Stenose am Magenausgang falsch operiert: 65.000 Euro

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Mit Urteil vom 01.03.2017 hat das Landgericht Bochum ein Krankenhaus verurteilt, an meinen Mandanten 65.000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen. Die Richter verpflichteten das Krankenhaus, alle weiteren materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen.

Bei dem 1955 geborenen Angestellten bestand eine gutartige Magenausgangsstenose, die mehrfach mit einem Ballon geweitet wurde. Nach einer 2014 durchgeführten Computertomographie des Abdomens war die Stenose ungefähr 2 cm lang, die CT zeigte keinen malignomverdächtigen abdominellen Befund. Wegen weiterer Beschwerden rieten die Ärzte zu einer Pyloroplastik (operative Erweiterung des Magenausgangs).

Obwohl der Mandant vereinbart hatte, vom leitenden Oberarzt operiert zu werden, operierte ihn am 21.08.2014 die Oberärztin des Krankenhauses. Unter der Diagnose „Benigne Magenausgangstenose“ resezierte sie 4/5 des Magens, führte eine Lymphadenektomie D1/D2 mit Cholezystektomie durch. Sie stellte die Passage durch ein Roux-Y mit einer Gastrojejunostomie wieder her.

Postoperativ förderte die Drainage im Bauch galliges und blutiges Sekret. Es bestanden erhebliche Urinausscheidungsprobleme. Der Mandant war kaltschweißig, die Leukozyten waren wie die CRP-Werte und die Bilirubin-Werte deutlich erhöht. Am 24.08.2014 musste eine explorative Laparotomie, eine Lavage mit Einlage eines Abdominal-VAC's durchgeführt werden, weil der große Gallengang nicht im verbliebenen Duodenum zu enden schien, sondern apikal davon mit freier Flüssigkeit.

Danach revidierte der Chefarzt den Gallengang, entfernte die Bauchspeicheldrüse mit Aufhebung der Y-Roux-Anastomose im Dünndarmgebiet. Er legte eine biliodigestive Anstomose an. Bei dieser Operation wurde auch die Milz entfernt, was im OP-Bericht nicht dokumentiert wurde. Am 27.08.2014 entfernten die Ärzte das große Netz und nahmen eine Lavage vor. Nach langfristiger Intensivbehandlung wurde der Mandant auf die Normalstation verlegt und Ende Oktober 2014 aus der stationären Behandlung entlassen. Eine Entzündung der Gallenwege im Dezember 2014 wurde in einem anderen Krankenhaus stationär konservativ behandelt. Im Januar 2015 erfolgte die operative Behandlung im Universitätsklinikum Münster wegen eines Bauchdeckenabzesses.

Der Kläger hatte gerügt, die Operation vom 21.08.2014 sei rechtswidrig gewesen, weil er trotz einer unterzeichneten Wahlleistungsvereinbarung nicht vom Vertreter des Chefarztes operiert worden sei. Vor der Operation habe er gegenüber dem Vertreter des Chefarztes klar betont, er wolle nur von diesem operiert werden. Unstreitig sei der Chefarzt im Urlaub gewesen. Der Vertreter habe zugesichert, die Operation persönlich vorzunehmen.

Bei der Operation seien fehlerhaft die Gallengänge verletzt worden, weshalb sich die erhebliche Entzündung im Abdomen ausgebreitet habe. Die Revisionsoperation sei zu spät erfolgt. Alle Fehler hätten zur Folge gehabt, dass die Bauchspeicheldrüse und die Milz hätten entfernt werden müssen. Es sei die Anlage einer bilidigestiven Anastome notwendig geworden.

