Strafbefehl erhalten – was tun?

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Ihnen wurde ein Strafbefehl zugestellt und Sie überlegen, wie Sie sich verhalten sollen? Dann lesen Sie jetzt unbedingt weiter!

Eines sollten Sie jetzt jedenfalls nicht tun – nämlich den Strafbefehl nach dem Lesen der ersten Sätze in die Ecke legen und für die nächsten Wochen unter anderen Papieren zu „vergraben“ und möglichst nicht daran zu denken. „Strafbefehl“ mag zwar relativ harmlos klingen wie „Bußgeldbescheid“ und lange nicht so rigoros wie „Strafurteil“ – gleichwohl ist der Erhalt eines Strafbefehls eine ernste Sache und leider genauso schwerwiegend wie eine Verurteilung vor Gericht, auch wenn man nicht vor dem Richter erscheinen musste. Wird der Strafbefehl nämlich rechtskräftig, so erhalten Sie, neben der ausgesprochenen Strafe, eine Eintragung in das Bundeszentralregister und sind ggfs. sogar vorbestraft.

Allerdings wird nicht jede Eintragung im Bundeszentralregister in das sog. „polizeiliche Führungszeugnis“ aufgenommen, welches z. B. bei Bewerbungen bestimmter Berufsgruppen vorgelegt werden muss.

Nicht im Führungszeugnis aufgenommen werden: die Verwarnung mit Strafvorbehalt, die Verurteilung zu einer Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen und die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als 3 Monaten, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist. Höhere Strafen tauchen also im Führungszeugnis auf, sodass hier für Sie erhebliche Konsequenzen für Ihr weiteres berufliches Fortkommen entstehen können.

Überlegen Sie daher spätestens jetzt, wie Sie taktisch am klügsten mit der Situation umgehen!

Und wichtig zu wissen – gegen einen Strafbefehl kann man mit einem Einspruch vorgehen! Dieser ist allerdings fristgebunden und muss innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung des Strafbefehls bei dem Gericht eingelegt werden, das den Strafbefehl erlassen hat. Also heben Sie den Briefumschlag mit dem Zustelldatum auf und notieren sich dieses im Kalender!

Die Fristberechnung erfolgt gemäß § 43 Strafprozessordnung (StPO) – wird der Strafbefehl z. B. an einem Donnerstag zugestellt, so endet die Frist zum Einlegen des Einspruchs mit Ablauf des übernächsten Donnerstags. Sollte dieser an einem Samstag zugestellt worden sein, so endet die Frist an dem den übernächsten Samstag folgenden Montag.

Notieren Sie sich den errechneten Fristablauf dick und fett im Kalender!

Die Einspruchsschrift muss spätestens dann bei Gericht vorliegen! Die Form des Einspruchs ist in § 410 StPO geregelt, danach kann der Einspruch schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts eingelegt werden, auch die Einlegung durch Telefax ist zulässig. Ein telefonischer Einspruch reicht dagegen nicht aus!

Der Einspruch kann vom Beschuldigten selbst, vom Verteidiger (§ 297 StPO) und auch vom gesetzlichen Vertreter (§ 298 StPO) eingelegt werden. Eine Begründung des Einspruchs kann, muss jedoch nicht erfolgen.

Ob Sie jedoch tatsächlich ggfs. ganz oder nur eingeschränkt gegen den erhaltenen Strafbefehl mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs vorgehen oder nicht, sollten Sie sich gut überlegen, denn bei einem Einspruch kann im weiteren Verfahrensverlauf auch eine Verschlechterung möglich sein!

Ein Einspruch kann unter bestimmten Voraussetzungen aber auch vorteilhaft sein! So lassen sich häufig im nachgehenden Hauptverfahren eine Verringerung des verhängten Strafmaßes, eine Reduzierung der ausgesprochenen Tagessatzhöhe, ggfs. sogar ein Freispruch oder die Einstellung des Verfahrens erreichen.

Mit meinen Ausführungen möchte ich Ihnen einen kurzen Überblick zum Thema „Strafbefehl“ geben, um Ihnen in dieser Situation eine kleine Hilfestellung zu geben und Ihnen die bestehenden Handlungsalternativen zu verdeutlichen. Bitte bedenken Sie jedoch, dass ein erster, grober Überblick über die Thematik keine Einzelfallberatung durch einen versierten Rechtsanwalt ersetzen kann!

