielsweise, wenn der Arbeitnehmer in einem Kleinbetrieb mit weniger als 10 regelmäßig Beschäftigten tätig ist und das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Im Falle einer Ablehnung könnte ein Arbeitgeber in einem solchen Fall gegebenenfalls auf die Idee kommen, dem Arbeitnehmer eine Beendigungskündigung auszusprechen und somit das Arbeitsverhältnis in Gänze beenden.
Variante 2: Die Zustimmung unter Vorbehalt ist in der Regel die Beste Variante. Sie bietet dem Arbeitnehmer die beste Verhandlungsposition und somit auch eine gute Ausgangslage für einen Vergleich.
Variante 3: Die Ablehnung kann in solchen Fällen sinnvoll sein, wenn die Änderungskündigung mit einer Vergütungsherabsetzung verbunden ist und man für den Fall ihrer Wirksamkeit lieber komplett auf das Arbeitsverhältnis verzichten will. Nimmt man in einem solchen Fall die Änderungskündigung unter Vorbehalt an (Variante 2) ist das gefährlich. Man muss im Falle der Wirksamkeit unter Umständen selber kündigen und handelt sich dadurch Ärger bei der Bundesagentur (Sperrzeit) ein.
Vorsicht bei der Frist für die Reaktion des Arbeitnehmers!
Für die Annahme eines solchen Änderungsangebotes kann (und sollte) der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Frist setzen. Setzt der Arbeitgeber eine Frist, darf diese grundsätzlich nicht kürzer als drei Wochen sein. Ist sie das, wird sie auf drei Wochen angepasst. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn der Arbeitgeber keine Frist setzt. Der Arbeitnehmer sollte dann trotzdem sicherheitshalber innerhalb der drei Wochen reagieren. Auch bei der Annahme ohne Vorbehalt. Ein zu langes Warten und demnach zu viel Zeit kann die Erklärung des Arbeitnehmers wirkungslos machen, mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis dann endet.
Weiterhin ist Vorsicht geboten, wenn die Annahme unter Vorbehalt zwar erklärt wird, aber nur gegenüber dem Gericht in der Kündigungsschutzklage und nicht direkt gegenüber dem Arbeitgeber. In einer solchen Konstellation ist es dann so, dass die Kündigungsschutzklage dem Arbeitgeber über das Gericht zugestellt wird und dann gegebenenfalls verspätet eintreffen kann
Fachanwaltstipp für Arbeitnehmer:
In Unternehmen bzw. Betrieben mit regelmäßig mehr als zehn Mitarbeitern und einer Betriebszugehörigkeit von mehr als sechs Monaten lohnt sich das Vorgehen gegen eine Kündigung fast ausnahmslos. Zwar kann das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den seltensten Fällen gerettet werden, aber eine Abfindung in einer von Höhe von ungefähr eines halben Bruttomonatsgehalts pro Jahr der Beschäftigung (manchmal auch sehr viel mehr) ist regelmäßig für den Arbeitnehmer möglich. Auch im Falle eines bestehenden Sozialplans lohnt sich eine Kündigungsschutzklage fast immer. Die Bedingungen, zu denen das Arbeitsverhältnis sein Ende findet können oftmals deutlich verbessert werden und die Abfindung erhöht werden. Änderungen der Arbeitsbedingungen sollten Arbeitnehmer regelmäßig auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen lassen. Hier gilt: Sobald der Arbeitnehmer zustimmt, ist im Nachhinein nichts zu retten. Gleiches gilt für das Versäumen der Frist für die Kündigungsschutzklage von drei Wochen.
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Spezialseite Kündigungsschutzklage für Arbeitnehmer:
Hier können Sie prüfen, welche Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage in Ihrem Fall bestehen und wie die Aussichten sind, mit einer Kündigungsschutzklage entweder den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu sichern oder eine gute Abfindung zu erzielen. Sie finden Formulare für eine Kündigungsschutzklage mit Ausfüllhinweisen. Es folgt eine ausführliche Darstellung des Ablaufs des Kündigungsschutzverfahrens mit Praxistipps für das Verhalten vor dem Arbeitsgericht. Des Weiteren finden Sie ein Muster für einen Aufhebungsvergleich mit typischen Formulierungen und Hinweisen zum Ausfüllen. Sie können zudem auf Muster für Widersprüche gegen Sperrzeitanordnungen der Bundesagentur für Arbeit und Kostenbeispiele zugreifen. Das besondere Angebot: der Onlinecheck für Ihre Kündigung zum Preis von 50 € zuzüglich MwSt.
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