Stealthing und seine Folgen

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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat eine Entscheidung zum Stealthing getroffen, die ich ihnen hier anfüge.


1. Was ist Stealthing?

Unter Stealthing versteht man die Durchführung sexueller Praktiken mit einem Partner, der in diese nicht eingewilligt hat. Dabei geht es nicht darum, dass man gar keinen Sexualkontakt haben möchte, sondern um die konkrete Art und weise. 

In der Regel wird damit folgender Fall beschrieben: zwei Personen (mindestens eine davon männlich) verabreden sich zum Sexualkontakt. Beide sind sich darüber einig, dass man miteinander sexuellen Kontakt hat. Nun holt der männliche Partner ein Kondom hervor und zieht dieses entweder über um es später, von der anderen Person unbemerkt wieder abzuziehen oder zieht es unbemerkt gar nicht erst über. In beiden Fällen willigt die andere Person in den Geschlechtsverkehr nur unter Verwendung eines Kondoms ein. 

2. Wie ist das Stealthing strafbar?

Da in die sexuelle Selbstbestimmung eingegriffen wird kommen zunächst einmal die Delikte nach §177 StGB in Betracht. §177 StGB stellt sozusagen den "Normalfall" eines sexuellen Übergriffes dar, wenn es um zwei erwachsene Personen geht. Alles andere will ich hier mal außen vor lassen. 

Wenn nun jemand eine sexuelle Handlung an einer anderen Person vornimmt, die nicht in deren Willen ist, dann liegt ein Fall des §177 Absatz 1 StGB vor. Ggf. kommt sogar eine Tat nach §177 Absatz 6 StGB in Betracht. Diese ist mit einer deutlich höheren Strafe bedroht. 

3. Warum ist das Stealthing aber strafbar?

Nun kommen wir zu dem Urteil des BGH. Das Stealthing ist deswegen strafbar, weil nicht nur die Frage des "Ob" man mit jemandem sexuell verkehren möchte durch die §177 StGB geschützt ist, sondern auch das "Wie"! Wenn jemand an einer anderen Person Sexualpraktiken ausübt, die diese (erkennbar) nicht möchte, dann liegt eine Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung vor. 

Das Gericht argumentiert, dass wenn eine Person dem Geschlechtsverkehr ersichtlich nur unter der Voraussetzung zustimmt, dass dabei ein Kondom genutzt wird, sind ohne Kondom vorgenommene sexuelle Handlungen ihrem erkennbaren Willen entgegen. Für die Frage, ob eine sexuelle Handlung dem maßgeblichen Willen zuwiderläuft, komme es auf die konkret vorgenommene Handlung an. Ist in Bezug auf diese ersichtlich, dass die betroffene Person sie ablehnt, sei grundsätzlich nicht entscheidend, ob ein Einverständnis mit anderen sexuellen Handlungen besteht. 

Das heißt, wer mit einer sexuellen Handlung einverstanden ist, ist nicht automatisch mit allen sexuellen Handlungen einverstanden. Bei der Verwendung eines Kondoms handelt es sich im vergleich zum Geschlechtsverkehr ohne Kondom um zwei unterschiedliche sexuelle Handlungen. Das Begründet das Gericht damit, dass es aufgrund der verschiedenen Schutzfunktionen eines Kondoms eine andere Qualität hat, ob man mit oder ohne Kondom Sex hat. 

Der BGH sieht also als wesentliches Kriterium für die Strafbarkeit des Stealthing die Art und Weise des Sexualkontaktes, in den Eingewilligt wird, an. Man kann also, so der BGH, innerhalb eines Sexualkontaktes mit der einen Handlung einverstanden sein und mit einer anderen nicht. Es gibt keine generelles Einverstanden sein mit allen Handlungen während desselben Sexualkontaktes.  

Das ist recht verwirrend, da man nicht vor jedem sexuellen Austausch mit einem Partner alle möglichen Arten durchspricht. Gerade, sozusagen im Eifer des Gefechts, kann es zu spontanen Handlungen kommen. Wie mit diesen umzugehen ist, wird die weitere Rechtsprechung zeigen müssen. 

Wichtig ist jedoch immer: Beachten Sie die Wünsche ihres Partners und nehmen sie Rücksicht auf den (erkennbaren) Willen. Andernfalls sehen sie sich einer massiven Strafandrohung gegenüber. Im Extremfall (§177 Absatz 6 StGB) sprechen wir über eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren! Gehen sie, auch was das angeht, kein Risiko ein! 

(Dieser Rechtstipp ist ein grober und unvollständiger Überblick über ein kleines Rechtsgebiet. Der Autor kennt den Fall nur aus der Presse und der entsprechenden Fachliteratur und war selber nicht an der Bearbeitung des Falles beteiligt! Daher können Details des Falles, die dem Autor nicht bekannt sind, zu einer anderen Einschätzung führen. Es kann keine Gewähr dafür übernommen werden, dass die Rechtslage und die Rechtsprechung dauerhaft unverändert bleiben. Daher gilt: Je älter dieser Rechtstipp ist, mit desto mehr Vorsicht ist er zu genießen. Ich rate davon ab, ohne Rechtsberatung durch einen Anwalt der sich mit ihrem Fall auskennt, nur auf Grundlage dieses Rechtstipps zu handeln.)




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