Steuerhinterziehung bei Tatsachenkenntnis des Finanzamtes im Unterlassensfall

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Steuerpflichtige können die Grenze zur strafbaren versuchten Steuerhinterziehung (§ 370 II Abgabenordnung) durch die schlichte Nichtabgabe der Steuererklärung relativ leicht überschreiten. Ob die Steuererklärung dann später vollständig und richtig ist, spielt insofern keine Rolle. Als kritischer Zeitpunkt, zu dem es für den säumigen Steuerpflichtigen strafrechtlich eng werden kann, gilt der Herbst des übernächsten Jahres nach dem Veranlagungszeitraum, Börsen-Zeitung vom 08.11.2017, erste Seite, oben Mitte.

Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 31. Januar 2017, III-1 RVs 253/16, ist allerdings die Strafbarkeit bei bloßer Unterlassung dann nicht gegeben, wenn die tatsächlichen steuerlichen Angaben dem Finanzamt aus den vorherigen Erklärungen bekannt sind (Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 31.01.2017 – III-1 RVs 253/16 – 84 Ss 4/16). In diesem Falle wurde der Angeklagte vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in freigesprochen.

Bei Kenntnis der Finanzbehörden von den wesentlichen steuerlich relevanten Umständen bezogen auf den maßgeblichen Veranlagungszeitpunkt scheidet eine vollendete Steuerhinterziehung durch Unterlassen aus, da das Merkmal der Unkenntnis demzufolge in den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO hineinzulesen ist. Bekannt ist dabei dasjenige, was sich aus den dort zum konkreten Steuerfall geführten Akten ergibt oder dem zuständigen Bearbeiter sonst bekannt ist.

Zur Tatsachenkenntnis wurde beispielhaft ausgeführt:

„Die zu versteuernden Einkünfte aus Unternehmensbeteiligungen waren dem zuständigen Veranlagungsbeamten des Finanzamtes ausweislich der Urteilsfeststellungen jeweils durch die sogenannten ESt4B-Mitteilungen bekannt geworden, von denen die letzte vom 5.7.2011 datierte, sodass ebenfalls mehrere Monate vor dem 30.11.2011 eine tatbestandsausschließende Kenntnis vorlag“, Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 31.01.2017 – III-1 RVs 253/16 – 84 Ss 4/16.

Fazit: Aufgrund der engen Beziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und den Finanzbehörden könnte eine tatsächliche Vermutung für bestehende Tatsachenkenntnisse sprechen (Dauerbetriebsprüfer neben der Buchhaltung von Ölgesellschaften, Kontrolleur des Finanzamtes in Spielcasinos, Kenntnis der Umsatzsteuer- und Lohnsteuervorauszahlungen, gleichbleibende Einnahmenüberschussrechnungen).

Entsprechen die Einkommensteuervorauszahlungsbescheide der tatsächlichen Schuld, müsste eine Tatsachenkenntnis bejaht werden. Waren die Besteuerungstatsachen in den Vorjahren gleich, mag eine tatbestandsausschließende Sachverhaltskongruenz aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände angenommen werden. Die Folgerung aus dem Urteil vom 31.01.2017 – III-1 RVs 253/16 – 84 Ss 4/16 des Oberlandesgerichts Köln sollte sein, dass es bei der Tatsachenkenntnis nicht nur auf dieselben, sondern auch auf die gleichen Tatsachen ankommt.


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