Wegen der Entfernung der Bauchspeicheldrüse sei sein Stoffwechsel erheblich beschädigt. Durch den Wegfall der insulinproduzierenden Zellen sei eine viermalige Insulinbehandlung täglich notwendig. Wegen der Entfernung der Milz bestehe ein erhöhtes Risiko für hämatogene bakterielle Infektionen und Pilzinfektionen. Durch die fehlende Filterfunktion der Milz könne es zu einem erheblichen Anstieg der Zahl an Blutblättchen kommen, zur Antikoagulation müsse er Heparin spritzen. Durch den behandlungsfehlerhaft bedingten insulinpflichtigen Diabetes mellitus müsse er seinen Tagesablauf mit entsprechender Insulindosierung koordinieren. Er sei erheblich bei der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt. Er habe bis zum heutigen Zeitpunkt 25 kg Gewicht verloren.

Der gerichtliche Sachverständige hatte bestätigt: Den Ärzten seien während der gesamten Behandlung mehrere, teils gravierende Behandlungsfehler unterlaufen. Der Ersteingriff sei bei gutartiger Magenausgangsstenose eindeutig überdimensioniert und nicht indiziert gewesen. Fehlerhaft sei nicht versucht worden, zunächst einen kleineren begrenzten Eingriff im Bereich des beengten Pylorus vorzunehmen. Die durchgeführte Operation sei nicht mit dem Kläger besprochen worden. Bereits vor Ablösen der Gallenblase aus dem Leberbett hätte wegen der schweren Verwachsungen auf ein offenes Verfahren umgestiegen werden müssen. So wäre es möglich gewesen, unmittelbar von vorne auf das von der Gallenblase verdeckte Duodenum zu schauen. Das Risiko einer Verletzung des großen Gallenganges und einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse wären ausgeschlossen bzw. erheblich reduziert worden. Wäre der Eingriff als Pyloroplastik von vorne gelungen, hätte die Operateurin eine Berührung mit der Bauchspeicheldrüse vermieden, die Bauchspeicheldrüsenentzündung hätte sich nicht entwickelt.

Stattdessen sei man im laparoskopischen Teil der Operation Wege gegangen, die medizinisch nicht notwendig waren. Dass die Operateurin nicht einmal versucht habe, die Beschwerden des Klägers durch eine Pyloroplastik zu beseitigen, sei vollkommen unverständlich und als schwerer Behandlungsfehler zu werten. Auch in der Folgezeit seien den Ärzten weitere Fehler unterlaufen, die in ihrer Gesamtheit ebenfalls schwer fehlerhaft gewesen seien. Fehlerhaft wurde bei der Erstoperation die intraoperative Sondierung des großen Gallenganges über den Ductus cysticus unterlassen. Auf die erheblichen Entzündungswerte sei nicht rechtzeitig reagiert worden.

Die Kammer hat zur Begründung des Schmerzensgeldes ausgeführt: Da insgesamt mehrere schwere Behandlungsfehler vorlägen, obliege dem Krankenhaus der Beweis, dass eine Pyloroplastik nicht zum Erfolg geführt hätte und die vorgenommene Teilresektion des Magens mit den sich daraus ergebenden Folgen auf jeden Fall notwendig geworden wäre. Diesen Beweis könne die Beklagte nicht führen. Die Verletzung des großen Gallenganges, die Entfernung der Bauchspeicheldrüse und Milz hätten ganz erhebliche gesundheitliche Konsequenzen für den Kläger, sodass ein Schmerzensgeld in Höhe von 65.000 Euro zuzusprechen sei. Es stehe außer Frage, dass die Fehler zu einer erheblichen Beeinträchtigung des gesamten Lebens geführt haben und weiterhin führen werden. Es verstehe sich von selbst, dass dadurch eine erhebliche psychische Belastung eingetreten sei. Der Feststellungsantrag sei begründet, da die konkrete Möglichkeit zukünftiger Schäden bestehe, die auf die zahlreichen Behandlungsfehler zurückzuführen sei.

(Landgericht Bochum, Urteil vom 01.03.2017, AZ: I-6 O 130/15)

Christian Koch

Fachanwalt für Medizinrecht



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