Strafbefehlsverfahren

Das Strafbefehlsverfahren ist ein summarisches, verkürztes Strafverfahren, das eine einseitige Straffestsetzung im schriftlichen Verfahren ermöglicht. Es muss keine Hauptverhandlung vor Gericht durchgeführt werden und kein Urteil ergehen. Der zuständige Richter entscheidet den Fall nach Aktenlage, nachdem der Staatsanwalt einen entsprechenden, schriftlichen Antrag gestellt hat.

Vor Erlass des Strafbefehls wird der Beschuldigte auch nicht mehr gehört, da ihm im Vorverfahren bereits rechtliches Gehör gewährt worden ist.

Für eine Bestrafung des Beschuldigten reicht hier bereits hinreichender Tatverdacht aus (§ 408 II S. 1 StPO). In einer Hauptverhandlung vor Gericht wäre eine Verurteilung dagegen nur möglich, wenn keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass der Beschuldigte die Straftat begangen hat.

Vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Strafbefehlsverfahrens bestehen mithin folgende Risiken, die es gilt im Einzelfall abzuwägen:

  • ggfs. Unzuverlässigkeit von Beweismitteln

Beweismittel werden im Strafbefehlsverfahren nicht auf ihre Zuverlässigkeit, insbesondere Zeugen nicht auf ihre Glaubwürdigkeit, die Aussagen unter Umständen nicht auf ihre Glaubhaftigkeit überprüft. Im Gegensatz zu einem ordentlichen Gerichtsverfahren liegt dadurch die Gefahr einer etwaig fehlerhaften Entscheidung näher.

  • Keine Schuldfeststellung

Wie oben bereits erwähnt, muss die Schuld des Täters nicht zur Überzeugung des Gerichts feststehen, ausreichend ist hinreichender Tatverdacht.

  • ggfs. Schlechterstellung nach Einspruch

Was vielfach übersehen wird, ist, dass das Verbot der Schlechterstellung nach zulässigem Einspruch nicht gilt. D. h. in der auf den Einspruch folgenden Hauptverhandlung können zu Ihren Lasten z. B. folgende Punkte geändert werden:

  • Der Schuldspruch kann geändert werden, d. h. z. B. von Fahrlässigkeit auf Vorsatz erkannt werden.
  • Die mit dem Strafbefehl festgesetzte Strafe (Freiheits-/Geldstrafe) kann erhöht werden.
  • Eine im Strafbefehl angeordnete Strafaussetzung zur Bewährung kann nach durchgeführter Hauptverhandlung wegfallen.
  • Die angeordnete Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis könnte ggfs. noch weiter verlängert werden.
  • Auch unter Kostengesichtspunkten (Eintritt/Nichteintritt Rechtsschutzversicherung) kann eine Schlechterstellung eintreten.

Die Vorteile an einem Strafbefehl, der ohne Einspruch und entsprechende Hauptverhandlung so in Rechtskraft erwächst, sind dagegen die folgenden:

  • Es wird eine öffentliche Hauptverhandlung, mit der entsprechenden „Außenwirkung“, seelischen Belastung und den höheren Kosten (für Verteidiger, Zeugen, ggfs. Sachverständige und Gericht), vermieden.
  • Man hat eine schnelle Entscheidung und Gewissheit über die Folgen der Tat, einhergehend mit einem meist kürzeren Verfahren.
  • Meist wird hier nicht sehr intensiv ermittelt (summarisches Verfahren), sodass manches im Verborgenen bleibt.
  • Die Rechtskraft des Strafbefehls entspricht der eines Urteils, sodass eine erneute Verfolgung des Beschuldigten wegen derselben Tat nur im förmlichen Wiederaufnahmeverfahren betrieben werden kann.
  • Eine nachträgliche Veränderung der im Strafbefehl verhängten Strafen, die zu einer Änderung des Strafmaßes führen, ist nicht zulässig. Sollte also z. B. bei Verkehrsdelikten die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Einziehung des Führerscheins versehentlich unterblieben und nur eine Sperrfristentscheidung ausgesprochen worden sein, so ist der Führerschein auszuhändigen. Allerdings können offensichtliche Unrichtigkeiten des Strafbefehls auch im Nachhinein noch berichtigt werden.

