Strafbarkeit des sog. „Stealthing"

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Doch was ist "Stealthing" überhaupt?

Beim sog. Stealthing handelt es sich um das heimliche Abziehen des Kondoms während des Geschlechtsverkehrs. Entscheidend ist, dass zwischen den Beteiligten zuvor klar verabredet wurde, dass der Geschlechtsverkehr nur mit Verwendung eines Kondoms erfolgen soll. Zum Stealthing und insoweit zu einer strafbaren Handlung wird es erst dann, wenn die Abstreifung des Kondoms gegen den erkennbaren Willen des Partners erfolgt.

Dieses Thema wird bereits seit Jahren in zahlreichen Internetforen thematisiert. Unter anderem tauschen sich Männer über ihre Erfahrungen mit dem Stealthing aus. Auch werden gegenseitig Tipps, wie man das Kondom „am besten“ heimlich abzieht, ausgetauscht.

BGH: Das Kondom heimlich wegzulassen, kann eine Vergewaltigung darstellen.

Im vorliegenden Fall wehrte sich ein Mann gegen seine Verurteilung wegen eines Sexualdeliktes im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB. Konkret wurde dem Angeklagten folgendes zur Last gelegt: Bevor es zum Geschlechtsverkehr gekommen sein soll, habe er ein Kondom aus seiner Kommode geholt und es vor den Augen der Geschädigten ausgepackt. Die Geschädigte drehte sich für einen Moment um und sah deshalb nicht, dass der Angeklagte das Kondom unbenutzt zur Seite lag. In der Folge vollzogen die beiden den ungeschützten Geschlechtsverkehr. Die Geschädigte gab nach Auffassung des Gerichts glaubhaft an, dass ein ungeschützter Geschlechtsverkehr für sie nicht in Frage gekommen wäre. Als sie bemerkte, dass der Mann das Kondom nicht trug, habe sie umgehend die Wohnung verlassen. 

Das Landgericht Düsseldorf wertete dieses Verhalten des Angeklagten als sexueller Übergriff im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB.

Mit seinem Beschluss vom 13.12.2022 bestätigte der Bundesgerichtshof diese rechtliche Wertung (vgl. 3 StR 372/22). Es heißt insoweit wörtlich:

„Stimmt eine Person Geschlechtsverkehr ersichtlich nur unter der Voraussetzung zu, dass dabei ein Kondom genutzt werde, stehen ohne Präservativ vorgenommene sexuelle Handlungen ihrem erkennbaren Willen entgegen.“

Dabei sei es irrelevant, ob ansonsten Einverständnis mit sexuellen Handlungen bestanden habe. Entscheidend sei, ob das Einverständnis für die konkrete Handlung gegolten habe.

Zuletzt erwähnte der BGH auch, dass bei einer Verwirklichung eines sexuellen Übergriffes gleichzeitig auch eine Verwirklichung des Regelbeispiels der Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB in Betracht kommen könne. Eine nähere Erörterung erfolgt jedoch nicht im Rahmen der Revision, da der Angeklagte dadurch, dass das Landgericht Düsseldorf eine Vergewaltigung bislang nicht annahm, nicht beschwert gewesen ist. 

Zielsetzung Sexualstrafrecht – insbesondere § 177 StGB

Das Sexualstrafrecht dient dem Schutz der individuellen sexuellen Selbstbestimmung. Allerdings ist durch den stetigen Wandel der Sexualmoral auch das Sexualstrafrecht, also die Normen des StGB (§§ 174ff. StGB) sowie die einschlägige Rechtsprechung hierzu, einem stetigen Wandel unterworfen.

Das Sexualstrafrecht ist komplex und wird durch die, gerade in jüngster Zeit vorgenommenen Reformen, auch immer strenger.

§ 177 StGB wurde letztmalig im Jahr 2016 umfassend reformiert. Der Straftatbestand umfasst sexuelle Handlungen, mit denen sich der Täter über den erkennbar entgegenstehenden Willen des oder der Geschädigten hinwegsetzt und so das Recht der sexuellen Selbstbestimmung verletzt.

Maßgeblich für die Strafbarkeit ist allein der erkennbar entgegenstehende Wille des Geschädigten. Die Erkennbarkeit des entgegenstehenden Willens ist dabei aus der Sicht eines objektiven Dritten zu bestimmen. Von einer Erkennbarkeit ist dabei ausgegangen, wenn der oder die Geschädigte den entgegenstehenden Willen zum Tatzeitpunkt entweder ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt. Seinen entgegenstehenden Willen kann mit einem  „Nein“ oder „Hör auf“ signalisieren werden. Aber auch ein Kopfschütteln, sich sträuben, weigern oder Weinen soll genügen. Der rein mentale Vorbehalt genügt hingegen nicht. Ebenso wie ein rein lustloser Gesichtsausdruck. Es muss zum Ausdruck kommen, dass man mit der Handlung nicht einverstanden ist.

In keinem anderen Bereich, wie im Sexualstrafrecht, ist eine Falschbeschuldigung so häufig anzutreffen. Dabei sind die Gründe oder Ursachen für eine bewusste oder auch unbewusste Falschbeschuldigung so vielfältig. Beispielsweise aus Rache, nicht erwiderten Gefühlen, Streit um das Sorgerecht der gemeinsamen Kinder oder auch das bloße Missverständnis der Beteiligten können in Betracht kommen.

Was tun, wenn gegen Sie wegen dem Vorwurf eines sexuellen Übergriffs ermittelt wird?

Bereits der bloße Vorwurf eines Sexualdelikts kann eine sehr starke stigmatisierende Wirkung haben.

Dabei spielt auch keine Rolle -mehr-, wenn sich später dessen Unschuld herausstellt, irgendwas bliebt meistens immer „kleben“.

Anders drohen bei einem Tatnachweis neben den strafrechtlichen Konsequenzen regelmäßig auch erhebliche Auswirkungen im beruflichen, familiären oder sozialen Bereich.

Wenn daher gegen Sie ermittelt wird, sollten Sie unbedingt umgehend einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin aufsuchen, die sich auf dem Gebiet auskennt und zunächst anhand der Ermittlungsakte prüft, ob Ihnen tatsächlich ein strafrechtlich relevantes Verhalten zur Last gelegt werden kann.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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