Thema Betreuungsrecht: Besteht ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt bei einem Kind mit geistiger Behinderung?

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Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 05.09.2023 (Az. 6 UF 69/23) folgenden Fall entschieden:

Ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt bei einem volljährigen Kind kann gemäߧ 1570 Abs. 1 BGB bestehen, wenn das Kind aufgrund einer geistigen Behinderung auf eine umfassende Betreuung angewiesen ist. Ein unterhaltsberechtigter Elternteil kann auch zur Betreuung berechtigt sein, wenn er als gesetzlicher Betreuer bestellt ist.

Im Fall erhielt eine Ex-Ehefrau nachehelichen Unterhalt für die Betreuung des volljährigen Kindes, welches an einer geistigen Behinderung litt. Der Ex-Ehemann (Antragsteller) beantragte die Abänderung des Unterhaltstitels gegenüber seiner Ex-Ehefrau (Antragsgegnerin). Das Kind wurde mit zwei Gendefekten geboren, welche mit tiefgreifenden Entwicklungsstörungen und schwerster Intelligenzminderung einhergehen. Das Kind kann weder lesen, schreiben noch rechnen und ist nicht in der Lage sich allein zu versorgen. Das Kind erhält Pflegestufe 4 und hat einen Grad der Behinderung von 100. Die Ex-Ehefrau übernahm die tägliche Pflege und wurde zur gesetzlichen Betreuerin bestellt.

Das Amtsgericht Dieburg wies die Anträge des Ex-Ehemannes zurück. Der Ex-Ehemann legte hiergegen Beschwerde ein. Der Antragsteller ist der Ansicht, es sei im Interesse des Kindes, wenn sie zukünftig in einer Wohngruppe leben würde, in der ihre Selbstständigkeit besser gefördert würde. Der Pflegeaufwand für das Kind betrage keine 70 Stunden pro Woche. Selbst, wenn das Kind auch zukünftig im Haushalt der Antragsgegnerin leben würde, wäre es der Antragsgegnerin möglich, mindestens 25 Wochenstunden zu arbeiten. Das Kind sei somit nicht mehr auf die persönliche Betreuung der Ex-Ehefrau angewiesen.

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. wies die Beschwerde ebenfalls zurück und bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Ein Anspruch auf fortdauerndem Betreuungsunterhalt gem. § 1570 Abs. 1 BGB steht der Ex-Ehefrau zu. Auch durch die teilweise Fremdbetreuung durch Schule bzw. Ausbildungseinrichtung ist das Kind auf eine umfangreiche Betreuungsleistung angewiesen. Die Ex-Ehefrau ist zur Wahl der Beibehaltung des Lebensmittelpunktes des Kindes in ihrem Haushalt berechtigt, weil sie zur gesetzlichen Betreuerin bestellt worden ist und im Rahmen ihrer Entscheidungsbefugnis dies bestimmt hat.

Das Oberlandesgericht entschied, dass die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit der Ex-Ehefrau nicht zugemutet werden kann. Grundsätzlich kann sich die Ex-Ehefrau nicht mehr auf die Notwendigkeit der persönlichen Betreuung des Kindes berufen. Gleichzeitig ist zu beachten, dass eine verlangte Erwerbstätigkeit neben dem nach der Fremdbetreuung verbleibenden Anteil an der Betreuung nicht zu einer überobligationsmäßigen Belastung des betreuenden Elternteils führen darf. Der Abänderungsantrag des Ex-Ehemannes war daher zurückzuweisen.

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Oliver Thieler, LL.M. von der Rechtsanwaltskanzlei Prof. Dr. Thieler – Prof. Dr. Böh – Thieler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH erstellt.

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