Einspruch gegen Strafbefehl einlegen, ja oder nein?

Ein etwaiger Einspruch kann entweder umfassend, also unbeschränkt, eingelegt werden oder auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden (siehe § 410 Absatz 2 StPO).

Bei der Entscheidung, ob und ggfs. in welchem Umfang Sie von Ihrem Einspruchsrecht Gebrauch machen, sollten Sie sich von folgenden Überlegungen leiten lassen:

Sofern die im Strafbefehl aufgeführte Sachverhaltskonstellation und die benannten Tatsachen und Beweismittel nach Ihrem Empfinden so richtig sind und bewiesen werden können, bzw. schon nachgewiesen sind, sollten Sie keinen unbeschränkten Einspruch gegen den erhaltenen Strafbefehl einlegen. Denn es ist zu erwarten, dass eine nachfolgende Hauptverhandlung diesen Sachverhalt bestätigen wird und der Richter voraussichtlich sogar eine höhere Strafe verhängen wird, da der „Bonus“ des angenommenen Geständnisses im Strafbefehl wegen der Einlegung des Einspruchs wegfällt.

Haben Sie jedoch das Gefühl, dass die Staatsanwaltschaft den der Tat zugrundeliegenden Sachverhalt nicht richtig wiedergegeben hat und folglich auch nicht richtig bewertet hat, so sollten Sie umfassend von Ihrem Einspruchsrecht Gebrauch machen. Lassen Sie den Richter über die Vorwürfe entscheiden und schildern Sie den zugrundeliegenden Sachverhalt aus Ihrer Sicht! Da beim Strafbefehlsverfahren nur eine Entscheidung nach Aktenlage erfolgt, lässt sich bei einer umfassenderen Überprüfung der Entscheidung im Rahmen einer Hauptverhandlung häufig ein besseres Ergebnis erzielen.

Ein Einspruch kann daneben auch auf einzelne Beschwerdepunkte beschränkt werden, so z. B. bei einer verhängten Geldstrafe auf die Anzahl der Tagessätze oder die Höhe des einzelnen Tagessatzes oder bei einer angesetzten Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt ist, auf die Dauer der Freiheitsstrafe. Daneben ist auch eine Beschränkung auf selbständige, sozusagen trennbare Taten möglich. Wird dem Beschuldigten z. B. bei Verkehrsdelikten tatmehrheitlich eine Straftat und eine Ordnungswidrigkeit vorgeworfen, so kann der Einspruch auf einen der beiden Vorwürfe beschränkt werden.

Sofern Sie danach bei Durchsicht und Bewertung des Strafbefehls meinen, dass der Sachverhalt zwar richtig ist, die ausgesprochene Strafe jedoch nach Art und Höhe unverhältnismäßig ist und/oder Ihre konkrete Einkommenssituation (Schulden, Unterhaltsverpflichtungen und Einkommen) nicht ausreichend berücksichtigt wird, sollten Sie Einspruch einlegen und diesen auf die genannten Beschwerdepunkte beschränken. Wie oben bereits erwähnt, wird ein Strafbefehl nach Aktenlage erlassen, sodass hier lediglich eine Einkommensschätzung erfolgt ist, die dann im Rahmen des beschränkten Einspruchs vom Richter neu zu bewerten ist. Die Berechnung des Tagessatzes erfolgt nach dem monatlichen Nettoeinkommen, wobei das Einkommen geteilt durch 30 Tage die angenommene Tagessatzhöhe ergibt.

Wie die vorstehenden Ausführungen im Ergebnis zu entnehmen ist, ist die Einlegung eines Einspruchs immer mit gewissen Risiken verbunden. Um hier auf der sicheren Seite zu sein und die für Sie richtige Entscheidung zu treffen, sollten Sie sich von einem versierten Rechtsanwalt beraten lassen. Gerne stehe ich diesbezüglich für weitere telefonische Auskünfte zur Verfügung und/oder vertrete Sie anwaltlich im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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