Tod nach Vollnarkose: 50.000 Euro

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Mit Vergleich vom 15.01.2018 hat sich ein Krankenhaus verpflichtet, an die Ehefrau meines verstorbenen Mandanten 50.000 Euro und die außergerichtlichen Anwaltsgebühren (2,0-Geschäftsgebühr) zu zahlen. Zusätzlich sollen die auf die Abfindungszahlung zu entrichtenden Steuern erstattet werden.

Der am 1967 geborene Ehemann ließ sich die Mandeln operativ entfernen. Eine Woche später kam es zu einer Nachblutung im Operationsgebiet. Nach stationärer Aufnahme wurde er von einer HNO-Ärztin visitiert, die ein großes Blutkoagel in der linken Tonsillenloge und eine aktive Blutung feststellte. Er wurde deshalb in den OP gefahren, um die Naht operativ zu schließen. Nach Einleitung der Vollnarkose gelang es der Anästhesistin nicht, den Patienten zu beatmen, es wurde ein weiterer diensthabender Arzt hinzugezogen und eine Tracheotomie durchgeführt. Danach konnte ein pflaumengroßes Blutkoagel tieftracheal abgesaugt werden. Zu diesem Zeitpunkt war der Patient tief zyanotisch, die Pupillen waren maximal weit, eine periphere Sauerstoffsättigung war nicht mehr messbar, die Herzfrequenz war auf 30 bpm abgefallen, sodass er über drei Minuten kardiopulmonal reanimiert werden musste. Unter der Diagnose „Hypoxisches Hirnödem“ verstarb der Patient wenige Tage später.

Die Ehefrau hatte der Anästhesistin vorgeworfen, grob fehlerhaft das präoperativ festgestellte Blutkoagel nicht abgesaugt zu haben, das anschließend durch den Tubus in die Luftröhre geschoben wurde. Bei der Aufnahmeuntersuchung habe die HNO-Ärztin im Rachen ein großes Blutkoagel im Wundbett der linken Tonsillenloge gesehen. Bereits bei der ersten Intubation hätte von einer Blockierung der Atemwege und nicht von einer Fehlintubation ausgegangen werden müssen, weil keine Situation vorlag, die als „can not intubate, can not ventilate“ bezeichnet werde.

Es sei von vornherein nicht möglich gewesen, nach dem ersten Intubieren, den Beatmungsbeutel auszudrücken und Luft in die Lungen zu befördern. Es musste deshalb sofort von einer primären Blockade des Luftstroms ausgegangen werden. Die Ärztin habe erhebliche Zeit mit zwei weiteren Intubationsversuchen und der anschließenden Tracheotomie verschwendet. Es hätte sofort ein starres Bronchoskop für das Absaugen des Blutkoagels bereitliegen müssen. Der Sauerstoffmangel, der zum tödlichen Hirnschaden geführt habe, wäre bei richtigem Vorgehen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vermieden worden.

Da sich in dem Rechtsstreit umfangreiche Gerichts- und Privatgutachten zur Frage des Behandlungsfehlers gegenüber standen, zudem das Oberlandesgericht München in einem vergleichbaren Fall die Haftung abgelehnt hatte, einigte sich die Ehefrau auf den Betrag in Höhe von 50.000 Euro (vgl. OLG München, Urteil vom 22.01.2009, AZ: 1 U 2357/06 = BeckRS 2009, 04382).

Auch in diesem Verfahren hatte der Münchener Senat ausgeführt: Es sei nicht mit der nötigen Sicherheit feststellbar, dass bei einem anderen anästhesiologischen Vorgehen die Beeinträchtigungen des Patienten hätten vermieden werden können. Einen groben Behandlungsfehler habe keiner der mit dem Geschehen befassten Fachgutachter angenommen. Das Krankenhaus müsse deshalb nicht beweisen, dass der Patient bei ordnungsgemäßer Behandlung auch verstorben wäre (Beweislastumkehr). Vielmehr müsse weiterhin der Erbe beweisen, dass der Tod auf den Fehler während der Operation zurückzuführen war.

(Landgericht Dortmund, Vergleichsbeschluss vom 15.01.2018, AZ: 4 O 131/15)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht



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