„Und am Ende erbt der Staat…“

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Ist die testamentarisch eingesetzte und der Erblasserin persönlich nahestehende Alleinerbin vorverstorben, kommt eine Ersatzerbenstellung des Ehemanns nur dann in Betracht, wenn sich für seine Ersatzerbeinsetzung im Testament über die Einsetzung der Bedachten hinaus Anhaltspunkte finden. (amtlicher Leitsatz)

Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 19.12.2012 - 31 Wx 372/12

Ausgangslage
Die Erblasserin verstarb im Alter von 88 Jahren. Sie überlebte Ihren Ehemann und auch ihren kinderlos verstorbenen Sohn. Mangels Angehöriger, die als Erben in Betracht gekommen wären, setzte die Erblasserin in ihrem Testament daher eine Frau als Alleinerbin ein, die sie über Jahre gepflegt hatte. Der Wortlaut des Testaments lautete:

„Mein letzter Wille

Sollte ich einmal krank werden, ist Frau S. (Adresse) berechtigt sich um alles zu kümmern. Nach meinem Tod setzte ich als meinen Erben Frau F. S. ein.
Die Haushalt(...) Gegenstände und mein Bankguthaben vermache ich ebenfalls Frau S.

Unterschrift"

Allerdings überlebte die Erblasserin auch ihre im Testament bedachte Erbin, Frau S. Wie in derartigen Fällen, in denen Testamente unklaren Inhalts verfasst werden oder in Testamenten bedachte Personen vorversterben, üblich, fühlen sich daraufhin mehrere Personen als „Ersatzerben" berufen: der Ehemann von Frau S., ihre Tochter und zu guter Letzt der Freistaat Bayern.

Die Tochter argumentierte aus dem Rechtsgedanken des § 2069 BGB heraus, dass sie als Tochter von Frau S. als Ersatzerbe angesehen werden könne. Der Ehemann argumentierte auf Basis einer ergänzenden Testamentsauslegung, dass die Erblasserin sicher gewollt hätte, dass im Falle des Todes von Frau S. deren Erben in die Erbfolge eintreten sollen.

Entscheidungsgründe

Beiden Versionen erteilte das OLG München jedoch eine Absage und gab stattdessen der Argumentation des Freistaats Bayern Recht. Dieser trug vor, dass eine ergänzende Testamentsauslegung voraussetzen würde, dass eine planwidrige Regelungslücke im Testament vorliegt, welche durch einen zumindest andeutungsweise festzustellenden Willen des Erblassers geschlossen werden kann. Die Willensrichtung des Erblassers, einen Ersatzerben zu bestimmen, muss sich jedoch unmittelbar aus dem Wortlaut des Testaments heraus ergeben. Durch eine ergänzende Testamentsauslegung darf kein Wille in das Testament hineingetragen werden, wenn er im Testament nicht einmal andeutungsweise zum Ausdruck gekommen ist.

Das kurz gehaltene Testament der Erblasserin im vorliegenden Fall enthielt jedoch keinerlei Hinweis oder Aussage darüber, wer Erbe für den Fall werden sollte, dass Frau S. vor der Erblasserin stirbt. Es ist anzunehmen, dass die Erblasserin sich über die Möglichkeit, dass ihre Pflegerin vor ihr stirbt, keine Gedanken gemacht hat. Wenn das Testament jedoch keine Aussage darüber zulässt, wer anstelle von Frau S. erben sollte, darf ein Gericht nicht im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung einen Ersatzerben bestimmen. Das Oberlandesgericht München entschied daher, dass der Freistaat Bayern in Folge der gesetzlichen Erbfolge das gesamte Vermögen erbt, da sich ein kein gewillkürter Erbe aus dem Testament ermitteln lässt.

Kommentar
William Bauer, Rechtsanwalt bei KBM Legal in Köln und Düsseldorf im Bereich Erbrecht führt hierzu aus: Der Fall führt vor Augen, welche Folgen ein nicht vollständig durchdachtes Testament nach sich ziehen kann. Mit einem Testament kann der Erblasser bis ins kleinste Detail verbindlich festlegen, wie die Aufteilung seines Vermögens vorgenommen werden soll. Lässt sich der Erblasserwille jedoch nicht ermitteln, bleibt dem Richter nichts anderes übrig, als die gesetzlichen Regeln anzuwenden. Um Zweifel an dem genauen Inhalt testamentarischer Regelungen zu vermeiden oder die Einhaltung der im Testament niedergelegten Vorgaben zu gewährleisten, ist es daher sinnvoll, sich juristischer Hilfe bei der Erstellung eines Testaments zu bedienen.

Denjenigen, die in Eigenregie ein Testament verfassen wollen bzw. verfasst haben, kann die Entscheidung des OLG München zur Verdeutlichung zweier Grundregeln dienen:

1. Ein Testament sollte in regelmäßigen Abständen darauf überprüft werden, ob die eingesetzten Erben bzw. die getroffenen Regelungen noch den derzeitigen Vorstellungen des Erblassers entsprechen.

2. Zu einer guten Testamentsgestaltung gehört, auch verschiedene Lebensentwicklungen und Alternativen gedanklich durchzuspielen und für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass ein Erbe vorverstirbt, einen oder mehrere Ersatzerben zu bestimmen.

http://www.kbm-legal.com/rechtsberatung/erbrecht.html


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